Kundgebungsreihe "Protestieren statt frieren!":
Was hat sich seit einem Jahr und seit wir Kundgebungen machen verändert? – Siko

Mottofahne des Bündnisses Protestieren statt frieren

Mottofahne des Bündnisses Protestieren statt frieren, Foto: Herbert Baumgärtner

Was hat sich seit einem Jahr und seit wir hier Kundgebungen machen verändert?

Die von Bundeskanzler Scholz angekündigte „Zeitenwende“ hin zu Aufrüstung und Militarisierung einhergehend mit der Abkehr von Klimaschutz, Verbesserungen in der Sozialpolitik, Gesundheitspolitik, Bildungspolitik usw. ist eingetroffen. Einhergehend mit einem Schulterschluss zwischen der Regierung und einem Großteil der Medien für Kriegstreiberei. Zugleich werden alle, die sich für Friedensverhandlungen stark machen, die ein Ende von Waffenlieferungen und Krieg fordern, diffamiert, jegliche kritische Position soll mundtot gemacht werden.

Militarisierung

Über Nacht wurden 100 Milliarden Sondervermögen beschlossen. Eine angeblich kaputtgesparte Bundeswehr sollte endlich ihr „notwendiges Material“ bekommen. In kurzer Zeit hat Deutschland geschafft, den weltweit drittgrößten Rüstungsetat zu verabschieden. Die Profite und Aktien der Rüstungsbetriebe sind in die Höhe geschossen. Die Kritik an der Waffenschmiede Deutschland ist um so wichtiger geworden.

Das Ziel der NATO, dass jedes Mitglied 2% des Bruttoinlandsproduktes für „Verteidigung“ ausgeben soll, steht jetzt nicht mehr zur Debatte. Noch 2019 verkündete der damalige SPD Vize Ralf Stegner “Wir haben in Deutschland andere Sorgen als sinnlose Aufrüstung”. Aber damals war die Welt ja noch in Ordnung und Deutschland musste keinen Krieg gegen Russland führen. Inzwischen heißt es schon von Pistorius, dass „die 100 Milliarden nicht reichen werden“. Und die NATO verkündet, dass auch das Zwei-Prozent-Ziel nicht reicht.

Heute wird sogar von der Wiedereinführung der Wehrpflicht gesprochen. Diese Vorstöße von dem neuen Verteidigungsminister und Strack-Zimmermann hängen mit der Militarisierung zusammen. Die Debatte versetzt uns um Jahrzehnte zurück und wir müssen gegebenenfalls die Kämpfe, die von 1956 bis 2011 dagegen geführt wurden, reaktivieren. Jede Zwangsrekrutierung ist eine Menschenrechtsverletzung und ein Akt der Gewalt. Egal, ob in Russland, der Ukraine oder in Deutschland.

Waffenlieferungen

Die Eskalationsspirale läuft. Wurde vor einem Jahr noch prinzipiell darüber diskutiert, ob überhaupt Waffen geliefert werden sollen oder ob das nicht schon eine Kriegsbeteiligung darstellt, ging dann alles ganz schnell von Helmen zur Munition, Waffen, Drohnen, … bis hin zu Panzerlieferungen.

Sobald der Westen Zusagen an die Ukraine gemacht hat, fordert die Ukraine die nächste Stufe. Kampfjets, Kriegsschiffe, U-Boote, Langstreckenraketen.

Jede neue Stufe wird zuerst einmal von den Verantwortlichen dementiert, zugleich wird aber der Diskurs bewusst erweitert – und irgendwann wird das, was zuerst strikt abgelehnt wurde übernommen und geliefert. Der Großteil der Medien übernimmt eine aktive Rolle in der Kriegstreiberei. Ende Januar schrieb zum Beispiel die FAZ „Nach dem Leopard ist vor dem Tornado.“

Sanktionen

Sanktionen treffen vor allem Unbeteiligte. Die Staaten im globalen Süden leider unter den Sanktionen gegen Russland. Das wird billigend in Kauf genommen.

Wir möchten das an 2 Beispielen darstellen: dem Erdgasmarkt und Düngemitteln.

Laut Afrikanischer Entwicklungsbank fehlen 2 Millionen Tonnen Düngemittel. Das könnte zu einem Einbruch der Agrarproduktion um 20 % führen.

Zahlungskräftige Staaten Europas haben auf dem LNG Weltmarkt alles gekauft, was sie nur kriegen konnten. Für den Rest der Welt stehen jetzt statt 4/5 nur noch 2/3 des LNG zur Verfügung. Zum Beispiel musste Indien seine Einfuhr um 17 %, Pakistan um 18 % senken. Und das, was sie bekommen, ist nur zu horrenden Preisen zu haben.

Kein Wunder, dass sich die Staaten des Globalen Südens der westlichen Sanktionspolitik verweigern. Als Antwort darauf erhöhen diese den Druck gegen die Staaten, die nicht bereit sind ihre Sanktionspolitik mitzutragen.

Uns ist es wichtig bei der Kritik an den Sanktionen nicht nur die Preissteigerungen bei uns im Kopf zu haben, sondern genau diese weltweiten Auswirkungen.

Energie

Bedingt durch die Sanktionen gegen Russland musste schnell von überall auf der Welt Energie importiert werden. Egal mit welchen Auswirkungen für die Umwelt und egal zu welchem Preis. Flüssiggas haben wir vorhin schon erwähnt, da spielt es plötzlich keine Rolle mehr, ob es durch Fracking gewonnen wird. Und auch die Menschenrechtslage oder gar die Beteiligung an völkerrechtswidrigen Angriffskriegen wie gegen den Jemen wird nicht kritisch hinterfragt.

Statt Geld und Kraft in die Abkehr von fossilen Energien zu stecken, wird weiter Kohle verbrannt. Der schmutzige Deal zwischen RWE und Regierung für den Abbau von Kohle, bei dem Lützerath geopfert wurde, bedeutet, dass die Pariser Klimaziele nicht mehr erreichbar sind. Außerdem wurde 2022 8 % mehr Steinkohle importiert

Verkehrswende

Das gleiche Spiel bei der Verkehrspolitik. Eine Wende ist nicht zu erkennen. Autobahnen werden weiter munter ausgebaut und der Individualverkehr wird gefördert. Die angebliche Lösung, Elektroautos, ist Augenwischerei. Es bräuchte einen radikalen Schnitt: Öffentlichen Nah- und Fernverkehr ausbauen und Nulltarif für Alle. Stattdessen wurde die Nachfolge für das 9 € Ticket monatelang zerredet und herausgekommen sind 49 €, die sich viele gar nicht leisten können.

Armut

Da sind wir gleich beim nächsten Thema, Armut. Die hohe Inflation hat arme Menschen stärker getroffen. Denn besonders die Preise von Lebensmitteln und Energie sind gestiegen – also der Grundbedarf fürs Leben. Kein Wunder, dass die sowieso schon hohe Armutsquote in Deutschland weiter steigt. Das große Sozialprojekt der Regierung, die angebliche Abschaffung von Hartz IV, einst unter Rot/Grün eingeführt, war wie vorherzusehen eine Mogelpackung. Bürgergeld als neuer Name, 50 € mehr, was gerade mal der Inflationsausgleich ist – sonst nichts.

Es stehen auch noch die Jahresabrechnungen von Heizung und Strom aus, so dass zu befürchten ist, dass viele Menschen ihre Nachzahlungen nicht leisten können.

Unter den armen Menschen in Deutschland sind rund 3 Millionen Kinder. Aber selbst die längst überfällige Kindergrundsicherung wird wohl auch der Militarisierung zum Opfer fallen. Da bleibt kein Geld mehr übrig. Wenn Lindner jetzt sagt, „die Kinderarmut sei vor allem durch Zuwanderung gestiegen“, dann ist das blanke rassistische Hetze. Hier sollen arme Menschen gegen Geflüchtete ausgespielt werden.

Arbeitskämpfe

Es gab in den letzten Monaten einige Streiks für Lohnerhöhungen, um wenigstens die horrenden Preissteigerungen für Arbeitnehmer*innen aufzufangen. Das wären noch lange keine tatsächlichen Lohnerhöhungen. Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter, hat nach den letzten Warnstreiks verlauten lassen: „Ein Gesetz müsse klarmachen, dass Arbeitskämpfe Ausnahmen bleiben sollen.“ Die Messer auf der Arbeitgeberseite sind also gewetzt, darauf müssen wir uns einstellen.

In England gibt es gerade schon massive Arbeitskämpfe, die sich außer für Lohnerhöhungen und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen eben gegen die Beschneidung des Streikrechts richten. In Frankreich gibt es immer wieder Massenstreiks und Demos gegen die Erhöhung des Rentenalters. Im Dezember gab es in Italien Generalstreik und Demos von Basisgewerkschaften gegen Krieg und steigende Lebenshaltungskosten und gegen die neue faschistische Regierung Meloni.

Proteste/Widerstand

Die Partei die Linke hat auf ganzer Linie versagt. Statt sich als klare Antikriegs- und Friedenspartei zu positionieren ist sie schnell eingeknickt.

Der von der Regierung gefürchtete und von uns erhoffte heiße Herbst und Winter ist ausgeblieben. Das Trostpflaster Deckelung des Gas- und Strompreises hat viele fürs erste besänftigt. Auch wenn viele wirklich gefroren haben und die Armut im Land zugenommen hat.

Unserer Meinung nach sind weiterhin explizit linke Bündnisse nötig. Widerstand braucht einen langen Atem. Für Frieden, für eine gerechte Welt. Dazu wollen wir als IKS gerne beitragen. Egal ob auf der Straße, im Betrieb, in der Kneipe, in der WG, in der Familie: Es braucht unsere klare linke Stimme!


Siko

Nach der Siko hat die Junge Welt bilanziert, dass sie in diesem Jahr zu ihren Ursprüngen zurückgekehrt sei. Während des Kalten Krieges hat sie „Wehrkundetagung“ geheißen und es wurde sich hauptsächlich innerhalb des Westens um Militär und Rüstungsindustrie abgestimmt. In den letzten Jahren hatte sie sich ein wenig geöffnet, es waren zum Beispiel Vertreter von Russland da und konnten ihre Positionen darlegen. Dieses Jahr wurde Russland selbstverständlich ausgeladen und es gab einzig eine Rede des Chinesen Wang Yi, die eine andere Sichtweise auf die Welt dargestellt hat. Stattdessen ging es wie in den Anfängen um Militärisches, um Rüstung, um die Aufrüstung der Ukraine. Kurz zusammengefasst: Es ging um Waffen, Waffen, Waffen.

Was hinter den Kulissen gehandelt, geredet wurde, können wir nicht 1:1 erfahren. Aber wir können nach unseren Informationen beurteilen und kommentieren. Wir haben erfahren, dass sich die Menschheit keine Hoffnung machen braucht, dass dieser Krieg, der vor einem Jahr begonnen hat, bald zu Ende gehen könnte. Statt über Verhandlungen und einen Waffenstillstand zu reden wurde Öl ins Feuer gegossen.

Man redet nicht mehr über Waffen zur Verteidigung oder Kurzstreckenraketen, gepanzerte Fahrzeuge – sie sind alle samt Leopard durch. Man redet heute von der Forderung nach Langstreckenraketen, U-Booten, Kampfjets nach völkerrechtlich geächteten Phosphorbrandbomben und Streumunition. Es wird nicht laut gesagt, aber wir wissen, dass das Ziel dieses Krieges die Vernichtung von Russland ist. Macron hat es indirekt zugegeben als er folgendes sagte: „Ich denke nicht wie manche, dass Russland vollständig besiegt und auf seinem Boden angegriffen werden sollte.“ Russland weiß das natürlich auch. Deswegen hat Putin eine Woche nach der Unsicherheitskonferenz seinerseits einen Kanister Benzin ins Feuer gegossen. Russland setzt seine Teilnahme am “New Start”-Vertrag aus, der die strategischen Atomwaffenarsenale Moskaus sowie der USA begrenzt. Der Eskalation steht nichts im Wege. Manche Kommentatoren sagen es ist 5 vor 12 vor einem Atomkrieg. Das interessiert die Herrschenden aber nicht.

Die westlichen Herrschenden haben immer noch Hoffnung, dass die Massen noch nicht so weit sind und gegen den Krieg und seine Folgen auf die Straße gehen. Aber sie irren sich hoffentlich. In Frankreich, in England sind Millionen im Ausstand. Momentan geht es um Lohnerhöhungen, Streikrecht und Rentenkürzungen. Aber nicht nur. Demnächst werden sie wegen der Ursachen auf der Straße sein. In Deutschland gibt es langsam Bewegung durch erste Warnstreiks für Löhnerhöhungen. Flughäfen wurden für einen Tag lahmgelegt. Und das zu Beginn der Siko. Aber – typisch Deutschland – die Gewerkschaftsführung hatte früh vereinbart, dass die für die Siko wichtigen Maschinen natürlich abgefertigt werden und in München landen können. Hier gibt es viel Luft nach oben an konsequenten Streiks. An Streiks, die über das Ziel einer Lohnerhöhung hinausgehen. Auch dafür müssen wir kämpfen.

Zurück zur Siko. Im Vorfeld musste sich Scholz bei einem Besuch in Brasilien anhören, dass Brasilien sich weiterhin weigert der Sanktionsfront gegen Russland beizutreten und stattdessen Verhandlungen fordert, sich dafür auch anbietet. Die deutsche Presse ist natürlich darüber hergefallen. Vor der Konferenz hatte der Leiter Chrisopher Heusgen erklärt, es sei wichtig, den globalen Süden, der im Ukrainekrieg den Westen nicht unterstützt, einzubinden. Die angebliche Einbindung hat dann so ausgesehen: Die G7 haben allen Staaten, die ihren Russlandsanktionen zuwiderhandeln mit hohen „Kosten“ gedroht. Die alten Kolonialmächte mögen es nicht, wenn andere Länder frei agieren.

China, der weitere Feind des Westens, vor allem der USA, hat auf der Siko eine neue Initiative für ein Ende des Ukrainekrieges angekündigt. Inzwischen fanden erste Treffen in Moskau statt und es wurde eine Agenda vorgelegt. Das passt nun gar nicht in die Pläne des Westens.

Wir waren bei den Protesten zur Antisicherheitskonferenz in München. Selbstverständlich haben wir uns der linken Demo angeschlossen. Vielfach wurde in den Medien behauptet, dass die Forderungen von „München steht auf“, ein Zusammenschluss gegen die Coronamaßnahmen, und unserer Kundgebung gleich gewesen seien. Dem möchten wir entschieden widersprechen. Der Ruf nach Verhandlungen und einem Ende der Waffenlieferungen allein ist zu kurz gegriffen. Wenn bei „München steht auf“ Faschisten willkommen sind, wie die 200 AfDler, die dazugestoßen sind, wenn dort Deutschlandfahnen wehen, dann wissen wir, dass es dort um nationale Interessen geht. Deutschland zuerst, Schaden von Deutschland abwenden und Amerika als übermächtiger Feind. Nein! Das lehnen wir entschieden ab. Niemals werden wir eine Querfront mit Faschisten und Nationalisten bilden. Unser Protest muss antifaschistisch und internationalistisch sein. Und genau das war unsere Demo. Allein die Redner*innen kamen kamen aus verschiedensten Ländern und haben ihre linke Sichtweise dargestellt.

Für uns heißt das, wir nehmen hin, dass wir weniger sind, aber weniger mit klaren linken antifaschistischen internationalistischen solidarischen Positionen.

Hoch die internationale Solidarität!

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