Rede des IKS zum Gedenktag der rassistischen Morde in Hanau:
“Wir versprechen auch, dass wir die Opfer nicht vergessen werden”

HanauIKS1

Gedenken an die Opfer des rassistischen Anschlags vor zwei Jahren

Liebe Freund*innen, Liebe Antifaschist*innen!

Genau vor einem Jahr standen wir auch alle gemeinsam hier: trauerten, erinnerten und waren wütend. Wir forderten Gerechtigkeit, lückenlose Aufklärung, Respekt gegenüber den Angehörigen und einen anderen Umgang mit rassistischen, faschistischen Mördern. Außerdem forderten wir eine andere Politik gegenüber allen Menschen, die nicht in das Schema vom Deutschsein passen. Leider stellen wir heute fest, dass sich nichts geändert hat. Unsere Forderungen und Wünsche sind nicht erfüllt worden. Es hat sich nochmals bestätigt, dass es an uns liegt, Veränderungen zu erreichen – von oben wird nichts passieren. Es ist gut und wichtig, dass ihr alle da seid. Dass ihr erkennt, dass es in diesem Land eine Veränderung braucht.

Rassismus und Faschismus nehmen auf der ganzen Welt zu. Es ist die Pflicht jedes Demokraten und jeder Demokratin und aller Antifaschist*innen, egal wo wir leben, entschieden dagegen anzukämpfen. Wir leben hier in Deutschland, wo Rassismus und Faschismus eine besondere Rolle in der Geschichte gespielt haben. Aber man möchte, dass wir die Geschichte vergessen. Deswegen redet man heute bei faschistischen Morden von Einzelfällen und von kranken Tätern. Wenn wir dem Glauben schenken würden, dann wären Schwandorf, Mölln, Solingen, Hoyerswerda, NSU, NSU 2.0, Hanau – alles angeblich Taten einzelner psychisch Kranker oder einzelner Rassisten. Aktuell hat gerade der Prozess gegen einen alleinigen Angeklagten von NSU 2.0 begonnen. Obwohl bei Durchsuchungen eine rechte Chatgruppe von Polizisten aufgeflogen ist, wurden diese einzig vom Dienst suspendiert, aber nicht angeklagt. Sie wollen uns tatsächlich glauben machen, dass ein Mensch sich am Telefon als Polizeikollege ausgibt und damit ganz einfach in fünf verschiedenen Polizeirevieren umfangreiche Daten mitgeteilt bekommt. Das ist genauso absurd wie die Behauptung, Verfassungsschutz und Sicherheitsorgane wären nicht an den NSU Morden beteiligt gewesen. Deshalb müssen wir auch immer die Vergangenheit dieses Landes und die rechten Kontinuitäten gerade in den Sicherheitsorganen mitdenken.

Ein weiteres aktuelles Beispiel ist ein Polizist, der bis 2016 einer Ermittlungsgruppe zur Beobachtung der Neuköllner Neonaziszene angehört hat. Genau dieser Polizist hat vor 5 Jahren mit weiteren Neonazis einen afghanischen Geflüchteten angegriffen und schwer verletzt. Auch bei diesem Prozess ist nicht damit zu rechnen, dass die tatsächlichen rechten Netzwerke aufgedeckt werden.

Und seit Juli letzten Jahres wissen wir, dass 13 der 19 rechtsextremen Polizeibeamten aus der aufgelösten SEK-Einheit in Hessen in der Tatnacht am 19. Februar 2020 in Hanau im Einsatz waren. Schlimmer geht es kaum!

HanauIKS2Ich möchte diese Beispiele nicht weiter ausführen, weil ihr es selbst aus eurer Praxis wisst. Aktuell ziehen Woche für Woche hunderte von Querdenkern durch Regensburgs Straßen. Es stört niemanden von ihnen, dass sie mit AfD und III. Weg, mit bekennenden Faschisten und Antisemiten auf die Straße gehen. Ihre Versammlungsfreiheit wurde lange geschützt, während Antifaschist*innen stets Repressionen unterliegen. All dies hat einen Zusammenhang.

Abschließend möchte ich sagen, dass wir, auch wenn wir keine Erwartungen in die Politik haben können, nicht die Hoffnung verlieren dürfen. Heute stehen wir hier, weil 9 Menschen am 19. Februar 2020 in Hanau umgebracht wurden. Einer von ihnen, Fatih Saracoglu, ist in Regensburg aufgewachsen. Ihre Hinterbliebenen kämpfen seit 2 Jahren um Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufklärung und Konsequenzen. Erreicht haben sie diese noch nicht. Aber erreicht haben sie, dass niemand über sie hinwegsehen kann. Das haben sie durch ihre unermüdliche Arbeit erreicht, die sie immer wieder an die Grenzen ihrer Belastbarkeit bringt.

Wir wollen ihnen unsere Anteilnahme, unsere Trauer, unsere Solidarität und unser Versprechen, auch weiterhin mit ihnen zu kämpfen, schicken. Wir müssen uns weiterhin über ihre Arbeit zum Beispiel im Untersuchungsausschuss informieren. Und ihre Arbeit wird danach nicht beendet sein, das wissen wir leider aus allen anderen Untersuchungsausschüssen, die aufgrund rechter Morde, gegründet worden sind. Deshalb lasst uns das Versprechen geben, dass wir an ihrer Seite bleiben! Wir versprechen auch, dass wir die Opfer nicht vergessen werden. Denn wie Ferhat Unvar, eines der Opfer, geschrieben hat: „Tot sind wir erst, wenn man uns vergisst“. Deshalb hier nochmal die Namen derer, die heute vor zwei Jahren ermordet wurden.

Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov

Denn wir wissen, dass Faschismus und Rassismus tötet.
Es liegt in unseren Händen, nie wieder Faschismus!
In diesem Sinne Schulter an Schulter gegen Faschismus!

Hanau3

19.02.2022 Neupfarrplatz Regensburg

 

 

 

Kommentar abgeben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert