Affäre Bauordnungsamt Regensburg:
Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Egon Reichsthaler

Das Spielchen, wer nun eigentlich zuständig ist für die Ahndung bzw. Nichtahndung illegaler Zweckentfremdungen in Regensburg, geht in die nächste Runde (hier und hier unsere Schreiben aus früheren Runden). Weiterhin behauptet die Stadtverwaltung, nunmehr in Persona des Leiters der Personalabteilung Herrn Egon Reichsthaler, alles sei rechtens, weil “übertragener Wirkungskreis”. Gleichzeitig schwört die Regierung Stein und Bein darauf, es sei der “eigene Wirkungskreis” der Kommune. Wenn Sie mit diesen Begrifflichkeiten nichts anfangen können, macht das nichts. Es geht den Verantwortlichen lediglich darum, in einer heiklen Angelegenheit mit offensichtlich willkürlichen Rechtsauslegungen keine Verantwortung übernehmen zu müssen. 

2022 04 21 FeWo Wimdu

Tagesangebot von Ferienwohnungen für Regensburg, ob legale oder illegale ist dem Bauordnungsamt offensichtlich wurscht. Screenshot der Plattform WIMDU.

Stadt Regensburg z.H.
– Oberbürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer
– Bürgermeisterin Dr. Freudenstein
– Bürgermeister Artinger
– Stadträt*innen
Rathausplatz 1
993047 Regensburg

 

Betreff: Dienst/Fachaufsichtsbeschwerde gegen den Leiter des Personalamts Herrn Egon Reichsthaler

An die Stadträt*innen, Oberbürgermeisterin und Bürgermeister*innen der Stadt Regensburg!

Wir wenden uns an Sie, die Stadträt*innen der Stadt Regensburg, da Sie laut Gemeindeordnung verpflichtet sind, die Verwaltung zu überwachen:

“Der Gemeinderat überwacht die gesamte Gemeindeverwaltung, insbesondere auch die Ausführung seiner Beschlüsse.” (GO Art. 30)

Wir wenden uns an Sie, Frau Oberbürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer, da Sie von den Bürger*innen dieser Stadt den Auftrag bekommen haben, der Verwaltung vorzustehen. Dies beinhaltet die Umsetzung von Stadtratsbeschlüssen und die Dienstaufsicht:

“Der erste Bürgermeister führt den Vorsitz im Gemeinderat und vollzieht seine Beschlüsse.” (GO Art. 36)

“Der erste Bürgermeister führt die Dienstaufsicht über die Beamten und Arbeitnehmer der Gemeinde.” (GO Art. 37)

Wir wenden uns an Sie, Frau Bürgermeisterin Freudenstein sowie Herr Bürgermeister Artinger, da die erste Bürgermeisterin möglicherweise persönlich beteiligt ist, was von Ihnen zu prüfen ist.

“Soweit er [der erste Bürgermeister, RaS] persönlich beteiligt ist, handelt sein Vertreter.” (GO Art. 36)

Sachverhalt: Anfrage wegen illegaler Zweckentfremdungen und DA gegen Frohschammer

Am 05.05.2021 stellte unsere Initiative Recht auf Stadt zu Recherchezwecken über die Internetplattform FragDenStaat eine Anfrage an das Bauordnungsamt Regensburg zum Thema “Nutzungsänderung von Ferienwohnungen/Monteurswohnungen”. Wir bezogen uns dabei auf die Regensburger Informationsfreiheitssatzung. Unter anderem wollten wir wissen, wie in Regensburg mit illegalen Zweckentfremdungen verfahren wird, ob in den letzten Jahren Bußgelder erhoben wurden und in welcher Höhe.

Wir stellten diese Anfrage, da es eindeutige Indizien dafür gibt, dass in Regensburg illegale Zweckentfremdungen keinerlei Rechtsfolgen zu befürchten haben. Wir halten einen derartigen rechtsfreien Zustand für Eigentümer*innen, während zeitgleich Zwangsräumungen rigoros durchgesetzt werden – auch von der städtischen Tochter Stadtbau –, für nicht hinnehmbar.

Der Leiter des Bauordnungsamtes Herr Frohschammer beantwortete unser Anfrage zunächst nicht. Erst auf Nachfrage behauptete er, die baurechtlichen Fragen würden „ausschließlich Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises betreffen“. Daraufhin reichten wir am 13.01.2022 Dienstaufsichtsbeschwerde gegen diesen bei der Oberbürgermeisterin, den Bürgermeister*innen sowie dem Stadtrat ein.

Von den Stadträt*innen wie von den Bürgermeister*innen Freudenstein und Artinger wurde unsere Dienstaufsichtsbeschwerde bislang nicht bearbeitet, geschweige denn wurden entsprechende Schritte eingeleitet, welche den offenbar verletzten Rechtsfrieden wiederherstellen könnten.

Lediglich von Frau Freihoffer wissen wir, dass sie in der Stadtratssitzung vom 27.01.2022 eine auf unserer Dienstaufsichtsbeschwerde fußende Anfrage an die Oberbürgermeisterin stellte.

Herr Artinger erklärte uns in einer Antwort auf unser Erinnerungsschreiben vom 15.03.2022, dass die Zuständigkeit für die Bearbeitung dieser Dienstaufsichtsbeschwerde bei der Oberbürgermeisterin liege. Und dies, obwohl wir auf die persönliche Beteiligung der Oberbürgermeisterin explizit verwiesen hatten.

Inzwischen erreichte uns jedoch eine Antwort des Personalamtsleiters Egon Reichsthaler. Leider sind dessen Ausführungen derart parteiisch und unseriös, dass wir uns gezwungen sehen, auch gegen Herrn Reichsthaler Beschwerde einzulegen.

Gründe für Dienst/Fachaufsichtsbeschwerde gegen Egon Reichsthaler

Informationsfreiheit

  1. Herr Reichtsthaler behauptet, wir hätten Beschwerde gegen Herrn Frohschammer eingelegt, da er unsere Anfrage

„…vom 05.05.2021 zum Thema „Nutzungsänderung von Ferienwohnungen / Monteurswohnungen“ mit dem Hinweis auf den nicht von dieser Satzung umfassten übertragenen Wirkungskreis nicht ausreichend beantwortet habe.“

Dies ist inkorrekt. Wir legten Beschwerde ein, weil Herr Frohschammer keine einzige unserer Fragen beantwortete, und nicht nur „nicht ausreichend“. Schon hier zeigt sich die tendenziöse Bearbeitung durch Herrn Reichsthaler.

  1. Wir beriefen uns bei der Bestimmung des eigenen oder übertragenen Wirkungskreises auf Artikel 83 der Bayerischen Verfassung, der ganz klar Wohnungsbau und Wohnungsaufsicht in den eigenen Wirkungskreis der Gemeinden legt. Herr Reichsthaler ignoriert die Verfassung und führt eine untergeordnete Verordnung an. Wir sind sicher, Herr Reichsthaler weiß, dass untergeordnete Verordnungen keine Rechtswirksamkeit haben, wenn sie höhergestellten Gesetzen widersprechen. Im Grunde müsste Herr Reichsthaler bzw. die Verwaltung per Normenkontrollklage den offensichtlich rechtsfeherlhaften Art. 54 Abs. 1 der BayBO überprüfen lassen.
  2. Herr Reichsthaler führt aus:

„Damit nimmt das Bauordnungsamt der Stadt Regensburg diese Aufgaben völlig unstreitig im übertragenen Wirkungskreis wahr.“

Unabhängig davon, dass, wie bereits ausgeführt, die Bayerische Verfassung als übergeordnete Instanz dieser Aussage widerspricht, sieht auch die Regierung der Oberpfalz das vollkommen anders. Wir reichten bei der Regierung der Oberpfalz am 15.10.2020 Anzeige gegen die Regensburger Zweckentfremdungssatzung ein, da diese illegale Zweckentfremdungen im Nachhinein legalisiert. Die Regierung wies unsere Anzeige zurück. Begründung:

„Der Erlass einer Satzung zur Regelung eines Verbots der Zweckentfremdung von Wohnraum fällt gemäß Art. 83 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Bayern in den eigenen Wirkungskreis der Gemeinden.
In Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises handeln die Gemeinden nach eigenem Ermessen (…). Dieses Selbstverwaltungsrecht gewährt der Gemeinde einen weiten Ermessensspielraum, der seine Grenzen lediglich im Willkürverbot findet, das verletzt wäre, wenn einer Entscheidung jeder einleuchtende Grund fehlen würde.
Die Rechtsaufsicht über die Gemeinden beschränkt sich in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises darauf, die Erfüllung der gesetzlich festgelegten und übernommenen Aufgaben und Verpflichtungen der Gemeinden und die Gesetzmäßigkeit ihrer Verwaltungstätigkeit zu überwachen (…). Nur sehr begrenzt kann die Rechtsaufsicht jedoch in die gemeindliche Ermessensausübung eingreifen.“

Es ist offensichtlich, dass die Rechtslage sowohl von der Regierung der Oberpfalz als auch von der Verwaltung und dem Beschwerdeprüfer Reichsthaler willkürlich ausgelegt wird. In Wahrheit umfasst die Zweckentfremdungssatzung in der Anwendung durch die Verwaltung beide Gebiete, denn mit der Zweckentfremdung (laut Regierung eigener Wirkungskreis) werden illegale Ferienwohnungen (laut Verwaltung übertragener Wirkungskreis) legalisiert.

Statt beide Gebiete und darauf fußend das Handeln von Herrn Frohschammer auf Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, klauben sich Regierung und Verwaltung jeweils den Aspekt heraus, der sie angeblich nicht betrifft, um nicht tätig zu werden. Ein peinliches Schauspiel.

Und nicht nur das. Wie wir in der Beschwerde bereits anmerkten, sehen wir in diesem Vorgehen eine Form von “Strafvereitelung im Amt” (§ 258a StGB).

  1. Schließlich müssen wir auch darauf hinweisen, weil sich das bei der Regensburger Verwaltung offensichtlich noch nicht herumgesprochen hat, dass sich ein Anspruch auf Information auch auf der Grundlage des Bayerisches Datenschutzgesetzes (BayDSG) ergibt. Im Rahmen unserer erfolgreichen Klage auf Herausgabe des Gutachtens über das kommunale Seniorenheim St. Michael führte das Verwaltungsgerichtshof in München in seinem Bescheid vom vom 04.08.2020 aus:

„Denn das Verwaltungsgericht hat den Auskunftsanspruch des Klägers aus Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG nicht geprüft. Nach dieser Vorschrift hat jeder das Recht auf Auskunft über den Inhalt von Dateien und Akten öffentlicher Stellen, soweit ein berechtigtes, nicht auf eine entgeltliche Weiterverwendung gerichtetes Interesse glaubhaft dargelegt wird.“

Neben der Bayerischen Verfassung ignoriert Herr Reichsthaler auch das Bayerische Datenschutzgesetz.

Wir können uns nur wundern: Was ist an unseren Fragen so schlimm, dass Beamte reihenweise Bürger*innenrechte missachten, um diese nicht beantworten zu müssen?

Verneinung der Illegalität

  1. Herr Reichsthaler versucht anhand des Protokolls der Ausschusssitzung vom 18.05.2021 zu belegen, Herr Frohschammer habe nicht gesagt, ungenehmigte Nutzungsänderungen seien nicht illegal. Die zitierten Abschnitte beweisen jedoch das Gegenteil:

„Eine Baugenehmigung sei zwar nicht erteilt worden. Materiell rechtlich wäre eine Ferienwohnung aber genehmigungsfähig gewesen.“

„Herr Frohschammer fügt an, auch wenn ein formaler Verstoß vorgelegen habe, habe ein Recht auf eine Baugenehmigung bestanden.“

Zwar gibt Herr Frohschammer zu, es hätten keine Baugenehmigungen vorgelegen, womit deren Illegalität bewiesen ist, schränkt jedoch sofort ein, es gäbe einen angeblichen Anspruch auf Genehmigung.

Auf eine kurze Formel gebracht: Formal illegal, materiell-rechtlich legal. Aus Herrn Frohschammers Aussagen geht also eindeutig hervor, seiner Meinung nach heile die angeblich materiell-rechtliche Seite den formalen Verstoß. Ergo: Unterm Strich seien ungenehmigte Nutzungsänderungen nach Frohschammer nicht illegal, also legal.

  1. Genauso hat es die Sitzungsleiterin Frau Oberbürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer verstanden. Sie fasst Herrn Frohschammers Aussagen laut Audiomitschnitt der Sitzung folgendermaßen zusammen:

“Inwiefern das illegal ist, also sozusagen dann auch geahndet oder bestraft werden könnte, jetzt mal abgesehen von der Zweckentfremdungssatzung, kann ich überhaupt nicht beurteilen, aber ich gehe einmal davon aus nicht, wenn man materiell-rechtlich das Recht darauf hat, dann ist es ein Verwaltungsakt. So.”

Kurz: Nicht illegal, sondern eine Verwaltungsakt, also reguläres Verwaltungshandeln. Der unmittelbar neben ihr sitzende Herr Frohschammer widersprach dieser Zusammenfassung nicht.

Im Protokoll der Sitzung erscheint diese Passage übrigens so:

„Frau Oberbürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer schlussfolgert, aufgrund der materiell baurechtlichen Genehmigungsfähigkeit sei eine Ahndung ausgeschlossen.“

Auch dem Protokoll wurde von Herrn Frohschammer nicht widersprochen.

Es sei angemerkt, dass die Bayerische Bauordnung (BayBO) in Artikel 79 ein Ordnungsgeld von bis zu 500 000 Euro vorschreibt, wenn jemand eine Nutzungsänderung „nicht oder nicht rechtzeitig anzeigt.“ Eine Ahndung ist also mitnichten ausgeschlossen, wie die Oberbürgermeisterin schlussfolgert, sondern im Gegenteil vorgeschrieben!

Herr Reichsthaler unterschlägt die Aussage von Frau Maltz-Schwarzfischer und ignoriert zudem die von Recht auf Stadt in der Dienstaufsichtsbeschwerde angeführte Rechtslage. Er deckt damit die der BayBo widersprechenden und damit unseres Erachtens offen rechtswidrigen Aussagen von Herrn Frohschammer sowie von Frau Maltz-Schwarzfischer.

  1. In diesem Zusammenhang sei noch angemerkt, woher Herr Frohschammer überhaupt erschließen kann, dass nicht angemeldete Ferienwohnungen „genehmigungsfähig“ seien und für sie „ein Recht auf eine Baugenehmigung“ bestehe, also materiell-rechtlich legal seien? Da sie nicht gemeldet und somit dem Bauordnungsamt offiziell nicht bekannt sind, konnte es ergo auch keine Prüfung geben, beispielsweise bezüglich Brandschutz und Fluchtwege. Auch bestimmt nicht nur das Bauordnungsamt über die „Genehmigungsfähigkeit“. Bei ordentlicher Anmeldung einer Nutzungsänderung müssen auch die Nachbarn gefragt werden. Diese haben ein Klagerecht gegen die Nutzungsänderung.

    All diese verbindlichen, rechtlichen Anforderungen unterschlägt Herr Frohschammer völlig mit seiner Behauptung, materiell-rechtlich sei alles legal. Herr Reichsthaler stellt sich vollumfänglich hinter die in Regensburg offensichtlich vom Bauamt praktizierte, offene Aushebelung des Baurechts.

  2. Die von Herrn Reichtshaler aufgeführten Protokollausschnitte bestätigt im Übrigen auch den Missbrauch der Zweckentfremdungssatzung für die nachträgliche Legalisierung illegaler, baurechtswidriger Ferienwohnungen.

„Vorliegend ergehe eine nachträgliche Genehmigung bisher formell baurechtswidriger Wohnungen.“

Dass dies ein Leiter eines Bauamts offen sagen kann, ohne dass ein*e Stadträt*in oder die verantwortlichen Bürgermeister*innen einschreiten, halten wir gelinde gesagt für einen Skandal.

Konsequenzen

Von der Affäre ist inzwischen nicht nur das Bauamt betroffen, sondern der gesamte Stadtrat und die Verwaltungsspitze, da diese trotz aller vorliegenden Belege der Rechtswidrigkeit durch Recht auf Stadt bislang nicht tätig geworden sind. Wir fordern Sie auf, endlich die Reißleine zu ziehen und der illegalen Praxis ein Ende zu setzen. Das Versagen und die Mitschuld der Verantwortlichen kann nicht länger hingenommen werden.

Mit freundlichen Grüßen
(Unterschrift) / Recht auf Stadt

Anlage:

 

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