Bericht vom 08.12.2021:
Zur Situation an der polnisch-belarussischen Grenze

infostandsommer2017Mittlerweile sind einige der Menschen in Regensburg angekommen, die es über die belarussische-polnische Grenze geschafft haben. Dieses Thema und die Situation vor Ort ist deshalb auch auf unseren Kundgebungen präsent.

Seit im August 32 Geflüchtete aus Afghanistan im Grenzgebiet zwischen Polen und Belarus festhingen, sind tausende weitere Menschen, vor allem aus Syrien und der Autonomieregion Kurdistan im Nordirak dazugekommen. Polen hat von Anfang an mit eiserner Hand den Zutritt verwehrt und in kürzester Zeit wurde der Grenzstreifen zu einer Militärzone. Aufgrund der sich verschlechternden Witterungsverhältnisse und dem repressiven Vorgehen der polnischen aber auch belarussischen Regierung, spitzte sich die Situation der „people on the move“ immer weiter zu. Es kam zu Prügel durch Sicherheitsbehörden, Festsetzungen mitten im eisigen Wald und Push-Backs. Schließlich gab es Berichte von ersten Todesfällen. Unterstützung gab es indes nur von lokalen Strukturen und einigen NGOs. Auf großangelegte staatliche humanitäre Einsätze wartete mensch vergebens. Ganz im Gegenteil wurde durch die polnische Regierung eine Sperrzone eingerichtet, durch welche zivilgesellschaftliches Engagement erheblich erschwert wurde, die Arbeit von NGOs wurde kriminalisiert. Zudem berichteten immer wieder Journalist*innen davon, dass eine neutrale Berichterstattung beinahe unmöglich war und ist.

Für die westliche Politik war der Schuldige und somit auch der „Feind“ von Anfang an klar: Der belarussische Machthaber Lukaschenko. Wir möchten jedoch daran erinnern, dass die EU der Türkei unter dem faschistischen Erdoğan-Regime Milliarden zahlt, damit die Grenze zu Griechenland geschlossen bleibt. Und das, obwohl die AKP/MHP-Regierung einen Krieg gegen die kurdische Bevölkerung in der Türkei führt, obwohl sie offen den IS unterstützt, obwohl sie die kurdische Region in Syrien angreift, … Dabei geht es uns nicht darum, Partei für Lukaschenko zu ergreifen. Nein, es geht uns darum aufzuzeigen, wie scheinheilig das Gerede von Demokratie und Menschenrechten seitens der BRD und der EU ist. Erklärtes Ziel ist und bleibt Abschottung, koste es was es wolle und seien es Menschenleben.

So wurde das Leid der Betroffenen – in der öffentlichen Wahrnehmung ständig präsent – schnell zur Nebensache, der vermeintliche „Angriff“ auf die EU-Außengrenze zur Hauptsache. Die wahrscheinlich wenigen tausend people on the move (genaue Zahlen gibt es nicht) wurden zur Bedrohung stilisiert und die Situation zur Notlage – nicht etwa die Situation der erfrierenden Menschen in polnischen Wäldern, sondern die des polnischen Staates. Welcher in Folge dessen in seinem repressiven und menschenverachtenden Vorgehen von Deutschland und der EU bestärkt und unterstützt wurde. Der sonst so massiv kritisierten polnischen Regierung wird angesichts vermeintlich offener Fluchtrouten unvermittelt zur Seite gesprungen. Bald darauf beerdigt die europäische Kommission ein erneutes Mal letzte zivilisatorische Standards und räumt Polen, Litauen und Lettland Sonderrechte ein, mithilfe derer Schutzsuchende leichter abgeschoben werden können. Der polnischen Regierung ist dies indes nicht genug und sie kritisiert hieran, dass es ja dann immer noch möglich sei, Asyl zu beantragen.

Angesichts all dessen wird uns bei menschenverachtenden Aussagen, wie der des sächsischen Ministerpräsidenten schlecht. Die deutsche Mehrheitsgesellschaft hat längst gelernt mit Bildern Notleidender umzugehen – nein sie hat gelernt, sie zu ignorieren, ob im Mittelmeer, Ärmelkanal, dem Internierungslager Moria oder Fluchtrouten auf dem Balkan. Derartige Aussagen oder das Schwadronieren über Geflüchtete als Kriegswaffen und Bedrohung sind jedoch nur ein Symptom für einen rassistischen Allgemeinzustand.

Unser „Schämt euch“ richten wir jedoch nicht an die Kretschmers hier im Lande oder gar die EU, denn an die Menschlichkeit der Herrschenden zu glauben ist verlorene Zeit.

Wir richten es an all jene, die immer noch von einer „EU der Menschlichkeit“ sprechen, all jene, die glauben, dass die EU auch nur einen Deut humanitärer, menschlicher oder menschenwürdiger sei, als andere autoritäre Staaten, von denen sich voller Überheblichkeit versucht wird abzugrenzen.

Es liegt an uns, daran zu rütteln. Wie viele andere Menschen auf vielen Demonstrationen, auch zuletzt in Regensburg, müssen wir laut sein und unermüdlich auf die Missstände und das Morden an den EU-Außengrenzen hinweisen. Wir müssen das einfordern was es braucht: sofortige humanitäre Hilfe für Menschen in den Todesstreifen namens EU-Außengrenze und die sofortige Aufnahme aller Schutzsuchenden. Und die Auflösung von Frontex! Nur so können wir dem rassistischen Diskurs entgegentreten.

Brick by brick, wall by wall, make the fortress europe fall!

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