Rede von Recht auf Stadt:
Kapitalistisches Regensburg und marktkonformer Stadtrat

Redner von RaS währende Kundgebung Protestieren statt frieren

Kundgebung „Protestieren statt Frieren“, 06.10.2022, Rathausplatz, Foto: Herbert Baumgärtner

Unsere Initiative Recht auf Stadt befasst sich im Grunde mit nichts anderem als den Verwüstungen, die die Konkurrenzgesellschaft Kapitalismus auf der kommunalen Ebene anrichtet. Und natürlich mit den Handlungen bzw. Nichthandlungen unserer sogenannten „Volks“-Vertreter*innen nebst Exekutive und Judikative, die das kapitalistische Treiben mit allen Mitteln fördern. Der Titel unserer Rede lautet daher: Kapitalistisches Regensburg und marktkonformer Stadtrat.

Warum machen der Stadtrat und die Verwaltung das? Warum vertreten sie nicht die Interessen aller Bürger*innen, sondern offensichtlich nur die Interessen weniger, nämlich die Interessen der reichen Klasse? Warum gibt es in Regensburg beispielsweise mit aller Härte durchgeführte Zwangsräumungen, auch von der Stadtbau, einer 100 % Tochter der Stadt, und Stromabschaltungen, auch von der REWAG, ebenfalls im Eigentum der Stadt? Aufsichtsratsvorsitzende in beiden Unternehmen ist übrigens die Regensburger Oberbürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer.

Warum also passiert das, während auf der anderen Seite von Stadtrat und Verwaltung beispielsweise illegale Zweckentfremdungen ganz offen geduldet werden?

Normalerweise ist es so: Wenn eine Mietwohnung in eine Ferienwohnung umgewandelt werden soll, ist das eine Nutzungsänderung von Wohnraum in Gewerbe. Das muss die*der Immobilieneigentümer*in vorher vom Bauamt genehmigen lassen. Andernfalls ist das illegal und kann mit einem Bußgeld von bis zu 500000 Euro belegt werden. Gleichzeitig wird die Nutzungsänderung untersagt. Wohnraum wird dadurch gerettet.

Und in Regensburg? Nichts! Kein Bußgeld, keine Rückführung in Wohnraum. Im Gegenteil: Jahrelange illegale Ferienwohnungen werden nachträglich und bußgeldfrei von der Verwaltung legalisiert. Dass in Regensburg akuter Wohnraummangel herrscht, wird zwar im Wahlkampf stets beweint, aber in der Praxis wird von Stadtrat und Verwaltung genau dieser befördert.

Warum also verfahren die Beamten in den einzelnen Ämtern so, warum nickt der Stadtrat das Vorgehen der Verwaltung widerspruchslos ab? Grund: Die idiotische, neoliberale Ideologie von der sogenannten unternehmerischen Stadt. Eine Stadt wird von einer kapitalistischen Verwaltung und einem marktkonformen Stadtrat nicht mehr als Lebensraum von Menschen gesehen, als Ort von Kultur und Begegnung, sondern als Unternehmen, das sich gefälligst rentieren soll. Da ist dann plötzlich nur noch wichtig, dass möglichst viele Touristen die Kassen klingen lassen, dass es möglichst viele Hotels und möglichst viele Ferienwohnungen gibt. Dass sich möglichst viel Gewerbe ansiedelt, das möglichst für den Export produziert, damit die Gewinne hier hängen bleiben, aber von anderen bezahlt werden.

Wohnraum soll nicht einfach nur Wohnraum sein, sondern Kapitalanlage, die natürlich Jahr für Jahr im Wert steigen soll. Und Kultur ist nicht mehr einfach nur Kultur, sondern Kulturwirtschaft, Kreativwirtschaft, die vor allem Gewinne abwerfen soll, statt der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten. Alles läuft unter dem Begriff Marketing, Stadtmarketing.

Dass eine Stadt dadurch nach und nach zu einem kalten, unwirtlichen und damit toten Ort wird, weil sich normale Menschen die unternehmerische Stadt nicht mehr leisten können, scheißegal. Normale Menschen stören eh nur. Die sollen gefälligst vom Umland in die Stadtpendeln. Die Stadt selbst gehört dem Marketing, dem Event.

Das ist die Ideologie, das Credo der kapitalistischen Regensburger Verwaltung und des marktkonformen Stadtrats.

Es ist klar, wenn sich die Verhältnisse zuspitzen, so wie jetzt, beschleunigt sich die Entwicklung der unternehmerischen zu einer toten Stadt. Denn wo kein Geld, da keine Unternehmensgewinne, und damit bricht das Geschäftsmodell einer unternehmerischen Stadt in sich zusammen. Grundstücks- und Immobilienpreise sind tot spekuliert. Niemand kann mehr die exorbitanten Preise zahlen.

Die Folge ist Leerstand. Siehe aktuell das Dörnbergviertel. Seit zwei Jahren sind dort immer noch dutzende Wohnungen unvermietet.

Siehe Leerstand von Hotels: Star Inn und Mercure mit insgesamt 300 Zimmern!

Siehe Leerstand von Verkaufsflächen: In der Maxstraße, auf dem Neupfarrplatz, überall in der Altstadt.

Nun könnte eine vernünftige Verwaltung und ein verantwortungsvoller Stadtrat auf die Idee kommen, Moment mal, da stehen zwei Hotels leer. Na, dann quartieren wir doch dort obdachlose Menschen ein, davon haben wir genug in Regensburg. Das Bündnis „Solidarische Stadt Regensburg“ hat eine entsprechende Petition eingereicht. Alle Ausschussmitglieder im Stadtrat, einschließlich sogenannter Opposition, stimmten dagegen.

Bald wird ein Altenheim in Regensburg leer stehen, das Kursana am Bahnhof, weil der kapitalistischen Eigentümerin Swiss Life Asset Managers, eine Aktiengesellschaft,die momentanen Gewinne offenbar nicht reichen. Regensburg selbst hat inzwischen zu wenige Pflegeplätze. Ein kommunales Pflegeheim, das Michlstift, hat die Stadt 2015 gegen massiven Bürger*innenprotest sogar selbst geschlossen. Jetzt müssen unsere Alten auf Heime im Landkreis ausweichen. Was für ein Armutszeugnis!

Eine vernünftige Verwaltung und ein verantwortungsvoller Stadtrat könnten nun auf die Idee kommen, beschlagnahmen wir doch das Kursana. Unser Alten sind durch die Schließung quasi obdachlos, dafür gäbe es sogar eine gesetzliche Grundlage. Aber wir dürfen sicher sein, das wird nicht geschehen. Menschlichkeit ist in einer unternehmerischen Stadt nicht vorgesehen, auch nicht bzw. erst recht nicht in Zeiten der Krise.

Dagegen müssen wir protestieren! Wir wollen eine solidarische Stadt, keine unternehmerische! Wir wollen eine solidarische Welt, und keine, in der ein Kapitalist den anderen erschlägt. Wir wollen eine menschliche Welt. Um das zu erreichen, müssen wir in den Kommunen anfangen. Danke!

 Mitschnitt der Rede:

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