Rede von Resistenza Antifascista Ratisbona am 2. Leerstandsaktionstag:
“Was zählt ist, dass wir eine linke Alternative aufzeigen”

RAR LeKu2 1

Genoss*innen!

Wir stehen heute vor dem Dörnbergviertel. Ein riesiges Neubaugebiet mit 1300 Wohnungen und einem durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 14 Euro im Monat. Wer soll sich denn sowas leisten? Viele von uns können das nicht stemmen. Kein Wunder also, dass mindestens 180 von den Wohnungen leerstehen. Menschen mit wenig Geld finden dort keinen Platz zum Leben. Das ist allerdings kein Einzelfall, sondern beispielhaft für die Regensburger Wohnungspolitik: Wo früher Sozialwohnungen oder zumindest städtische Wohnungen mit bezahlbaren Mieten waren, stehen jetzt Luxusapartments mit Mieten, die selbst besser Verdienende nur schwer bezahlen können. So wurden 2018 und 2019 nur knapp 300 Sozialwohnungen gebaut, obwohl über 2000 Menschen Sozialwohnungen beantragen mussten.

Daraus folgt eine massive Steigerung der Mieten in Regensburg. Allein seit 2008 sind die Mieten um 45% gestiegen! Hier in der Altstadt sogar um 60%! Das sind unvorstellbare Zahlen, die Löhne sind in der selben Zeit, deutschlandweit betrachtet, vor allem niedrigeren Lohnbereich, um gerade mal 25 bis 30 Prozent gestiegen. Das bedeutet Verdrängung, Existenzverlust und Armut. Viele Menschen müssen nach Jahrzehnten in einen anderen Stadtteil oder ganz aus der Stadt raus ziehen, weil sie sich die Miete nicht mehr leisten können. Manche werden sogar unter Androhung von Polizeigewalt aus ihrem Zuhause geschmissen, egal ob gerade eine Pandemie ist, oder Winter, oder welches Leid daraus entsteht. Alles nur, damit dann ein paar unnötige Renovierungen gemacht werden können und die Bude mit einem ordentlichen Zuschlag weitervermietet werden kann.

Darunter leiden vor allem Arme. In Regensburg geben Geringverdienende im Schnitt fast 40% des eh schon mickrigen Gehalts für die Miete aus. Was bleibt da noch für Freizeit, Hobbys oder einen Urlaub? Auch für Studierende verschlechtert sich die Lage immer weiter. Es war vor nicht allzu langer Zeit mal normal, für unter 200 Euro ein Zimmer zu kriegen. Und heute? Brauchst du unter 350 Euro eigentlich nicht anfangen zu suchen. Deswegen schlafen zu jedem Semesteranfang Dutzende Student:innen im Matratzenlagern, weil sie keine bezahlbare Wohnung finden und sich auf ein Zimmer locker mal 30 Leute bewerben. 

RAR LeKu2 2Was aber können wir gegen diese Entwicklung unternehmen? Es gibt unterschiedlichste Vorschläge zur Verbesserung der Wohnungssituation. Der Bund zum Beispiel hat 2015 eine Mietpreisbremse beschlossen, die Bundesländer anwenden können, wenn die Mieten zu extrem steigen. In Bayern trat sie 2019 in Kraft. Neuvermietungen dürfen dann „nur noch“ 10% teurer als die Vergleichsmiete sein. Dass das nicht im Geringsten ausreicht, wenn die Mieten sowieso schon auf einem viel zu hohen Niveau liegen, dürfte klar sein. Etwas weiter geht der Mietendeckel, der in Berlin ab 2020 gegolten hat. Er fror die Mieten auf einem bestimmten Niveau ein. Auf lange Sicht hätte das tatsächlich in einem begrenzten Raum und auf begrenzte Zeit zu einer leichten Verbesserung der Lebenssituation von einem Teil der MieterInnen geführt. Doch schon das ging dem Verfassungsgericht zu weit. In Deutschland ist das Recht ein paar weniger, Hunderte Wohnungen zu besitzen, eben immer noch wichtiger als das Recht aller, einen einzigen Ort zum Leben zu haben.

Das ist letztendlich das Grundproblem, mit dem alle Ansätze konfrontiert sind, die nach Lösungen im Parlament und in den Ministerien suchen. Es gilt auch für die Kampagne „Deutsche Wohnen & Co. Enteignen“, die in den letzten Monaten viel mediale Aufmerksamkeit erzielt hat und beim Volksentscheid die nötige Mehrheit erreicht hat. Dabei sollte die Stadt Berlin aufgefordert werden, für ca. 10 Milliarden Euro die Wohnungen der größten Wohnungsunternehmen in Berlin zu kaufen. Abgesehen davon, dass das ein Kauf, keine Enteignung ist, bleibt auch abzuwarten ob und inwieweit die Berliner Regierung das überhaupt bereit ist umzusetzen. Und selbst wenn sie es so beschließen würde wie gefordert: die Verwandlung von Unternehmenseigentum in Staatseigentum ist noch lange keine Garantie für Mieten, die niedrig genug sind um merklich das Leben der Menschen zu vereinfachen.

Wir müssen uns bei jedem Kampf um die Verbesserung unserer Lebensumstände darüber im Klaren sein, was wir damit jeweils erreichen können und was nicht. Was positive Folgen daraus sein können, und womit wir uns vielleicht sogar ins eigene Bein schießen. Können Kampagnen wie „Deutsche Wohnen & Co. Enteignen“ eine langfristige realistische Antwort auf die Wohnraumproblematik liefern? Sehr wahrscheinlich nicht. Was sie aber durchaus geschafft hat, ist Hunderttausende von Menschen hinter der antikapitalistischen Forderung einer Enteignung zu versammeln. Wichtiger als die Frage, ob die einzelne Aktion etwas bewirkt, ist aber die Frage, ob sie zu einer nachhaltigen Verschiebung des gesellschaftlichen Diskurses nach links und zu einem langfristig höheren gesellschaftlichen Organisationsgrad führt. Genau das wollen wir auch mit unserer Aktion „Leben statt Leerstand“ erreichen. Ob die korrupte Regensburger Stadtregierung auf uns eingeht, ist in diesem Sinne zweitrangig. Was zählt ist, dass wir im Stadtbild präsent bleiben und eine linke Alternative aufzeigen. Was zählt ist, was wir von unten selbst auf die Beine stellen, auch wenn es nur kleine Schritte sind. Vor allem aber geht es darum, uns zu organisieren, Politik im Sinne der Mehrheit zu machen, und so eine revolutionäre gesellschaftliche Kraft aufzubauen und diesen erbärmlichen Zuständen ein Ende zu setzen!

https://www.mieterbund-regensburg.de/index.php/entwicklung-der-basismieten
https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Verdienste/Realloehne-Nettoverdienste/Tabellen/nominalloehne.html;jsessionid=4D094997F29C210F99D35A5BFD08024E.live731
https://www.zeit.de/wirtschaft/2019-12/mietbelastung-mietpreise-einkommen-wohnen-deutschland


Mitschnitt der Rede auf der Gesamtkunstgebung

Kommentar abgeben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert