Bericht über Veranstaltung:
Full House bei Mietshäuser-Kultur

Recht auf Stadt lud am 13.11.2023 zu einer Infoveranstaltung über das Mietshäuser-Syndikat, um dieses und entsprechende Hausvereine nach Kräften zu fördern. Viele kamen.

Vollbesetzter Zuschauerraum des M 26

Full House bei der Veranstaltung von Recht auf Stadt

Recht auf Stadt: Häuser retten!

Eingeführt wurde in den Infoabend mit einem kurzen Überblick über Ursprung und Geschichte der Bewegung „Recht auf Stadt“. Gegründet auf das 1968 veröffentlichte Buch „Das Recht auf Stadt“ von Henri Lefebvre bildeten sich in der Folge in Städten weltweit gleichnamige Gruppen. Alle vereint das Ziel: Städte sollen zum Leben für alle da sein und nicht zur Profitmacherei für wenige.

Die Initiative in Regensburg startete Februar 2015. Ein erstes Thema war der Miet-erhöhungs-spiegel von 2014, der für bis dahin günstige Wohnungen Steigerungen bis über 40 % erlaubte. Gegen das Veto aller Mietervereinigungen wurde dieser Wuchermietspiegel vom Regensburger Stadtrat verabschiedet.

Ein bis heute wichtiges Anliegen von Recht auf Stadt Regensburg ist die Altenpflege. Per Petition wurde der Erhalt des kommunalen Altenheims St. Michael, kurz Michlstift, gefordert, das der inzwischen wegen Korruption suspendierte Oberbürgermeister Wolbergs entgegen aller Wahlversprechen zusammen mit der damaligen „Sozial“-bürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer schließen ließ. Inzwischen sind pflegebedürftige Menschen in Regensburg buchstäblich obdachlos, da es zu wenige Plätze gibt.

Als Hinleitung zum eigentlichen Thema wurde schließlich der Leerstandsmelder von Recht auf Stadt vorgestellt und verschiedene Versuche, Leerstände wieder einer Nutzung zuzuführen. Beispielsweise wurde 2017 das Mehrfamilienhaus Grunewaldstr. 9 versucht zu retten – unwissende Menschen würden sagen „besetzen“. Leider machte die Polizei dem „Hausfriedensbruch“ baldigst ein Ende.

Mietshäusersyndikats-Kultur: Du, Ich, Wir

Als nächstes wurden philosophische Grundlagen dargelegt. „Kultur“ kommt von lateinisch „cultura“, das heißt „Bearbeiten“. „Wohnkultur“ ist dementsprechend eine aktive Auseinandersetzung des Menschen mit Raum und dessen Einrichtung. Wohnen ist zudem ein Grundbedürfnis des Menschen, Wohnen ist ein Menschenrecht.

Das aktuelle Wohnen hat wenig mit Wohnkultur zu tun. Mitgestalten oder Mitbestimmen ist in den allermeisten Wohnverhältnissen nahezu unmöglich. Die Menschen sind Gentrifizierung, Luxussanierung und Mietsteigerung ausgesetzt.

Speziell am Wohnen zeigt sich über alle Epochen hinweg immer eine soziale Ungleichheit, insbesondere in den Besitzverhältnissen. Daher brauchen wir eine neue Wohnkultur, die sich alle leisten und mitgestalten können. Die Lösung dafür ist das Konzept des Mietshäuser-Syndikats (MHS). Es eignet sich für Leute, die solidarisch leben wollen, selbstbestimmt, und dass das Haus, dem sie eine „Seele“ gegeben haben, unverkäuflich ist.

Zum Abschluss wurde an die Anwesenden appelliert, über „du“ und „ich“ zum „wir“ zu kommen. Heute seien viele interessante Menschen da die sicher interessante Ideen in Projekte einbringen können. Wer sich durch den heutigen Abend inspiriert fühle, soll den Elan nutzen und weitermachen, beispielsweise über die verschiedenen Plattformen, die Recht auf Stadt zur Vernetzung vorschlage. Keine Angst vor dem große Berg „Wohnen“. In kleinen Schritten könne sich etwas verändern, dann verändere sich auch etwas im Großen.

Die Danz

„Die Danz“ ist leider immer noch das einzige Mietshäuserprojekt in Regensburg. 10 Mensch leben hier seit 2012 selbstbestimmt und ohne Angst vor Gentrifizierung oder Mietsteigerungen.

Eine Bewohnerin der Danz führte zunächst ganz praktisch in das MHS-Konzept ein. Sie erklärte anschaulich, wie ein Projekt üblicherweise abläuft. Zuerst müssen sich natürlich Menschen finden, die beispielsweise gemeinsam wohnen möchten, gemeinsam ein Kulturzentrum oder eine Ackerbaukooperative betreiben möchten. Alles ist mit dem MHS-Konzept möglich.

Diese Menschen gründen einen Hausverein und begeben sich auf die Suche nach einem geeigneten Objekt. Falls eines gefunden ist – auch Neubau ist möglich – wird zusammen mit dem Mietshäuser Syndikat eine Haus GmbH gegründet, die das Objekt erwirbt.

Diese etwas kompliziert erscheinende Konstruktion hat den tieferen Sinn, dass nie wieder ein Mietshäuser-Haus weiter verkauft werden kann, da das Syndikat als Miteigentümer dagegen ein Veto einlegt. Spekulation und Profitmacherei wird dadurch definitiv ein Riegel vorgeschoben. Über alles andere aber, von Sanierungsarbeiten über neue Hausbewohner*innen oder größere Umbauten, entscheidet der Hausverein vollkommen autark und unabhängig vom Miteigentümer Syndikat.

Natürlich ist die Finanzierung eine schwierige Sache, jedoch ist kein eigenes Ausgangskapital notwendig. Es werden zum einen Direktkredite von Freunden und Bekannten gesammelt, zum anderen bekommen Mietshäuser-Projekte wegen ihrer großen Sicherheit relativ leicht Bankkredite. Der Clou dabei ist: Diese Kredite werden durch die normale Miete getilgt. Die Miete, das ist auch gut zu wissen, liegt bei fast allen der zur Zeit rund 160 MHS-Projekte deutschlandweit in der Regel zwischen 4 und maximal 10 €/qm. In der Danz liegt sie bei 6,62 €/qm.

Hervorzuheben ist das solidarische Grundkonzept. Kein Projekt steht alleine da. Es gibt umfassende, ehrenamtliche Hilfe von Vertreter*innen des Mietshäuser Syndikats. Diese checken vor allem, ob ein geplantes Projekt für den Hausverein auch finanzierbar ist. Auf deren Expertise und jahrzehntelange Erfahrung können sich die Hausvereine stützen.

Ein anderer Bewohner berichtete anschließend über die bewegte Geschichte der Danz, die als Wohnprojekt bereits seit 1973 existiert. Es war immer eine Anlaufstelle für Hippies, Punks und die subkulturelle Szene. Eine wichtige Rolle spielte es beim WAA-Widerstand als allgemeiner Treffpunkt und Übernachtungsmöglichkeit.

2010 sollte das Haus verkauft wird. Besonders bemerkenswert und vorbildhaft ist nun, dass das Haus von den ehemaligen Bewohner*innen selbst gekauft wurde, um der drohenden Verdrängung durch Investoren zu entgehen.

In der ansonsten sehr konservativen Konradssiedlung – einer ehemaligen Plansiedlung der Nationalsozialisten – ist die Danz seitdem ein kleines, gallisches Dorf, das durchaus positiv im Sinne einer aufgeklärten Stadtgesellschaft auf die Umgebung ausstrahlt.

Brökkoli

Mit dem Verein Brökkoli stellte sich schließlich ein aktiver Hausverein vor, der seit 2022 ein geeignetes Objekt in Regensburg sucht.

„Brökkoli“ steht für „Basisdemokratischer Regensburger Ökologischer Kultureller Klimagerechter Offener Linker Immobilienverein“. Die aktuell sieben Mitglieder lernten sich in der Klimagerechtigkeitsbewegung kennen. Sie eint, dass sie keinen Bock haben, in einem Einfamilienhaus mit einer Doppelgarage und SUVs darin zu wohnen, sondern lieber basisdemokratisch auf einer respektvollen Ebene zusammenleben möchten. So wollen die Brökkolis der Vereinsamung entgegenwirken und gleichzeitig durch gemeinschaftliches nutzen von Ressourcen mehr Kapazitäten haben für politisches und gesellschaftliches Engagement.

Brökkoli möchte aber nicht nur gemeinsam leben, sondern auch einen Ort der Begegnung für alle Menschen schaffen, für Kultur, Bildung, Politik, und zwar gratis. Denn es gibt in Regensburg kaum Orte, an denen Menschen unentgeltlich Kultur erleben oder politische Gruppen sich treffen können.

Die aktive Gruppe berichtet sehr interessante Details aus ihrer Praxis. Insgesamt hatten sie schon 40 gemeinsame Plena und mehrere Hausbesichtigungen. Sie orientieren sich dabei zum einen am Leerstandsmelder von Recht auf Stadt. Allerdings ist es teilweise schwierig bis unmöglich, die Eigentümer*innen herauszufinden. Sie versuchen beispielsweise auch mit Zetteln an der Haustür oder im Briefkasten Kontakt aufzunehmen in der Hoffnung, dass die Eigentümer*innen vielleicht doch ab und zu vorbeischauen und Interesse an einem Verkauf haben.

Vielversprechender ist die Suche über die üblichen Internetportale. Hier konnten schon mehrere Häuser besichtigt werden. Zum Teil sind Makler*innen sehr offen, zum Teil wird aber immer noch die Nase gerümpft, wenn „Hippies“ im teuren Westenviertel eine Villa besichtigen.

Wie kann Brökkoli geholfen werden? Hier wünscht sich die Gruppe zum einen Infos über eventuelle Objekte. Auch sind Direktkredite bzw. Absichtserklärungen für Direktkredite sehr willkommen. Natürlich gehen auch Spenden oder Geschenke. Gerne kann auch anderen Menschen von Brökkoli erzählt werden, weil vielleicht haben ja die Bekannte, die Bekannte mit einem zum Verkauf stehendem Haus haben. Und wenn es endlich soweit ist, dürfen gerne Menschen bei einer wahrscheinlich künftigen Sanierung oder Umbau mithelfen.

MHS-Tischrunden

Nach diesem sehr interessanten ersten Teil ging es nach einer kleinen Pause in Tischrunden über. Hier sollen sich Menschen treffen und kennenlernen, die ähnliche Interessen haben. Es gab einen Tisch für Wohnen, einen für Gewerbe und einen für ein Soziales Kulturzentrum (SoKul).

Wenig überraschend hatten die meisten Menschen Interesse an einem gemeinsamen Wohnprojekt. Es entspann sich schnell eine lebendige Diskussion über die Vorteile des gemeinsamen Wohnens, aber auch mögliche Probleme und wie sie umgangen werden können. Auch hier konnten Menschen von der Danz und vom Hausverein Brökkoli ihre Erfahrungen einbringen und schildern, welche Lösungen sie gefunden haben, welche kreativen Lösungen auch möglich wären, beispielsweise bei einem kleinen Haus mit großem Grundstück Bauwägen oder Tiny Houses in den Garten stellen, oder die vielfältigen Optionen von Funktions-WG bis Mehfamilienhaus-Neubau.

Der Tisch „Gewerbe“ war eine eher kleine Runde. Es wurde angeregt, dass es sinnvoll sein könnte, ein MHS-Projekt gezielt mit Kollektiven zu realisieren. Zwei Dinge konnten sich die Teilnehmenden vorstellen, die in diesem Bereich angegangen werden könnten:

  • Einmal allgemein Kollektive in Regensburg zu vernetzen, um die Idee für ein MHS interessant machen sowie Know-How zu vermitteln.

  • Zweitens konnten sich viele als konkrete Idee für ein MHS-Projekt ein Café vorstellen, das von einem Kollektiv betrieben wird. Das könnte natürlich auch in einem Wohnprojekt integriert sein.

Alle Gewerbe-Interessierte waren sich einig, gerne an diesen Ideen weiterarbeiten zu wollen.

Das Interesse an einem Sozialen Kulturprojekt (SoKul) war erfreulich hoch. Hier äußerten mehrere Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen ihre konkreten Wünsche. Diese reichten von der Bildenden Kunst über eine Kleinkunstbühne oder Theater bis hin zu einer größeren Regionalbühne für Bands. Vermutlich lassen sich diese nicht in einem einzigen selbstverwalteten Zentrum verwirklichen. Aber die Interessent*innen verabredeten sich bereits zu einer Signal-Gruppe und wollen dort regelmäßig Infos über mögliche Objekte austauschen. Ein Anfang ist gemacht!


Videomitschnitt der Veranstaltung

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