Zweckentfremdungs-erlaubnis-satzung im Stadtrat:
“Wir wollten ja nicht die Anzahl der Ferienwohnungen reduzieren”

Das ist die Antwort von Oberbürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer auf die Kritik, die Zweckentfremdungssatzung greife so gar nicht. Nicht? Im Gegenteil! Dank der ominösen Satzung werden gerade reihenweise illegale Ferienwohnungen legalisiert, wie Recht auf Stadt aufdeckte. Aber ist das nicht ein ordentlicher Verstoß gegen sämtliche Baurechte? Ach was! In Regensburg gilt für Immobilien- und Tourismuslobby der Spontispruch: Legal? Illegal? Scheißegal!

Scheissegal

Schon vor der Einführung der Regensburger Zweckentfremdungs-erlaubnis-satzung informierte Recht auf Stadt über deren katastrophale Unzulänglichkeit. Zuletzt erstellten wir eine umfangreiche Analyse einer von der Verwaltung herausgegebenen “Zwischenbilanz”. Immerhin ist in der Folge immer mal wieder leise Kritik im Ausschuss für Stadtplanung, Verkehr und Wohnungsfragen zu hören, wenn Ferienwohnungen trotz bzw. wegen der Satzung vom Bauordnungsamt genehmigt werden. So auch am 18.05.2021, wie der Audio-Aufzeichnung der Sitzung zu entnehmen ist.

Rottke von der Brücke: Oppositioneller Totalausfall

Als erster meldete sich Florian Rottke von der Brücke. Eigentlich startet der Stadtratsneuling durchaus vielversprechend. Hören wir mal rein:

“Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Einmal wollte ich meine Verärgerung darüber zu Kund bringen, dass es wieder erneut Ferienwohnungen sind und dass diese Satzung einfach nicht greift. Das haben wir in der Fraktion besprochen und wir sind alle eigentlich ein bisschen darüber verärgert, dass das scheinbar nicht funktioniert.”

Super! Verärgerung, wenn auch nur “ein bisschen”, aber immerhin! Wer hätte das dem treudoofen Wolbergs-Wahlverein zugetraut! Hören wir gebannt weiter:

“Dann haben wir glaube ich alle dieses sehr sehr lange Mail über einen sehr sehr langen Artikel bekommen, die ich weiß nicht, ob die jeder gelesen hat, von Herrn Raster. Ich bin selbst schuld, ich hab’s getan. Es gab nur einen Punkt, der mir so ein bisschen aufgestoßen ist.”

Nur ein Punkt? Und wieder nur “ein bisschen”?

“Da ging es um dieses … um die bestrittene Passage aus der Nürnberger Zweckentfremdungssatzung, wo anscheinend ein Urteil schon im Dezember ergangen ist und in unserer Beschlussvorlage stand eben noch drin, dass das noch nicht rechtskräftig wäre. Die Einlassung vom Gericht war allerdings schon relativ deutlich. Und da wollte ich nachfragen, warum das passieren kann, dass das trotzdem als strittig in die Vorlage kommt.”

Laut dem “sehr sehr langen Artikel” wurden per Zweckentfremdungs-erlaubnis-satzung 47 illegale Ferienwohnungen genehmigt und 104 weitere illegale sollen genehmigt werden und ihn, den angeblich “ein bisschen” Verärgerten, sorgt einzig, dass die Verwaltung eine klare Gerichtsaussage als strittig darstellte? Wohlgemerkt nicht der juristischen Fakt des Urteils ansich, der besagt, per Zweckentfremdungssatzung illegalen Ferienwohnungen Bestandsrecht zu verleihen sei so gar nicht im Sinne des Rechts! Darüber kein Wort! Tja, als Stubentiger gesprungen und als Schnurrhase gelandet.

OB: Klein Getrudchen erklärt die Welt

Nun ergreift die Lenkerin der Stadtgeschicke das Wort:

“Also zum einen, wenn das Ziel gewesen wäre, generell Ferienwohnungen zu unterbinden, und nicht möglich zu machen, dann hätte man mit Sicherheit die Satzung in Regensburg anders formulieren müssen, indem man dann sagt, es sind Ferienwohnungen nicht genehmigungsfähig, ich weiß nicht, wie man das juristisch ausdrückt, die bis jetzt ohne Baugenehmigung oder Nutzungsänderung als Ferienwohnung genehmigt werden, die sind in Zukunft nicht mehr als Ferienwohnungen nutzbar. ( …) Das ist kein Strickfehler, weil wir wollten ja nicht die Anzahl der Ferienwohnungen reduzieren.”

Nach Ansicht der Oberbürgermeisterin dieser Stadt muss in einer Satzung ausdrücklich stehen, dass Illegales nicht erlaubt ist, andernfalls ist es erlaubt? Ein, gelinde gesagt, merkwürdiges Rechtsempfinden. Übrigens, eine kleine, sicher unbeabsichtigte Wahrheit ist da der OB herausgerutscht. Haben Sie’s gemerkt?

” … die bis jetzt ohne Baugenehmigung … als Ferienwohnung genehmigt werden”

Besser kann die Regensburger Praxis des Wegschauns bei einer bestimmten Klientel nicht in Worte gefasst werden.

“Ich hab damals bei der Diskussion um die Ferienwohnungen hier mal gesagt, ich war selber schon froh, damals, als ich noch als Archäologin gearbeitet hab, dass in bestimmten Städten und auch kleineren Ortschaften Ferienwohnungen zur Verfügung stehen, weil sonst hätten wir damals unsere Arbeit gar nicht so machen können, weil in einem Hotel untergebracht zu werden in so einer Situation ist natürlich ungleich schwieriger und auch teurer.”

Dürfte schon einige Zeit her sein, da die Oberbürgermeisterin von Ort zu Ort tingelte und in Monteurswohnungen nächtigte. Inzwischen hat sich viel geändert. Die Anzahl der Sozialwohnungen ist auf einen Bruchteil geschrumpft, die einst günstige Altstadt wurde grundsaniert und zu einem Touristenhotspot, Regensburg wurde zur Boomtown und zählt inzwischen laut Postbank Wohnatlas zu den 10 teuersten Städten Deutschlands. Aber die OB sieht die Welt immer noch so herrlich naiv wie klein Gertrudchen. Süß.

“Was wir nicht wollten, ist bereits bestehende Ferienwohnungen, die damals schon als Ferienwohnungen genutzt worden sind, auch wenn wir vielleicht nix davon wussten, in den normalen Wohnungsmarkt zu zuführen. Das war nicht Ziel dieser Zweckentfremdungssatzung. Dazu war auch der prozentuale Anteil am Gesamtwohnungsbestand, den wir damals ermitteln konnten, zu niedrig.”

Häh? Die Verwaltung wusste zwar nichts Genaues über den Bestand an Ferienwohnungen, aber sie wusste genau, dass deren Anteil am Gesamtwohnungsbestand “zu niedrig” war? Regensburger Stadtplanung at his best!

Steht übrigens nirgends, dass die Einführung einer Zweckentfremdungssatzung von einem bestimmten Anteil an Ferienwohnungen abhängt. Ein weiteres Kapitel aus dem heiteren Büchlein “Tricksen und Täuschen. Wie eine Verwaltung den Stadtrat nasführt”.

Freihoffer: Endlich nennt jemand das Kind beim Namen

Wenigstens die Stadträtin der Linken Irmgard Freihoffer zeigt zumindest ansatzweise (und nach entsprechender Information durch Recht auf Stadt) Profil und deutet auf den Elefanten im Raum: Illegal!

“Sie drücken das so aus, Wohnungen die bisher schon als Ferienwohnungen genutzt wurden. Das ist, glaube ich, ein bisschen verharmlosend, weil diese Wohnungen illegal als Ferienwohnungen genutzt wurden. Die werden jetzt nachträglich legalisiert. Das muss man sich auch vor Augen führen. Und da frag ich mich natürlich schon, ob das auch ein Ziel war, nicht genehmigte Ferienwohnungen nachträglich zu genehmigen. Also, das finde ich, geht so nicht. Und jetzt kommt das tröpfchenweise immer wieder fast in jeder Sitzung daher.”

Huch, jetzt ist es heraußen! Illegal! Die Stadtverwaltung wird nun bestimmt unverzüglich und mit entschlossener Konsequenz handeln! Denn was Illegales zu erlauben, ist das nicht irgendwie selbst illegal? Gott bewahre! So etwas kann einer Stadtverwaltung doch höchstens versehentlich passieren, oder?

Ferienwohnungen 2021 06

Weitere, vormals illegale Ferienwohnungen, deren Legalisierung durch das Bauordnungsamt diesen Juni bekannt gegeben wurden

Frohschammer und OB: Nicht illegal, sondern nur “illegal”

Weit gefehlt. Der Leiter des Bauordnungsamts Armin Frohschammer springt todesmutig in die aufgerissene Bresche. Was heißt schon “illegal”!

“Richtig ist, es gab keine Baugenehmigung, aber materiell-rechtlich waren diese Ferienwohnungen genehmigungsfähig. Und, natürlich hat das jetzt befördert, weil die jetzt natürlich einen Druck bekommen haben, dies baurechtlich richtig zu stellen. Aber die haben ja einen Anspruch auf diese Baugenehmigung. (…) Es ist ein formaler Verstoß, aber sie hatten den Anspruch auf diese Baugenehmigung.”

Der Leiter des Stadtplanungsamts Anton Sedlmeier gab gegenüber der Mittelbayerischen zu, zur Zeit der Verabschiedung der Zweckentfremdungssatzung hatten von 300 Ferienwohnungen 250 keine Erlaubnis (MZ, 17.06.2021: “Touristen wichtiger als Mieter?”).

Warum ließen soviele ihre Ferienwohnung nicht genehmigen, obwohl es angeblich doch nur eine Formalie ist? Noch dazu mit Erlaubnisgarantie? Nun, so einfach und hemdsärmelig wie der Herr Bauordnungsamtsleiter es darstellt, ist die Sache nicht.

Zunächst, eine Nutzungsänderung kostet, in Regensburg 2 € pro qm laut Auskunft des Bauordnungsamts. Aber was vermutlich wesentlich schwerer wiegt: Bei einer Umwandlung einer Wohnung in eine Ferienwohnung muss, wie bei jedem anderen Bauantrag auch, die Nachbarschaft gefragt werden, wie in Artikel 66 der Bayerischen Bauordnung (BayBO) festgelegt. Und welche*r Nachbar*in will schon eine Ferienwohnung in unmittelbarer Nähe mit ständig wechselnder Belegschaft, die womöglich jede Nacht Party feiert, die Leute sind ja in Urlaub?

Der “formale” Verstoß, wie das Bauordnungsamt es verniedlichend darstellt, ist in Wirklichkeit das bewusste Unterlaufen eines wichtigen, demokratischen Instruments. Per Zustimmung oder Ablehnung von Bauanträgen kann die Bevölkerung über Entwicklungen in der Nachbarschaft ein Wörtchen mitreden. Für das Bauordnungsamt, das demokratische Ordnung schaffen und antidemokratischen Wildwuchs verhindern soll, ist Mitbestimmung offensichtlich kein Argument.

Nun aber wieder Klein-Gertrudchen:

“Inwiefern das illegal ist, also sozusagen dann auch geahndet oder bestraft werden könnte, jetzt mal abgesehen von der Zweckentfremdungssatzung, kann ich überhaupt nicht beurteilen, aber ich gehe einmal davon aus nicht, wenn man materiell-rechtlich das Recht darauf hat, dann ist es ein Verwaltungsakt. So.”

Das ist mal eine Ansage! Wenn etwas materiell-rechtlich erlaubt ist, dann ist das Formal-Rechtliche Wurscht? Das wird alle Gesetzesbrecher*innen freuen zu hören: Materiell-rechtlich darf jede*r Geld von der Bank abheben. Wenn ich das formal-rechtlich nicht über den Bankschalter bewerkstellige, sondern abends per Schweißbrenner, ist das nur ein Buchungsakt. So.

Aber halt! Bevor Sie eine Bank überfallen, wollen wir lieber erst gucken, ob das auch stimmt, was hier von Verwaltung und Stadtspitze verzapft wird. Schauen wir in die Gesetze. Artikel 55 der BayBO verlangt:

“(1) Die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung von Anlagen bedürfen der Baugenehmigung”

Aha, die Nutzungsänderung von Wohnungen in Ferienwohnungen muss baurechtlich genehmigt werden. Also nix da von formal-rechtlich alles wurscht, sondern klare Kante: Es bedarf einer Baugenehmigung. Aber was passiert, wenn ich ordnungswidrig darauf verzichte? Hier klärt Artikel 79 der BayBO auf:

“Ordnungswidrigkeiten
(1) Mit Geldbuße bis zu fünfhunderttausend Euro kann belegt werden, wer vorsätzlich oder fahrlässig …
… entgegen Art. 55 Abs. 1 (…) bauliche Anlagen errichtet, ändert oder benutzt”

Wow! Bis zu 500 000 Euro Strafe! Abermals: Nix da mit formal-rechtlich alles easy-peasy!

Rechnen wir mal nach: Laut Zwischenbilanz wurde für 47 Zweckentfremdungen ein Negativattest ausgestellt. Wie die Verwaltung ausführt, handelt es sich dabei fast ausschließlich um illegale Ferienwohnungen, die nachweislich schon vor Verabschiedung der Satzung illegal als Ferienwohnungen genutzt wurden. 47 mal 500 000 ist … Huch! Über 23 Millionen!

Aber es sind ja nicht nur 47, Sedlmeier sprach von 250. Nehmen wir diesmal nicht die Höchststrafe, sondern seien wir gnädig, nehmen wir nur 10 000. 250 mal 10 000 ist … Immerhin! Über 2,5 Millionen! Ein schönes Sümmchen, mit dem die Stadt einiges anfangen könnte.

Übrigens hat Recht auf Stadt unter Berufung auf die Informationsfreiheitssatzung per Onlineplattform FragDenStaat eine Anfrage beim Bauordnungsamt eingereicht, Titel: “Nutzungsänderung von Ferienwohnungen / Monteurswohnungen”. Unter anderem fragten wir, ob gegen eine dieser 47 nachgewiesenen Zweckentfremdungen Bußgeld verhängt worden sei. Inzwischen ist die satzungsgemäß festgesetzte Frist abgelaufen, ohne dass das Bauordnungsamt geantwortet hätte.

Dem Bauordnungsamt ist anscheinend nicht nur die Bayerische Bauordnung wurscht, sondern auch die Informationsfreiheitssatzung.

Schimpfermann: Irgendwann wird’s vorbei sein

Und was sagt die oberste Stadtplanerin zu dem Ganzen, Planungs- und Baureferentin Christine Schimpfermann?

“Um nochmal darauf zurückzukommen was wir mit der Satzung damals eigentlich für ein Ziel hatten. Wir hatten nicht das Ziel, die Ferienwohnungen, die damals schon genutzt waren, ob jetzt mit oder ohne Baugenehmigung, zurückzuführen. Das war nicht das Ziel. Deswegen kommen die jetzt leider immer, und das ist für uns alle sehr mühsam, so angetröpfelt. (…) Irgendwann wird’s vorbei sein.”

Ja, schon peinlich, wie Monat für Monat per Baugenehmigungen das skandalöse Agieren der Stadtverwaltung aufgedeckt wird.

Aber irgendwann wird’s vorbei sein. Dann werden auch die restlichen 250 minus 47 illegalen Ferienwohnungen durch per Zweckentfremdungssatzung verliehenem Bestandsrecht genehmigt sein. Dann ist Ruhe im Karton.

Und das eigentliche Klassenziel ist ja sowieso schon lange erreicht. Laut Statement der Stadtverwaltung gegenüber der Sendung “quer” ist die Altstadt, in der sich die meisten Ferienwohnungen befänden, eh zu teuer und daher uninteressant für Regensburger*innen.

Seid also endlich still, sonst gentrifizieren wir euch auch noch!

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