Wohnungsmangel in Regensburg:
Der nächste Beschiss: “Sozialwohnungen” für Verwaltungsdirektoren

“Bezahlbarer Wohnraum” ist seit vielen Jahren Forderung und Versprechen der kommunalen Politik. Auch die Verwaltung scheint diesem hehren Ziel zu folgen, verkündet sie doch unentwegt Erfolgsmeldungen. So steige der Bestand an “Sozialwohnungen” nach Jahren des Niedergangs. Aber wie so oft findet sich in den Aussagen der Stadtverwaltung bei genauer Betrachtung viel Dichtung und wenig Wahrheit. Denn statt “bezahlbarem Wohnraum” für die Bedürftigsten werden inzwischen hauptsächlich Wohnungen für “Verwaltungsdirektoren” gefördert.

Tretzel EOF Wohnungen

Sozialwohnungen? Auf dem überwiegend vom Bauteam Tretzel bebauten Nibelungenareal wurde zum ersten Mal die 20 % Quote für “Verwaltungsdirektoren” angewandt.

Sozialwohnungen sterben aus

Zunächst einmal eine Begriffsentwirrung: Zwar wird heute immer noch pauschal von “Sozialwohnungen” gesprochen, aber tatsächliche Sozialwohnungen sind damit nur noch selten gemeint. Denn Sozialwohnungen, die diesen Namen verdienen, fußen auf den Grundlagen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes und der Wohnungsgemeinnützigkeit:

  • Sie wurden ausschließlich für die einkommensschwächsten Schichten der Bevölkerung errichtet. Einen Wohnberechtigungsschein für eine Sozialwohnung bekam nur, wer arm war, d.h. ein Einkommen nahe oder unter der gültigen, statistischen Armutsschwelle hatte.

  • Da der Bau durch zinsfreie Darlehen, Steuerbefreiungen und Zuschüsse gefördert wurde und nicht, wie beim Wohngeld, die Mieter*innen Zuzahlungen bekamen – was in Wirklichkeit eine Subventionierung von auf dem Markt nicht realisierbarer Mieten darstellt –, wurde von „Objektförderung“ gesprochen.

  • Im Gegenzug für die Objektförderung mussten sich die Erbauenden verpflichten, nur die sogenannte Kostenmiete zu verlangen, also nur die tatsächlich anfallenden Kosten. Profit war wegen der Verpflichtung zur Gemeinnützigkeit verboten, alle Überschüsse mussten in das Unternehmen reinvestiert werden.

Auf der Grundlage dieses Systems kamen unschlagbar günstige Mieten zustande. Noch in den 80iger Jahren wurde beispielsweise von der Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft Ndb / Opf 124,90 DM (!) für eine rund 46 qm große Sozialwohnung im Kasernenviertel verlangt. Nebenbei: Die Wohnung ist inzwischen privatisiert, der Mieter wurde zwangsgeräumt.

Der tatsächliche Sozialbau war im Grunde ein geniales, auch für die öffentliche Hand äußerst kostengünstiges System. Er erhielt sich selbst und sorgte dauerhaft für bezahlbare Mieten und bedarfsgerechten Wohnungsbau. Der Kapitalismus blieb draußen – fast. Denn es wurde ein unglaublicher Dummsinn eingebaut: Auch tatsächliche Sozialwohnungen fallen nach einer gewissen Zeit aus der Bindung. Dann können Private mit von öffentlicher Hand erheblich mitfinanzierten Immobilien satte Gewinne einfahren.

Trotzdem: Privatisierungen waren selten. Viele Genossenschaften hielten und erweiterten den gemeinnützigen Wohnungsbestand. Das sorgte für günstigen Wohnraum auch über die Bindungsfrist hinaus.

Der Niedergang der tatsächlichen Sozialwohnungen begann erst mit der Abschaffung der Gemeinnützigkeit im Wohnungsbau durch die CDU im Jahr 1990. Damit wurde für 3,4 Millionen Sozialwohnungen, einem Viertel aller Mietwohnungen überhaupt, das Profitverbot aufgehoben. Das Preiskarussell konnte starten. Trotz Wahlversprechen führte auch die folgende SPD/Grüne-Regierung die Wohnungsgemeinnützigkeit nicht mehr ein.

Kein Ersatz: Mogelpackung EOF

“Ersetzt” werden Sozialwohnungen inzwischen durch sogenannte EOF-Wohnungen. EOF steht für “Einkommensorientierte Förderung”. Wie beim Wohngeld wird hier nicht in erster Linie der Bau gefördert, sondern die Mieter*innen. Sie bekommen, wie der Name schon sagt, je nach Einkommen eine “Förderung”. Das nennt sich daher “Subjektförderung”.

Die Unterschiede von EOF-Wohnungen zu Sozialwohnungen:

  • EOF orientiert sich nicht an der Kostenmiete, sondern am Mietspiegel, also an den Mieten des freien Wohnungsmarktes. Die Mieten liegen dadurch schon von Beginn an im Schnitt deutlich über denen tatsächlicher Sozialwohnungen.

  • Bei EOF wird zunächst eine “zumutbare Miete” festgelegt. Je nach Einkommen wird daraufhin der Restbetrag zur Mietspiegelmiete von der öffentlichen Hand draufgezahlt. Liegt die “zumutbare Miete” bei 5 €, die Mietspiegelmiete bei 8 € pro qm, bekommen die Mieter*innen je nach Einkommensstufe 3 bis 1 € “Förderung”.

  • Hammer 1: Kommt es zu Mietsteigerungen, müssen diese die Mietenden komplett alleine bezahlen! Die einmal festgelegte “Förderung” bleibt die ganze Mietdauer über gleich! Beispiel: Die Mietgesetze erlauben alle 3 Jahre eine Mietsteigerung von 20 %. Bei 8 € pro qm sind das nach 3 Jahren 9,60 €, nach 6 Jahren 11,52 €. Trotzdem bekommen Mieter*innen weiterhin maximal 3 €, auch wenn ihr Einkommen unverändert blieb. Die Mieter*innen haben dann also schon nach 6 Jahren statt 5 € nunmehr 8,52 € pro qm zu bezahlen: 8,52 € = 5 € + 3,52 € Mietsteigerung.

  • Hammer 2: Während tatsächliche Sozialwohnungen nahezu ausschließlich für die einkommensärmsten Schichten erbaut wurden, werden EOF-Wohnungen inzwischen häufig überwiegend für Nichtarme errichtet! EOF-Wohnungen richten sich nämlich nach sogenannten Einkommensstufen. Die Einkommensstufe I (EK I) entspricht in etwa der früheren Armutsschwelle, während EK II und EK III schon Einkommen bis hin zum gehobenen Mittelstand darstellen. Der Förderanteil für EK II und EK III hat in den letzten Jahren massiv zugenommen.

Aus Hammer 1 und 2 ergibt sich, was EOF-Wohnungen in Wirklichkeit sind: Eine Verarschung von Mieter*innen und Öffentlichkeit. Für Mieter*innen sind die “zumutbaren” Anfangsmieten lediglich ein ziemlich leicht zu durchschauendes Lockangebot. Sie wissen, schon nach wenigen Jahren können Sie sich die Wohnung nicht mehr leisten. Und der Öffentlichkeit wird vorgegaukelt, es handele sich weiterhin um “Sozialwohnungen”, obwohl oft nur ein geringer Teil aller EOF-Wohnungen finanziell bedürftigen Einkommensschichten zur Verfügung steht.

Und nun zu Regensburg: Katastrophe

Schauen wir uns nun den EOF-Beschiss am Beispiel Regensburg an. Wie immer setzt die Regensburger Stadtverwaltung die gesetzlichen Möglichkeiten mit schlafwandlerischer Sicherheit schlechtmöglichst um. Dabei war der Erkenntnisstand der Verwaltung durchaus einmal beachtlich.

In der Stadtratsvorlage VO/12/8369/66 vom 04.12.2012 wurde die zwei Jahre zuvor beschlossene Regel, 15 % aller Wohnungen in Neubaugebieten müssen zukünftig EOF-Wohnungen sein, einer ersten Analyse unterzogen:

In der Förderstufe III hat also beispielsweise eine Familie mit zwei Kindern und einem Bruttojahresverdienst von rund 63.900 € (entspricht etwa dem Jahresbruttoverdienst eines Verwaltungsdirektors) immer noch Anspruch auf eine, wenn auch nur geringe staatliche Mietförderung. (…)
Eine Förderung von Haushalten, deren Jahresbruttoeinkommen jenseits der im Bayerischen Wohnraumförderungsgesetz festgelegten Einkommensgrenzen liegt, erscheint völlig unangemessen und würde zu hohen Mitnahmeeffekten führen, (…)
Wohnberechtigungsscheine werden fast ausschließlich von Haushalten der Einkommensstufe I beantragt. (…)

Grafik Wohnberechtigungsscheine

Haushalte mit Einkommen der Fördergruppe III suchen sich in Regensburg mit ganz wenigen Ausnahmen Wohnungen auf dem freien Markt und sind nicht bereit, in vermeintlich sozial belastete Gebäude zu ziehen. Die Förderung von Wohnungen für Haushalte der Einkommensstufe III führte in der Vergangenheit sogar zu (vorübergehenden) Leerständen.“ [Hervorhebung RaS]

Im Klartext: Die Förderung von Wohnungen für Begüterte ist ein Schmarrn. Das führe sogar zu Leerstand. Denn kein „Verwaltungsdirektor“ wolle sich nachsagen lassen, in einer „Sozialwohnung“ zu hausen. Bravo Stadtverwaltung!

EK I – III: Wer bekommt was?

Auffällig ist allerdings, dass nirgends in der Vorlage vermerkt ist, wieviel von den 15 % geförderter Wohnungen für die jeweiligen Einkommensgruppen gebaut wurden. Lediglich in dem Abschnitt für „Verbesserung der Wohnraumversorgung einkommensschwacher Haushalte bei fehlenden staatlichen Fördermitteln“ findet sich der Satz:

Die Wohnungen können von Personen mit einem Wohnberechtigungsschein der Einkommensstufe I oder II bezogen werden. Die prozentuale Aufteilung der Wohnungen nach diesen Einkommensstufen wird jeweils anhand der aktuellen Nachfragesituation festgelegt.“

Klingt zumindest nachvollziehbar: Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Betrachten wir die obige Statistik über die beantragten Wohnberechtigungsscheine folgt daraus für alle drei Einkommensschichten:

  • 93 % für EK I

  • 5 % für EK II

  • 2 % für EK III

Wurde das auch so umgesetzt? Laut Vorlage sei die 15 % Forderung zum ersten Mal auf dem Areal “Ehemalige Zuckerfabrik” angewandt worden. In einer Pressemitteilung der Stadtverwaltung vom 04.09.12 heißt es dazu:

“Die städtische Tochter Stadtbau GmbH Regensburg wird auf dem Areal 47 und die Joseph-Stiftung aus Bamberg 48 öffentlich geförderte Mietwohnungen errichten.”

Merkwürdigerweise wird auch im Bebauungsplan „Ehemalige Zuckerfabrik“ (siehe Vorlage VO/12/7767/61) nirgends die Aufteilung zwischen den Einkommensstufen erwähnt oder gar festgeschrieben.

Wir fragten daher bei den Unternehmen nach. Die Joseph-Stiftung schickte uns folgende Aufteilung:

  • 36 Wohnungen für EK I (= 75%)

  • 12 Wohnungen für EK II (= 25%)

Dasselbe bei der Stadtbau:

  • 75 % für EK I

  • 25 % für EK II

Das heißt, obwohl weit über 90 % aller Wohnberechtigungsscheine von Menschen der EK I gestellt wurden und der Anteil an tatsächlichen Sozialwohnungen, die aus der Bindung fallen, fast zu 100 % die Ärmsten betrifft, wurden nur 75 % der neuen EOF-Wohnungen für sie gebaut. Dafür ganze 25 % für EK II, also das Fünffache von dem, was dieser Gruppe nach ihrem Anteil an Wohnberechtigungsscheinen zustehen würde.

Mensch muss kein*e Gerechtigkeitsfanatiker*in sein, um zu sehen, dass hier etwas schief läuft.

Immerhin wurden keine Wohnungen für „Verwaltungsdirektoren“ der EK III gebaut. Doch das änderte sich bald, denn:

In Regensburg geht alles immer noch einen Dreh schlimmer!

2019 wurde die Quote für den öffentlich geförderten Wohnungsbau auf 40 % angehoben. Für die Armen? Mitnichten! Und auch hier muss konstatiert werden, es fehlte der Stadtverwaltung nicht an Erkenntnis. Aus der Stadtratsvorlage VO/19/15672/66 vom 16.07.2019:

Die Erhöhung der geforderten Quote für den öffentlich geförderten Wohnungsbau von 20 % auf 40 % lässt sich einerseits mit der anhaltend hohen Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum begründen, während zunehmend Sozialwohnungen des ersten Förderwegs aus der Bindung fallen.“

Das Wissen war also da: Den Armen werden Sozialwohnungen am laufenden Band genommen. Doch gegeben wird den „Verwaltungsdirektoren“. Entwaffnend ehrlich heißt es weiter:

Zum anderen können nach Anhebung der Einkommensgrenzen zum 1. Mai 2018 ca. 60 % aller bayerischen Haushalte Anspruch auf eine öffentlich geförderte Wohnung anmelden. Dadurch kommen nun deutlich mehr Haushalte in der Einkommensstufe III in den Genuss der Zusatzförderung.“

Hurra! Haushalte von „Verwaltungsdirektoren“ kommen in den „Genuss“ von extra Kohle! Wenn das keine gute Nachricht ist! Und damit es sich für sich und seinesgleichen auch wirklich rentiert, gibt es einen extra kräftigen Schuss aus der Pulle: Nicht im einstelligen Prozentbereich, wie es sich aus der Nachfrage an Wohnberechtigungsscheinen ergeben würde, sondern gleich 20 % EOF-Wohnungen! Doppelt soviele für „Verwaltungsdirektoren“ wie für Arme und Ärmste!

Diesem Umstand ist durch weitergehende Anstrengungen im geförderten Wohnungsbau Rechnung zu tragen. Dabei geht es nicht mehr ausschließlich um die Wohnraumversorgung einkommensschwächerer Bevölkerungsschichten, sondern verstärkt um die Versorgung der mittleren Einkommensgruppen, die auf dem angespannten Wohnungsmarkt in Regensburg zunehmend Probleme bei der Wohnungssuche haben.“

Bei Bebauungsplangebieten mit einer Geschossfläche von mehr als 2.500 Quadratmetern für Wohnen sind 20 Prozent der gesamten Geschossfläche für Wohnen im Rahmen der Sozialen Wohnraumförderung für die Einkommensstufen I und II zu erstellen. Weitere 20 Prozent der gesamten Geschossfläche für Wohnen sind im Rahmen der Sozialen Wohnraumförderung für die Einkommensstufe III zu erstellen.

Wir haben in Regensburg eine Satzung gegen Zweckentfremdungen, die Zweckentfremdungen erlaubt. Wir haben in Regensburg ein Sozialquote, die Wohnraum von Arm mit Wohnraum für Reich ersetzt. Sowas kannst du dir nicht ausdenken, sowas gibt es nur in Regensburg.

 

Kommentar

  1. Mester Bernadett

    Hallo, ich bin Meister Bernadett. Leider haben meine beiden Kinder und ich Ende Dezember keine Wohnung mehr. Wir würden wirklich gerne eine Gelegenheit für eine günstige Wohnung bekommen. Es gibt whonberechtigugsschein. Ich habe an vielen Stellen gesucht, aber bisher kam keine Antwort. Weihnachten wollen wir nicht auf der Straße verbringen, wenn wir eine Wohnung finden würden, würden wir sie gerne nehmen. Ich erwarte deine Antwort.

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