Verdrängung in Regensburg:
Trotz Corona: Räumung aus Profitgier

Über diesen Fall hatten wir schon im August berichtet: Obwohl eindeutig von Seiten der Vermieter Prozessbetrug durch Urkundenfälschung vorlag, entschied die Richterin des Amtsgerichts Regensburg auf Räumung. Inzwischen ist der Fall noch bizarrer geworden. Eine Berufung wurde unter höchst anrüchigen Umständen abgelehnt. Wichtige Mieterschreiben ruhten ungelesen in der Postmappe. Die Akte selbst lag bei Beschlussfassung womöglich bei der Staatsanwaltschaft, die Richter*innen wollten aber von Ermittlungen gegen eine Kollegin nichts gewusst haben. Der Staatsanwalt stellte die Ermittlungen wegen Urkundenfälschung ein, ohne das gefälschte Dokument überhaupt zu erwähnen. Und vor wenigen Tagen erhielt der Mieter Post vom Gerichtsvollzieher. Dieser werde den Mieter am 19. Januar zwangsräumen, also vermutlich noch in Lockdownzeiten oder unmittelbar danach. Ist die Regensburger Justiz vollkommen von allen guten Geistern verlassen?

Mieter1

Aus der Wohnung vorne unterm Dach soll der Mieter nach 34 Jahren zwangsgeräumt werden, kurz nach oder bei Verlängerung während des aktuellen Covid-Lockdowns.

Berufung wird ohne Verhandlung zurückgewiesen

Sehr praktisch für Richtende: § 522 Abs. 2 ZPO

Eine Anekdote voraus: Der Mieter hatte sich in einem offenen Brief an den Direktor des Amtsgerichts Dr. Harald Müller gewandt und darin die zum Teil unsäglichen Zustände für Mieter*innen an den Regensburger Gerichten angeprangert. Dr. Müller wies natürlich jeden Makel an seiner Justiz von sich und meinte, dass alles “guter rechtsstaatlicher Tradition” folge. Zivilverfahren seien mit Rechtsmitteln überprüfbar und entsprechend habe der Mieter Berufung eingelegt. Das Landgericht werde entscheiden.

Und das entschied: Nix wird überprüft. Das Verfahren des Mieters soll ohne Verhandlung eingestellt werden. Selbstredend bekomme er auch keine Prozesskostenhilfe (PKH). Möglich macht dies § 522 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO). Wenn “die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat” und “eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist” können die Richter*innen per Beschluss die Berufung zurückweisen.

Was mit “offensichtlich” gemeint ist oder warum eine mündliche Verhandlung “nicht geboten” sei, bestimmen die Richter*innen in eigener Selbstherrlichkeit.

Zum Unglück kam Pech hinzu

Immerhin wurde dem Mieter eingeräumt, zur beabsichtigten Zurückweisung innerhalb von zwei (!) Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Unglücklicherweise verließ der bisherige Rechtsanwalt völlig überraschend zu just dieser Zeit die Kanzlei. Der Kanzleichef versprach zwar, den Fall zu übernehmen, konnte aber die vom Mieter angefertigte Stellungnahme nicht auf die Schnelle überarbeiten und beantragte bei Gericht Fristverlängerung. Zwischenzeitlich solle der Mieter Beschwerde gegen die abgelehnte Prozesskostenhilfe einreichen.

Der Mieter verfasste nicht nur eine umfangreiche Beschwerdeschrift, sondern stellte auch Befangenheitsantrag gegen die Berufungsrichter*innen, die ihm ganz offensichtlich kein rechtliches Gehör schenken wollten. Beide Schreiben warf er gerade noch rechtzeitig in den Fristbriefkasten des Landgerichts.

Ist an Regensburger Gerichten eh alles Wurscht?

Zu seinem Erstaunen erhielt der Mieter bald darauf den endgültigen Beschluss vom Landgericht mit der heimatzerstörenden Mitteilung:

“Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Regensburg vom 13.02.2020, Aktenzeichen 8 C 414/19, wird zurückgewiesen.”

Erstaunlich insofern, da offensichtlich der Beschluss gefasst wurde, ohne dass über die PKH-Beschwerde noch über den Befangenheitsantrag entschieden worden wäre. Auf telefonische Nachfrage bei Gericht bekam der Mieter von einer Sachbearbeiterin die Antwort, sie könne ihm keine Auskunft geben, denn die Akte liege bei der Staatsanwaltschaft.

Erst Wochen nach dem Beschluss erreichten den Mieter die dienstlichen Stellungnahmen der Richter*innen zu seinem Befangenheitsantrag. Darin behauptete einer der abgelehnte Richter*innen, der Vizepräsident des Landgerichts Dr. Johann Pfeffer:

“Zum Zeitpunkt des am 19.10.2020 erlassenen Beschlusses hatte ich keinerlei Kenntnis von einem Ablehnungsbesuch (sic!) des Beklagten. Die vom 23.09.2020 datierenden Schreiben, in denen der Beklagte Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe einlegt, verbunden mit der Mitteilung, dass er “…zeitgleich einen Antrag auf Befangenheit gegen die beteiligten Richter*innen ….. einreiche“ sowie den entsprechenden Befangenheitsantrag stellt, sind mir erst am 28.10.2020 vorgelegt worden. Nach Angabe der Geschäftsstelle waren sie zunächst in der allgemeinen Postmappe verwahrt worden (aus welchen Gründen entzieht sich meiner Kenntnis).”

Warum lagen die Schreiben in der Postmappe, statt der Akte beigefügt zu werden? Womöglich, weil die Akte zu der Zeit bei der Staatsanwaltschaft lag? Daraus würden sich zwei mögliche Folgerungen ergeben.

Die Akte war zwar nicht da, doch das Berufungsgericht hat trotzdem, ohne weiter nachzufragen, den heimatzerstörenden Beschluss gefasst. Daraus kann mensch wiederum auf die Verhältnisse in der Regensburger Justiz schließen: Warum in eine Akte gucken, wenn das Urteil eh schon feststeht. Ein unglaublicher Vorgang, aber die andere Folgerung ist fast noch unglaublicher. Nochmal aus der Stellungnahme von Dr. Pfeffer:

“Mir war zum Zeitpunkt des Erlasses der unter meiner Mitwirkung im gegenständlichen Verfahren ergangenen Entscheidungen weder die in dem Gesuch erwähnte Strafanzeige gegen eine Richterin noch ein etwaiges Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft bekannt”

Glauben Sie, dass das stimmt? Kann es sein, dass ein Berufungsgericht nicht wenigstens nachfragt, wo eine Akte verblieben ist? Dem Mieter wurde ohne weiteres die Auskunft erteilt, sie liege bei der Staatsanwaltschaft. Ein Richter aber soll nicht einmal darüber informiert worden sein, dass in seinem Fall gerade die Staatsanwaltschaft ermittelt, unter anderem gegen die Richterin aus dem Vorverfahren? Urteilen Sie selbst.

Zugegeben: Die Folgerungen sind nur auf Indizien basierende Spekulationen. Vielleicht hat sich auch alles ganz anders zugetragen. Doch Fakt ist: Beschwerde und Befangenheitsantrag des Mieters wurden bei Beschlussfassung nicht berücksichtigt.

Übrigens, das Gesuch des Rechtsanwalts um Fristverlängerung hat die Richter*innen, inklusive Herrn Dr. Pfeffer, offensichtlich erreicht. Es wurde im Beschluss zurückgewiesen.

Anzeige wegen Urkundenfälschung wird ohne Ermittlung eingestellt

Wie heißt es so unschön: Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Zwei Wochen nach der Zustellung des Beschlusses über die Zurückweisung der Berufung kam von der Staatsanwaltschaft die Nachricht, die Ermittlungen wegen Prozessbetrug durch Urkundenfälschung seien eingestellt worden. Der Staatsanwalt schreibt rotzfrech:

“Ein Tatnachweis kann nicht geführt werden. (…)
Konkrete Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten der Beschuldigten, insbesondere im Sinne eines bewussten Falschvortrags vor Gericht ergeben sich hierbei nicht mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen Sicherheit.”

Häh? Ein Tatnachweis kann nicht geführt werden, es gebe keine konkreten Anhaltspunkte? Was kann konkreter sein als ein Dokument, das als Beweismittel von den Angezeigten selbst bei Gericht eingebracht wurde, einmal mit falschem Datum, und einmal, nachdem der Betrug vom Mieter aufgedeckt wurde, mit richtigem? Auch das Motiv ist sonnenklar: Durch das gefälschte Datum wollten die Vermieter offenbar nachträglich Modernisierungskosten erheben, die durch einen vorausgegangenen, gerichtlichen Vergleich Mai 2018 abgegolten waren.

Aber urteilen Sie auch diesmal selbst. Unten die beiden anonymisierten Dokumente, “Anlage K3” mit gefälschtem Datum und das Original “Anlage K10”. Vermutlich allen Sterblichen, außer einem gewissen Staatsanwalt, dürfte die Fälschung als “bewusster Falschvortrag vor Gericht” erscheinen.

K3 und K10

Links das von den Vermietern bei Gericht eingereichte Dokument mit gefälschtem Datum, um damit nachträglich Modernisierungskosten zu ergaunern

Der Verein Haus & Grund Regensburg wurde vom Mieter zwischenzeitlich über die Manipulation eines seiner Schreiben informiert. Es könnte durchaus sein, dass dieser seinerseits Anzeige erstattet, um nicht selbst in Verdacht zu geraten.

Selbstredend legte der Mieter umgehend Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft in Nürnberg gegen den Regensburger “Ermittler” ein. Zudem erstattete er Strafanzeige wegen Strafvereitelung im Amt, Begünstigung und Rechtsbeugung gegen den offenbar äußerst vermieterfreundlichen Staatsanwalt.

Zwangsräumung wird ohne Gnade angesetzt

Tja, Vermieter sollte Mensch sein. Wie sich Richter*innen, Staatsanwälte und schließlich Gerichtsvollziehende um sie kümmern, ist geradezu rührend. So heißt es im Bescheid des am 11.12.2020 zugestellten Zwangsräumgsbescheids des zuständigen Gerichtsvollziehers, er sei aufgrund der verschiedenen Titel aus Amts- und Landgerichtsverfahren

“damit beauftragt, den oben genannten Gläubiger in den Besitz seiner Räumlichkeiten einzuweisen und Sie aus dem Besitz zu setzten (sic!)”

Wie schön poetisch: “aus dem Besitz zu setzen”. ‘Rausschmeißen’ oder ‘auf die Straße werfen’ wäre weniger hübsch. Aber bist du nicht willig, so brauche ich Gewalt!

“Auch ohne weitere richterliche Anordnung bin ich befugt, verschlossene Türen und Behältnisse gewaltsam öffnen sowie einen etwaigen Widerstand mit Hilfe der Polizei zu brechen. Nach Besitzeinweisung sind Sie nicht mehr befugt, die Räumlichkeiten zu betreten.”

Was für ein wunderschönes Weihnachtsgeschenk der Regensburger Justiz an die angeblichen Gläubiger! Geradezu herzerwärmend! Die beschenkten Vermieter dürften vor weihnachtlicher Vorfreunde geradezu in Wallung geraten! Endlich ist mensch den doofen Bestandsmieter los! Ein bisschen renovieren und dann dreifache Miete! Passt!

War da nicht was? Ach ja, so eine blöde Covid-19-Pandemie, die täglich 500 Menschenleben fordert. Aber natürlich gehen Recht und Gesetz vor bzw. die “gute rechtsstaatliche Tradition” (Amtsgerichtsdirektor Dr. Müller). Und so legte Gerichtsvollzieher P. den Räumungstermin auf den 19.01.2021, 14:00 Uhr. Scheiß auf Lockdown und soziale Verantwortung!

Mieter ohne Hoffnung

Gibt es vielleicht doch noch eine andere Weihnachtsgeschichte zu erzählen? Das Gericht teilte dem Mieter einen Tag vor dem Lockdown mit, es werde in der Woche vor Weihnachten ein neuer Beschluss kommen. Doch die Hoffnung stirbt bei Mieter*innen, die Erfahrung mit der Regensburger Justiz gemacht haben, zuerst. Denn wie könnte der neue Beschluss aussehen?

  1. Die Klage der Vermieter wird vollumfänglich zurückgewiesen, da sämtliche darin aufgestellte Forderungen vergleichs- und damit rechtswidrig sind, wie vom Mieter dargelegt.
    –> Träum weiter!

  2. Die Berufung wird doch noch zugelassen.
    –> Unrealistisch. Wäre zwar das zwingende Ergebnis, falls es so etwas gibt wie eine “gute rechtsstaatliche Tradition”, aber wie gesagt, unrealistisch.

  3. Die Berufung wird weiterhin zurückgewiesen, jedoch werden die verschlamperten Schreiben in einem Nebensatz kurz erwähnt, damit alles seine rechtsstaatliche Ordnung hat.
    –> So wird es kommen. Wetten?

Kommentar

  1. bzglAufklärer-Comment29.10.20201401

    bzgl Aufklärer-Comment29.10.2020 1401

    AUCH die Tatsache scheint aufschlußreich zu sein, dass der ”Aufklärer” in seinem umfangreichen Comment vom 29.10.2020 14 01 (s. https://rechtaufstadt-regensburg.de/bedenkliche-rechtspraxis-bei-mietrechtsangelegenheiten-ii/) keine Möglichkeit/Notwendigkeit sah, auf die folgenden (sich mit den m.E. darin gezeigten personellen, charakterlichen Schwachstellen (die die organisatorischen Schwachstellen eines Gerichts erst möglich machen) der jeweiligen einzelnen Gerichtspersonen befassenden) Schilderungen/Zitaten des Kurts einzugehen:

    ”Erst Wochen nach dem Beschluss erreichten den Mieter die dienstlichen Stellungnahmen der Richter*innen zu seinem Befangenheitsantrag. Darin behauptete einer der abgelehnte Richter*innen, der Vizepräsident des Landgerichts Dr. Johann Pfeffer:

    “Zum Zeitpunkt des am 19.10.2020 erlassenen Beschlusses hatte ich keinerlei Kenntnis von einem Ablehnungsbesuch (sic!) des Beklagten. Die vom 23.09.2020 datierenden Schreiben, in denen der Beklagte Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe einlegt, verbunden mit der Mitteilung, dass er “…zeitgleich einen Antrag auf Befangenheit gegen die beteiligten Richter*innen ….. einreiche“ sowie den entsprechenden Befangenheitsantrag stellt, sind mir erst am 28.10.2020 vorgelegt worden. Nach Angabe der Geschäftsstelle waren sie zunächst in der allgemeinen Postmappe verwahrt worden (aus welchen Gründen entzieht sich meiner Kenntnis).”

    Warum lagen die Schreiben in der Postmappe, statt der Akte beigefügt zu werden? Womöglich, weil die Akte zu der Zeit bei der Staatsanwaltschaft lag? Daraus würden sich zwei mögliche Folgerungen ergeben.

    Die Akte war zwar nicht da, doch das Berufungsgericht hat trotzdem, ohne weiter nachzufragen, den heimatzerstörenden Beschluss gefasst. Daraus kann mensch wiederum auf die Verhältnisse in der Regensburger Justiz schließen: Warum in eine Akte gucken, wenn das Urteil eh schon feststeht. Ein unglaublicher Vorgang, aber die andere Folgerung ist fast noch unglaublicher. Nochmal aus der Stellungnahme von Dr. Pfeffer:

    “Mir war zum Zeitpunkt des Erlasses der unter meiner Mitwirkung im gegenständlichen Verfahren ergangenen Entscheidungen weder die in dem Gesuch erwähnte Strafanzeige gegen eine Richterin noch ein etwaiges Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft bekannt”

    Glauben Sie, dass das stimmt? Kann es sein, dass ein Berufungsgericht nicht wenigstens nachfragt, wo eine Akte verblieben ist? Dem Mieter wurde ohne weiteres die Auskunft erteilt, sie liege bei der Staatsanwaltschaft. Ein Richter aber soll nicht einmal darüber informiert worden sein, dass in seinem Fall gerade die Staatsanwaltschaft ermittelt, unter anderem gegen die Richterin aus dem Vorverfahren? Urteilen Sie selbst”

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