Kommunales Pflegeheim St. Michael:
Sieg! Und schallende Ohrfeige für Stadt und Verwaltungsgericht

Wie Recht auf Stadt (RaS) berichtete, klagte die Initiative mehr als 3 Jahre auf Herausgabe eines Gutachtens über die angebliche Nichteignung des leider nun ehemaligen, kommunalen Bürgerstifts St. Michael (Michlstift) als Pflegeheim. Das Verwaltungsgericht verstrickte sich dabei zugunsten der Stadtverwaltung in derart abenteuerliche Begründungen, dass RaS Befangenheitsantrag gegen die zuständigen Richter*innen stellte, und dann noch einmal gegen die Richter*innen, die den Befangenheitsantrag gegen die zuständigen Richter*innen ablehnten. Außerdem legte RaS Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ein. Und plötzlich ging alles sehr schnell.

Recht auf Stadt Klage

Was lange währt, wird endlich gut! – Einwurf der Klage Dezember 2016

Bewilligung für Prozesskostenhilfe entscheidet

Eigentlich handelte es sich nur um einen simplen Prozesskostenhilfeantrag. Jedoch wird Prozesskostenhilfe (PKH) von Regensburger Gerichten gerne zweckentfremdet, wie RaS schon mehrmals erleben durfte. Der Ablehnungsbescheid des Verwaltungsgerichts (VG) glich seinem Umfang und Detailliertheit nach einem Urteil mit der deutlichen Botschaft an RaS: Lasst alle Hoffnung fahren!

Vice versa war auch der Aufhebungsbescheid des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) für Nun-doch-PKH sehr erschöpfend, so erschöpfend, dass letztendlich die Stadtverwaltung alle Hoffnung fahren ließ und das Gutachten, ohne noch ein Urteil des VG abzuwarten, der Initiative „freiwillig“ zusandte. Im wortkargen Begleitschreiben wird zudem zugesichert, „dass einer Erledigungserklärung zugestimmt werden würde und die Kosten von der Beklagten getragen werden würden“.

Nachhilfe und Humor

Der Bescheid des VGH hat es zugegebenermaßen in sich. Nicht nur lässt er an Klarheit kaum etwas zu wünschen übrig, er enthält auch so manche Spitze und – ja, auch dazu sind Richter*innen fähig – manch Prise Humor.

Die Münchner Richter*innen folgen in vielem den Ausführungen von RaS, führen aber auch eigene, durchaus erfreuliche, Aspekte an. Ganz offensichtlich ist der VGH bestrebt, den Regensburger Richter*innen Nachhilfe in Sachen Informationsrechte der Bürger*innen angedeihen zu lassen. Aus dem Bescheid:

„Denn das Verwaltungsgericht hat den Auskunftsanspruch des Klägers aus Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG [Bayerisches Datenschutzgesetz, RaS] nicht geprüft. Nach dieser Vorschrift hat jeder das Recht auf Auskunft über den Inhalt von Dateien und Akten öffentlicher Stellen, soweit ein berechtigtes, nicht auf eine entgeltliche Weiterverwendung gerichtetes Interesse glaubhaft dargelegt wird. Der Senat hat in seinem Urteil vom 13. Mai 2019 entschieden, dass dieser Auskunftsanspruch auch Informationen erfasst, die – nur – bei privaten Dritten vorhanden sind, derer sich die öffentliche Stelle bei der Erfüllung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bedient hat.“ [Alle Hervorhebung RaS]

Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber für die Stadtverwaltung Regensburg und das VG ein offensichtlich noch unentdecktes Gebiet. Darum merke, Stadtverwaltung! Alles, was mit öffentlichem Geld bezahlt wird, muss der Öffentlichkeit als Information zur Verfügung gestellt werden!

Und noch etwas anderes schreibt der VGH informationsunwilligen Kommunalverwaltungen ins Stammbuch: Das Aushebeln des Informationsrechts durch gegenseitige Vertragsvereinbarungen gildet nicht!

„Es ist grundsätzlich rechtlich problematisch, wenn eine Kommune, die sich zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben oder – wie hier – zur Vorbereitung entsprechender kommunalpolitischer Entscheidungen durch Ausarbeitungen aller Art eines privaten Dritten bedient, diese Informationen der Öffentlichkeit durch vertragliche Abreden mit den eingeschalteten Dritten vorenthalten will.“

Klatsch! Das hat gesessen! Eine Peinlichkeit sondergleichen für eine Stadtverwaltung, deren oberstes Credo es nach Erfahrung von RaS ist, die Öffentlichkeit dumm zu halten, damit nicht das passiert, was die Erfüllungsgehilfen des VG in ihrer PKH-Ablehnung drohend an die Wand klecksten: „Es ist davon auszugehen, dass der Kläger die Informationen einer breiten Masse zugänglich machen will, um öffentlichkeitswirksam auf etwaige Missstände bei der Beklagten hinzuweisen.“ Ja, wo kämen wir denn da hin, wenn die Bürgis plötzlich von Missständen in der Verwaltung erführen! Das wär ja schon fast Demokratie!

Nun aber zum Humor. Zugegeben, wohl nur juristisch Feinschmeckende finden witzig, wie der VGH den Regensburger Richter*innen ihre eigenen Worte, geschickt verpackt als Lob, genüsslich unter die Nase reibt:

„Wie das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss zutreffend ausführt, dürfen die Gerichte die Anforderungen an die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung nicht überspannen. Für den Erfolg eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolgs. Diese kann hier entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht verneint werden.“

Aber auch die Gutachtenersteller*innen, die bereitwillig alle Eskapaden der Stadtverwaltung für eine möglichst umfassende Intransparenz mitmachten, bekommen ihr Fett weg:

„Das Gutachten befasst sich auf (inhaltlich) 12 Seiten mit der Frage, ob das Bürgerstift die Anforderungen für die Nutzung als Pflegeeinrichtung in baulicher Hinsicht erfüllt oder entsprechend umgerüstet werden kann. Es dürfte eher „handwerklicher“ Art sein. Die für einen urheberrechtlichen Schutz erforderliche Schöpfungs- bzw. Gestaltungshöhe ist nicht zu erkennen.“

Schließlich sei noch der poetisch schönste Satz zitiert:

„Diese Entscheidung ist unanfechtbar.“

Ende gut, alles gut?

Mitnichten. Denn schließlich hat die Stadt erreicht, was sie erreichen wollte. Sie spielte auf Zeit, um Gras über die Sache wachsen zu lassen, und hat damit immerhin fast 4 Jahre herausgeschunden.

  • 4 Jahre, in denen der Oberbürgermeister, der maßgeblich die Schließung des Michlstift, trotz gegenteiliger Wahlversprechen, vorangetrieben hatte, wegen allzu großer Nähe zur Immobilienbranche suspendiert wurde. Einer seiner Immobilienfreunde ist übrigens Klaus-Jürgen Sontowski, der als Investor des privaten Pflegeheims Candis sehr von der Abwicklung des konkurrierenden, kommunalen Pflegeheims St. Michael profitiert haben dürfte. Das Candis ist lustigerweise parallel zur Schließung des Michlstift mit exakt ebenso vielen Plätzen eröffnet worden – was sicher nur ein saudummer Zufall ist.

  • 4 Jahre, in denen sich in Sachen Transparenz in Regensburg, trotz einem der größten Bestechungsskandale der Nachkriegszeit – und zwar bundesweit! –, so wenig zum Positiven veränderte, dass sich nicht einmal die weltweit tätige Organisation „Transparency International“, an den Regensburger Sumpf heranwagte.

Die Initiative hofft zwar, das Urteil werde die Stadtverwaltung künftig etwas auskunftsfreudiger stimmen, zumal sie nun weiß, dass sie nicht mit jeder Ausflucht durchkommt. Aber einen Sinneswandel hin zu einer aufrichtigen Informationskultur auch über unangenehme Dinge wird es nicht geben. Wo soll dieser auch herkommen, wenn die neue OB, ohne rot zu werden, „Kontinuität“ predigt?

Gutachten folgt

Die Initiative Recht auf Stadt wird das Gutachten auswerten und zusammen mit der Analyse demnächst veröffentlichen. Sie wird also „Informationen einer breiten Masse zugänglich machen“ und „öffentlichkeitswirksam auf etwaige Missstände bei der Beklagten“ hinweisen, wie das Verwaltungsgericht warnte. Denn eines ist beim ersten Durchschauen schon klar: Das Gutachten rechtfertigt keineswegs die Schließung des Michlstifts.

PS: Dieser Artikel wurde als Pressemitteilung auch an alle Stadtratsfraktionen und per Mail erreichbaren Stadträt*innen sowie alle städtischen Ämter verschickt. Reaktionen bisher: keine. 


Hintergrundinfos zum Michlstift:

Petition: “Das Michlstift muss bleiben!”

Die Geschichte vom Pferd

Michlstift besser als Bürgerheim Kumpfmühl – Begründung der Schließung nur „Vorentwurf“

Übergabe der Petition “Das Michlstift muss bleiben!”

Michlstift: BI Asyl für gemischte Nutzung

Keine Antwort auf Petition „Das Michlstift muss bleiben!“

Recht auf Stadt klagt auf Herausgabe des Michlstift-Gutachtens

Kein Gutachten? Recht auf Stadt reicht Befangenheitsantrag ein

 

 

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