Mietspiegel:
Mietspiegel der Schande

Logo Recht auf Stadt RegensburgOffener Brief an den Regensburger Stadtrat

Vor einem Jahr, Februar 2014, trat der aktuelle Mietspiegel für Regensburg in Kraft. Obwohl alle Mieterorganisationen dagegen votierten, der Mieterbund sogar unter Protest die Erarbeitungsgruppe verließ, wurde der neue Mietspiegel beinahe einstimmig von den Regensburger Stadträtinnen und -räten verabschiedet. Nur verschwindend wenige stimmten dagegen. Mein Dank an diese! Den anderen, damaligen Stadträten sei gesagt: Schämt euch! Der aktuelle Mietspiegel ermöglicht Mietsteigerungen, die nach oben so gut wie keine Grenzen kennen. Darf‘s 50 Prozent mehr sein, 100 Prozent? Kein Problem!

Wohl hunderte, wenn nicht sogar tausende Regensburger Haushalte bekamen pünktlich vor einem Jahr Post von ihren Vermietern: 15 Prozent Mieterhöhung! Das maximal Mögliche bis zur Kappungsgrenze. Auch ich bekam Post. Konnte ich nach altem Mietspiegel für meine Schlichtwohnung (keine Heizung, kein warmes Wasser, keine Bodenbeläge, Deckenhöhe 2,20 Meter, Mansarde) das Mieterhöhungsbegehren meiner Vermieter Frau und Herr Sch. noch kaltlächelnd abwehren, so fand ich mich mit dem neuen „Spiegel“ schutzlos. In meinem Fall wären mindestens 45 Prozent Mieterhöhung möglich gegenüber dem vorherigen Mietspiegel, diverse Aufschläge für „Modernisierungen“ noch gar nicht eingerechnet, wie mein Vermieter süffisant anführte.

Nach altem Mietspiegel war es mir beispielsweise möglich für die nicht vorhandene Heizung 15 Prozent abzuziehen, jetzt fehlt dieser Punkt völlig! Einfach weg! Futschikato! In der Beschlussvorlage zum Mietspiegel 2014 lese ich: „Da es für das Merkmal ‚keine vom Vermieter zur Verfügung gestellte Heizung‘ lediglich einen Fall in der Stichprobe gibt, wurde es auf Empfehlung der Gutachtergemeinschaft aus der Tabelle 6 im Mietspiegel entfernt.“

Ach, ist ja nur ein Fall. Mit mir sind‘s aber schon zwei. Und wenn ich noch alle anderen einstigen Eisenbahnerwohnungen wie die meinige hinzunehme – alles ehemalige, bundeseigene Sozialwohnungen, 2001 an den Profitmaximierer Annington verscherbelt – sind es wohl ein Vielfaches mehr.

Aber egal, es sind ja nur die Behausungen der weniger gut Betuchten. Denn, meine werten Vertreterinnen und Vertreter im Stadtrat, wer, glauben Sie, lebt in Wohnungen ohne Heizung? Die Töchter und Söhne der Schönen und Reichen oder die Ärmsten der Armen? Genau, und bei den Ärmsten der Armen ist es ja eh schon wurscht, da muss man keine falschen Rücksichten nehmen.

Dieser Mietspiegel ist ein Arschtritt. Er sagt uns Armen: Schleicht‘s eich!

Ich habe versucht, gerichtlich gegen das Mieterhöhungsschlaraffenland, mit denen der neue Mietspiegel so großzügig meine Vermieter beschenkt, vorzugehen. (Nebenbei: Schon das Wort „Mietspiegel“ ist ein Hohn, denn es werden nur Mieten erfasst, die sich die letzten vier Jahre veränderten, also erhöhten. „Mietsteigerungsspiegel“ ist daher der korrekte Name.)

Ich habe also das Gericht bemüht. Richter Lohmann war es sichtlich zuwider, sich meine Gründe auch nur anzuhören. Brüsk wimmelte er ab: „Ich habe Ihre Begründung gelesen!“

Schade, ich hätte gerne folgenden Punkt meiner Klageabweisung mit einem Kenner des Rechts diskutiert:

„Der neue Mietspiegel macht Mietsteigerungen möglich, die nach § 138 BGB in den Bereich der Sittenwidrigkeit bzw. des Wuchers vorstoßen.

Der neue Mietspiegel besitzt zudem kaum gesellschaftliche Legitimation. Während der alte Mietspiegel von allen ortsansässigen Mietervereinigungen getragen wurde, wird der neue Mietspiegel von diesen unisono abgelehnt.

Auch die politische Legitimation ist fragwürdig. Zwar fand der neue Mietspiegel im Stadtrat die Zustimmung einer Mehrheit, unter anderem auch die des nun amtierenden Oberbürgermeisters Wolbergs. Jedoch versprach dieser im Wahlkampf: „Worauf es mir ankommt, ist: Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum!“ (MZ 25.01.14). Bezahlbare Wohnungen versprechen und gleichzeitig einen Mietspiegel zu verabschieden, der exorbitante Mietsteigerungen erlaubt, ist ein Widerspruch. Insofern muss hier von Wahlbetrug gesprochen werden. Ein Mietspiegel, dem der Ruch des Wahlbetrugs anhaftet, kann in einem demokratischen Gemeinwesen nicht als objektive Bewertungsgrundlage dienen.“

Warum schreibe ich diese Zeilen? Glaube ich ernsthaft, etwas ändern zu können? Glaube ich wirklich, die Stadträtinnen und -räte dieser Stadt würden sich besinnen und den Mietspiegel der Schande gemeinschaftlich und beherzt in die Tonne treten? Nein, das glaube ich nicht, denn dazu braucht es einen Arsch in der Hose, und, mit Verlaub, von Wahlbetrügern ist so einer nicht zu erwarten.

Ich möchte nur, dass Sie wissen: Ich kann Sie nicht länger als meine Vertreter/innen in diesem Gemeingefüge betrachten, denn ich will kein asoziales Regensburg.

Kurt Raster, Regensburg, 12.02.2015

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