Resümee 2. Leerstandsaktionstag:
Leben statt Leerstand! – Gegen die Verursachenden

Während es beim ersten Leerstandsaktionstag im Juli vor allem um die Skandalisierung von leerstehenden Objekten ging und darum, wie diese sinnvoll genutzt werden könnten, knöpften sich beim zweiten Aktionstag Ende Oktober die veranstaltenden Gruppen die Verursachenden von Leerstand und Wohnungsnot vor. Die Stadtverwaltung wurde per Satire und Rede bloßgestellt, ebenso die Regierende SPD samt Koalitionäre, die Kirche, Privatinvestoren wie der Händlmaier-Geschäftsführer sowie die Bauspekulation im Dörnbergviertel. Die Abschlusskundgebung fand diesmal auf dem Haidplatz statt.

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Die Gruppe Aufbruch platzierte sich vor der ehemaligen Händlmaier-Filiale in der Unteren Bachgasse.

Aufbruch

Die Gruppe Aufbruch hatte ihren Infostand vor einer leerstehenden Händlmeier-Immobilie in der Bachgasse aufgebaut. Denn auch der Händlmaier-Konzern bzw. dessen Geschäftsführer lässt offensichtlich bewusst viele der Gebäude, die in seinem Besitz sind, leerstehen. Umso weniger Wohnungen, desto größere Wohnungsnot, desto höhere Mietpreise, desto mehr Profit für große Immobilienhaie.

In den Augen von Aufbruch ist Wohnraum ein Menschenrecht und kein Spekulationsobjekt. Daher waren die Aktivisti*innen mit vielen Flyern und Infos über die Situation in Regensburg präsent. Der Fokus an diesem Tag lag besonders auf dem Thema Obdachlosigkeit, denn während Regensburg inzwischen zu den zehn teuersten Städten Deutschlands gehört und unzählige Wohnungen leerstehen, gibt es hunderte Menschen ohne Dach über dem Kopf. Die Zustände in den wenigen Unterkünften sind katastrophal. Schimmel, Exklusivität, Sperrstunden, Rausschmiss in den frühen Morgenstunden – die Stadt redet zwar seit Jahren davon, etwas verbessern zu wollen, aber kaum etwas passiert.

Über den Nachmittag hinweg wurden mit vielen verschiedenen Menschen gute Gespräche geführt und diskutiert. Die Aktivist*innen hörten zahlreiche persönliche Geschichten und informierten ihrerseits detailliert über die Missstände im Bereich Wohnraum.

Die Stimmung an diesem Tag war sowohl bei Demonstrant*innen als auch Passant*innen klar: Es braucht bezahlbaren Wohnraum für alle und nicht Profit für wenige!

Aus der Rede (hier als Vidomitschnitt):

“Die einzige Notunterkunft, in der ein längerer Aufenthalt möglich ist, ist die in der Aussiger Straße. Zu dieser haben jedoch alleinstehende Obdachlose keinen Zutritt, sondern sie ist für Familien und Obdachlose mit besonderen Bedürfnissen gedacht. Die Zustände sind katastrophal. Es soll keine funktionierende Heizung geben, der Schimmel breitet sich aus und die Gemeinschaftsduschen sind im Keller zu finden. Umso schlimmer, wenn man bedenkt, dass von den 130 Menschen, die dort leben, 51 Kinder sind.”

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Der Bund für Geistesfreiheit hielt seine Kundgebung vor dem Eingang der Heilig-Kreuz-Kirche des Dominikanerinnenklosters ab.

Bund für Geistesfreiheit

Der Bund für Geistesfreiheit befasste sich mit dem Immobilienbesitz der Kirchen. Hier ist in der Regel weniger von Leerstand zu berichten, sondern das Übel des Kirchenbesitzes ist die immense Platzverschwendung. So leben beispielsweise nur noch elf Nonnen auf einem riesigen Areal mitten in der Altstadt, dem Dominikanerinnenkloster Am Judenstein 10. Wofür die Nonnen die Vielzahl mehrstöckiger Wohnblöcke brauchen, bleibt ein Rätsel. Aus der Rede:

“Die Kirchen sind mit die größten Grundbesitzer Deutschlands. Vor allem in den Bischofsstädten wie Regensburg gehört ihnen ein Großteil der Flächen und Immobilien, meist in besonders begehrten Gebieten. Durch ihre jahrhundertelange Präsenz war es den Kirchen ein leichtes, sich die Filetstücke der jeweiligen Kommune anzueignen.”

Zwar gab es am Kundgebungsort nur wenige Passant*innen, aber durch ausgiebiges Flyern die Tage zuvor war in der Nachbarschaft wohl bekannt, um was es ging. Als während der Kundgebung der Sketch “Konstantinische Schenkung” am Eingang der Heilig-Kreuz-Kirche aufgeführt wurde, schrie jemand, unsichtbar hinter einem Fenster verborgen: “Lasst die Nonnen in Ruh!”, “Halt deine Scheiß Klappe!”. Erst als dem Störer mit der Polizei gedroht wurde, falls er die Kundgebung weiterhin beeinträchtige, unterließ er sein Gezeter. Nachfolgend ein Auszug aus dem Sketch. Ein Mitschnitt der Aufführung während der Gesamtkundgebung kann hier nachgeguckt werden.

“KONSTANTIN: Wieviele Menschen wohnen denn hier?

NONNE: Nur noch elf. Elf ehrwürdige Nonnen bewohnen diese bescheidenen Gemäuer.

KONSTANTIN: Bescheiden? Bescheiden ist gut! Ein halbes Dutzend mehrstöckige Großbauten nebst riesigem Garten und eingebauter Hauskirche mitten in der Stadt für ganze elf Menschen! Das ist wahrhaft bescheiden!

NONNE: Wir sind der Armut verpflichtet, so steht es in unserem hauseigenen Infoblatt.

KONSTANTIN: Sogar ich im Grab habe von der Armut an Wohnraum zu Regensburg gehört. Und Sie leben mitten in der Armut in solchem Luxus?

NONNE: Aber wir brauchen doch jedes Zimmer. Wir brauchen ein Zimmer zum Nähen, eines zum Beten …”

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Der Stand von Recht auf Stadt war vor der Markthalle gegenüber der städtischen Verwaltung aufgestellt.

Recht auf Stadt

Die Initiative Recht auf Stadt nahm sich die Stadtverwaltung als Verursacherin von Leerstand und Wohnungsnot vor, insbesondere das Amt für Stadtentwicklung unter Anton Sedlmeier. Es wurde auf die völlig funktionslose Zweckentfremdungssatzung hingewiesen, sowie auf den Mietspiegel, der vor allem für die Profitinteressen von Vermieter*innen hin konstruiert ist.

In ihrer Rede kommt die Initiative zu dem Schluss, dass es kein Hoffen mehr geben darf, sondern die Dinge selbst von den Bewohner*innen in die Hand genommen werden müssen, falls sich irgendetwas in Regensburg zum Guten wenden sollte.

“Wir sehen es unter anderem als unsere Aufgabe an, die Fehler und das Fehlverhalten der Stadtverwaltung immer wieder aufs Neue aufzuzeigen, um auch irgendwann den letzten Bewohner*innen dieser Stadt zu zeigen: Verlasst euch nicht auf die Verwaltung eurer Stadt. Werdet selber zu Verwalter*innen. Werden wir aktiv, die wir in dieser Stadt leben. Vernetzt euch, organisiert euch. Kommt zu unseren Kundgebungen, besucht uns im Internet oder unsere Treffen. Nur gemeinsam können wir es schaffen unsere Stadt lebenswert zu machen!”

Die Kritik an der Stadtverwaltung wurde vor allem in einem satirischen Sketch ausgeführt. Hier ein Mitschnitt auf YouTube. Da Recht auf Stadt für gewöhnlich keine oder völlig nichtssagende Antworten von der Stadtverwaltung bekommt, wurde “Alfonsius Segeleimer” in das Fernsehstudio der Initiative mit einem Trick gelockt und dort mit einem Wahrheitspulver gesprächig gemacht.

“SEGLEIMER: Ich hab Wichtigeres zu tun, als nach leeren Häusern zu suchen. Wir müssen bauen, bauen bauen! Das ist die Wahrheit.

RaS: Bauen wie im Dörnbergviertel, wo nach einem Jahr immer noch unzählige Wohnungen leer stehen, weil sich niemand die Mieten leisten kann?

SEGLEIMER: So Gschwerl, das sich eine Wohnungen im Dörnberg nicht leisten kann, brauchen wir in Regensburg eh ned. Wir brauchen Leistungsträger! Anleger! Wohnen wird überbewertet.

RaS: Das ist jetzt nicht Ihr ernst?

SEGLEIMER: Bei uns in der Verwaltung gilt: Eine Stadt muss sich rentieren. Sie mit Ihren romantischen Vorstellungen von Wohnen und Leben und Töpferkurse machen und so Quatsch. Die Leute sollen außerhalb wohnen und nicht die schöne Innenstadt verschandeln! Die sollen in die teuren Restaurants und Cafés gehen. Deshalb genehmigen wir immer mehr neue Luxushotels, in der Maxstraße, in der Wahlenstraße, im Petersweg. Und deshalb machen wir auch nichts gegen Ferienwohnungen und werden auch nie etwas machen. Das ist die Wahrheit, so wahr ich hier stehe, Halleluja und Zefix noch amol!”

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Resistenza Antifascista Ratisbona protestierte vor dem Showroom “Das Dörnberg” gegen Leerstand aufgrund horrender Mieten.

Resistenza Antifascista Ratisbona

Resistenza Antifascista Ratisbona nahmen in ihrer Kundgebung wie beim ersten Leerstandsaktionstag wieder das Dörnberg-Viertel aufs Korn, als dem wohl bekanntesten und lehrreichsten Leerstandsgebiet Regensburgs. Diesmal platzierte die Gruppe ihren Pavillon, der satirisch für läppische 845 € kalt zu mieten war, unmittelbar vor dem Showroom “Das Dörnberg” in der Kupfmühler Straße.

Wie beim letzten Mal konnten auch dort viele interessante Gespräche mit Passant*innen geführt werden. Auch hier war feststellbar, dass der Wohnsituation in Regensburg allgemein und im Dörnbergviertel im Speziellen nur noch mit einem Kopfschütteln begegnet wird.

Der Platz vor dem “Showroom” war der ideale Platz für eine kämpferische Grundsatzrede (hier das Video der Rede von der abendlichen Gesamtkundgebung)

“Wir müssen uns bei jedem Kampf um die Verbesserung unserer Lebensumstände darüber im Klaren sein, was wir damit jeweils erreichen können und was nicht. Was positive Folgen daraus sein können, und womit wir uns vielleicht sogar ins eigene Bein schießen. Können Kampagnen wie „Deutsche Wohnen & Co. Enteignen“ eine langfristige realistische Antwort auf die Wohnraumproblematik liefern? Sehr wahrscheinlich nicht. Was sie aber durchaus geschafft hat, ist Hunderttausende von Menschen hinter der antikapitalistischen Forderung einer Enteignung zu versammeln.

Wichtiger als die Frage, ob die einzelne Aktion etwas bewirkt, ist aber die Frage, ob sie zu einer nachhaltigen Verschiebung des gesellschaftlichen Diskurses nach links und zu einem langfristig höheren gesellschaftlichen Organisationsgrad führt. Genau das wollen wir auch mit unserer Aktion „Leben statt Leerstand“ erreichen. Ob die korrupte Regensburger Stadtregierung auf uns eingeht, ist in diesem Sinne zweitrangig. Was zählt ist, dass wir im Stadtbild präsent bleiben und eine linke Alternative aufzeigen. Was zählt ist, was wir von unten selbst auf die Beine stellen, auch wenn es nur kleine Schritte sind. Vor allem aber geht es darum, uns zu organisieren, Politik im Sinne der Mehrheit zu machen, und so eine revolutionäre gesellschaftliche Kraft aufzubauen und diesen erbärmlichen Zuständen ein Ende zu setzen!”

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Die Sozialrevolutionäre Aktion nahm sich mit ihrer Installation auf dem Haidplatz die Stadtpolitik unter Führung der SPD vor.

Sozialrevolutionäre Aktion

Adressat der Kundgebung der Sozialrevolutionären Aktion war die Kommunalpolitik, insbesondere die SPD und die von ihr geführte Koalition. Deshalb fand die Kundgebung auf dem Haidplatz gegenüber dem SPD-Fraktionsbüro statt.

Die Sozialrevolutionäre Aktion zeigte diesmal eine großangelegte Performance. Während viele Menschen zusammengepfercht auf engstem Raum und zu horrender Miete leben müssen, dargestellt in Form eines kleinen WG-Zimmers, sitzt gleich daneben ein*e einzelne*r Eigentümer*in inmitten seines riesigen, von einer Security gesicherten Privatgrunds, herabblickend von einem obszön dekadenten Thron.

In weiteren Installationen wurde das Vorgehen der Stadt gegen Nichtreiche thematisiert: Betretungsverbote, Alkoholverbote, willkürliche Polizeikontrollen.

Was der Stadtrat in den letzten Jahren für bezahlbaren Wohnraum und gegen Obdachlosigkeit getan hat, wird ausführlich auf zwei leeren Blättern dargelegt.

“Während der Stunden unserer Aktion führten wir viele interessante Gespräche und wir trafen niemanden, für den die aktuelle Situation auf den Immobilienmarkt kein Dorn im Auge wäre. Wir alle müssen schließlich wohnen und so stießen wir auf viel Solidarität mit unserer Aktion.”

Abschlusskundgebung

Wie beim letzten Mal trafen sich abends alle Gruppen zu einer gemeinsamen Kundgebung. Diesmal wurde als Ort der Haidplatz gewählt. Alle Reden und Sketche wurden noch einmal präsentiert und kräftig beklatscht bzw. belacht.

Auch ein Passant ergriff das Wort, angeregt insbesondere von der Kundgebung des Aufbruchs und deren Thematik Obdachlosigkeit, da er selbst davon betroffen ist. Er trug ein Gedicht vor und schilderte Erfahrungen mit der Aussiger Straße, wo Menschen seiner Aussage nach buchstäblich verschimmeln.

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