Redebeitrag vom 04.07.2023 zu "Stoppt die GEAS-Reform":
“We are here because you were there”

Kundgebung 02 06 23 e1685864935129„We are here because you were there“ mit dieser Parole soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die Fluchtgründe im globalen Süden mit dem außen- und wirtschaftspolitischen Handeln des globalen Nordens heute, wie damals als sie zum ersten Mal gerufen wurde, zusammenhängt.

Denn auch heute noch wirken die Folgen jahrhunderterlanger Ausbeutung des globalen Südens durch den Norden nach. Europas Reichtum beruht auf der Ausbeutung ihrer Kolonien. Auch nach den Unabhängigkeitskämpfen in vielen ehemaligen Kolonien gibt es weiterhin eine Kontinuität alter Machtgefälle. Immer noch fließen Rohstoffe, Ressourcen und Kapital in die gleiche Richtung und immer noch profitieren westliche Staaten mehr davon als der Rest der Welt. Die angeblich freien wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Nord und Süd, sind also weiterhin geprägt von europäischer Hegemonie und der Fortführung von Ausbeutung.

Sprechen wir über gesellschaftliche Fragen, wie die der Migration, können und dürfen wir diese Zusammenhänge nicht ausklammern. Denn während die Grenzen Europas für Ressourcen und Kapital aus dem globalen Süden weit geöffnet sind, sind sie es für Menschen nicht. Das ist kein Naturgesetz, sondern eine gezielte Maßnahme, um die vorherrschenden Machtgefälle aufrecht zu erhalten und die geopolitische Vormachtstellung europäischer Staaten abzusichern.

Ein Beispiel: Großbritannien ist ein europäisches Land, das genauso gnadenlos gegen Geflüchtete vorgeht wie die EU. So gibt es schon länger den Plan Asylsuchende nach Ruanda als sogenannten sicheren Drittstaat abzuschieben. Dem hat jetzt vorübergehend das Londoner Berufunsgericht einen Strich durch die Rechnung gemacht. Es verkündete, dass Abschiebungen nach Ruanda unrechtmäßig sind. Im Herbst hätten schon die ersten Abschiebeflüge starten sollen. Sie mussten aber storniert werden, weil sich die Mitglieder der Beamtengewerkschaft PCS konsequent geweigert haben, die Flüge zu organisieren. Wir können daran sehen, dass es Sinn machen kann gegen Asylrechtsverschärfungen zu klagen. Wobei uns klar sein muss, dass einerseits die Gerichte Teil des herrschenden Systems sind und andererseits selbst bei Urteilen wie aktuell in Großbritannien hauptsächlich Zeit für weitere Kämpfe gewonnen ist. Denn die britische Regierung hat ihre Messer schon gewetzt und will das Urteil natürlich wieder zu Fall bringen. Wir sehen auch, dass es möglich ist, dass sich Gewerkschaften nicht nur um die ihnen zugeschriebenen Belange wie Lohnhöhe und Arbeitsbedingungen kümmern müssen, sondern sehr wohl mit ihrer Macht der Arbeitsverweigerung in andere Bereiche eingreifen können. Unserer Meinung nach eingreifen müssen und so Kämpfe verbunden werden können.

Wir sehen aber auch, dass ein Land wie Ruanda, das immer noch mit den Folgen von Bürgerkrieg und Völkermord beschäftigt ist, sich Europa anbietet. Sich anbietet, Menschen aufzunehmen, die niemals nach Ruanda wollten.

Wir können uns gut vorstellen wieviel Geld hier offen, aber auch hinter den Kulissen, fließt. Die EU agiert bekanntermaßen nach dem gleichen Prinzip mit der Türkei, nur dass hier die Geflüchteten gar nicht nach Europa reinkommen sollen.

Jetzt soll mit GEAS dieses System mit weiteren Staaten ausgebaut werden. Kaum hatten sich die EU-Innenminister*innen abgestimmt, haben sie sofort versucht mit dem Tunesien-Deal Fakten zu schaffen. Mehr als eine Milliarde Euro bieten sie dem autokratischen Präsidenten Saïed. Wurde im März noch seine rassistische Hetze kritisiert, die zu schwerer Gewalt geführt hat, ist davon jetzt keine Rede mehr. Stattdessen wird die freundschaftliche Beziehung der EU und Tunesiens beschworen und Versprechen für weitere Politikfelder gemacht. Dieser Deal könnte im Gegensatz zur längerdauernden Umsetzung der Reformen schnell zu niedrigeren Ankunftszahlen führen.

Falls andere Länder sich nicht auf solche Deals einlassen wollen, wird mit Zuckerbrot und Peitsche gearbeitet. Finanzielle Anreize einerseits, Druck andererseits. So hat z.B. die FDP schon während der Verhandlungen geäußert, dass eine repressive Visapolitik ein mögliches Druckmittel sei.

Europa, das selbst größtmögliche Reisefreiheit genießt, hat nicht nur die Macht Asyl zu regulieren, sondern jegliche Bewegung von Menschen – sei es zum Reisen oder als Arbeitskraft. Unter dem Stichwort qualifizierte Einreise werden gemäß der kapitalistischen Verwertungslogik Migrant*innen in Erwünschte, Brauchbare und Unerwünschte eingeteilt. So entscheiden Länder wie Deutschland, welche Berufe es dringend braucht, z.B. im Pflegebereich, und werben Menschen mit den gewünschten Ausbildungen nach Deutschland ab. Gemäß der alten kolonialistischen Ordnung: wir nehmen, was gebraucht wird. Damit wird doppelt ausgebeutet, denn diese Menschen fehlen mit ihrer Expertise im Herkunftsland und gleichzeitig wurden die Kosten für die Ausbildung dort übernommen.

Deshalb denken wir als BgA, dass wir im Zuge der Kämpfe um das Asylrecht in Europa auch verstärkt die Auseinandersetzung mit dem europäischen Kolonialismus und eine gezielte Dekolonialisierung einfordern müssen.

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