Haus der Bayerischen Geschichte:
UNHEIMLICH bayerisch

Haus der Bayerischen Geschichte

Der geschlechtslose bayerische Löwe

Die Münchner Carl Blauhorn und Wolfram Kastner statteten dem Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg einen Besuch ab. Wir freuen uns, dass sie uns an ihren Eindrücken teilhaben lassen.

Das muss man gesehen haben, wie im neuen grauen „Mia samma miau“-Museum zu Regensburg an der Donau die Geschichte staatsbayrisch auf CSU-Linie getrimmt wird. Regensburg ist eine Reise wert, ob das Museum den Wert erhöht, ist zweifelhaft. Beachtlich ist jedenfalls, wie mit vielen Millionen die Geschichte Bayerns höchstoffiziell und staatsgetragen abgehandelt wird.

Vielleicht sollte man die Besichtigung des Museums am Ende des Rundgangs beginnen und das hochfahrende rautierte Foyer mit dem geschlechtslosen Löwenbräulöwen rasch nach ganz oben verlassen. Da erwartet die Besucher dann sofort das erhellende riesige Logo der Staatspartei und der brüllende Atomkraftmeier Strauß, Franz Josef. Von da geht es dann zurück bis zu den Ölschinken der Ludwige, mit denen die Geschichte Bayerns rückwärts gewandt kulminiert.

Der größte Raum des Museums ist natürlich dem Auto gewidmet. Wer hätte anderes erwartet? Schließlich ist das die höchste bayerische Kulturleistung und es gibt ja auch eine ganze Reihe bayerischer Autominister. Ein auf Hochglanz poliertes Geschwader von bayerischen Personenkraftwagen ohne jeden historischen braunen Rostfleck. Himmlisch, überirdisch, volksnah, rüstungs- rost- und problemfrei. Immerhin ist eine ganze Strecke den „Gast“arbeitern gewidmet, natürlich nicht den Zwangsarbeitern. Der Nazibunker unter dem Hauptbahnhof, kalt, feucht und fensterlos erscheint als Empfangshalle. Da wurden die „Makaronifresser“ eingebunkert bis zu ihrem Weitertransport nach Stuttgart zu Daimler, nach Wolfsburg zu VW, in den Ruhrpott und zu BMW und Siemens. Aber das ist eine andere Geschichte.

Haus der Bayerischen Geschichte

“Bayern ist ein irdisches Paradies”?

Sehr schön ist die Sammlung ausgestopfter Tiere in einer südbayerischen Landschaft mit Gams und Auerhahn. Die durch die bayerische Landwirtschaft dem Aussterben anheim gefallenen oder fallenden Viecher haben da zu wenig Platz. Probleme mit der Landwirtschaft gibt es bekanntermaßen in Bayern nicht und folglich auch nicht im Museum.

Klar ist selbstverständlich, dass „MIA SAN MIA“ in Verbindung mit dem einzigen bayerischen Fußballverein ein wahres Hochlicht des Museums werden musste. Mit Frank Ribery usw. aber ohne die Geschichte des jüdischen Präsidenten Landauer und ebenso selbstverständlich spielen in der bayerischen Sportgeschichte der FC Nürnberg, FC Augsburg oder Jahn Regensburg eine total zu vernachlässigende Rolle.

Fußball ist echte bayerische Volkskultur und ein reiner bayerischer Volkssport, was man von Literatur, Film und Bildender Kunst wirklich nicht sagen kann. Da sind die Einschaltquoten wesentlich niedriger, als gehören der Blaue Reiter, Kandinsky, Marc und Gabriele Münter nicht ins Geschichtsmuseum, ebenso wenig wie Bertolt Brecht, Lion Feuchtwanger, Marie-Luise Fleisser, Mühsam, Koeppen, Erich Kästner oder gar so unbedeutende Filmemacher wie Fassbinder, Herbert Achternbusch, Herzog. Das wäre ein anderes Bayern, als sich bayerische Ministerpräsidenten, Heimatminister und Staatsausstellungsdirigenten wie Herr Loibl das wünschen und vorstellen.

Museologisch besonders gelungen ist das Arrangement von 20 Sammelbüchsen des NS-Winterhilfswerks, das hat optischen und informatorischen Tiefgang. Da muss der Widerstand gegen das Nazi-Verbrecherreich auf der Rückseite etwas kurz kommen und das letzte Flugblatt der Weißen Rose so weit hinter einer Glasscheibe liegen, dass man es nur mit einem Fernglas lesen könnte. Widerstand von Sozialdemokraten, Kommunisten, Gewerkschaftlern und anderen mutigen Menschen hat folglich gar keinen Platz. Hinter einer weiteren Glasscheibe ist eine Fotografie von Oskar Maria Graf in Lederhose links, und seine Lederhose unten und Adolf Hitler in Lederhose rechts zu sehen, womit beide zumindest lederhosenmäßig einander nahe gebracht werden.

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Kontextualisierung No. 1: Kurt Eisner in einer Reihe mit seinem Attentäter Graf Arco

Kurt Eisner wird in einem Text als „Berliner Jude“ charakterisiert, was sicher nicht der antisemitischen Hetze von Kardinal Faulhaber, dem Mörder Arco und anderen Demokratiefeinden gleichzusetzen ist. Man hätte ihn, der nie einer jüdischen Gemeinde angehörte und als Sozialdemokrat, Pazifist, Redakteur, Schriftsteller und politischer Aktivist wirkte, als solchen bezeichnen können, aber das wäre vermutlich zu aufwändig gewesen. Stattdessen wird er in einer Bildsequenz zusammen mit seinem Gegner Auer und seinem Mörder Arco unter „Gesichter der Revolution“ eingereiht. Das ist nun wirklich eine herausragende Kontextualisierung! Wichtig ist die Bemerkung, dass Eisner nichts von den marktorientierten oder heutigen inhaltsreichen Wahlwerbekampagnen verstand und gegen die Hetze von konservativer bis reaktionärer und kirchlicher Seite machtlos war (was aber nicht erwähnt wird). Schade dass die Pistole, mit der Eisner ermordet und die kürzlich anonym aus bayerischen Adelskreisen angeboten wurde, noch nicht im Museum bewundert werden kann.

Sogar Ernst Toller wird im Gegensatz zu Erich Mühsam erwähnt, zwar nicht als der bedeutendste deutsche Theaterschriftsteller der 20er und 30 Jahre – aber immerhin.

Ein wunderbarer Ersatz für die bayerische Kabarett-Szene (wie z.B. das Scharfrichterhaus in Passau, Sigi Zimmerschied, Polt u.a.) ist ein Arrangement hinter einer weiteren Glasscheibe mit dem zentral präsentierten Faschingskostüm des amtierenden bayerischen Ministerpräsidenten, flankiert von Figuren der Augsburger Puppenkiste und dem Kostüm von Luise Kinseher, das sie bei ihrer epochalen Nockherberg-Rede trug. Damit ist der Humor in Bayern wahrlich symptomatisch und umfassend dargestellt.

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Kontextualisierung No. 2: Eingang zum KZ Dachau neben anderer architektonischer Großtaten

Sehr ästhetisch und wirklich gelungen sind die weißen Modelle des Eingangstors zum KZ Dachau, des Schlosses Neuschwanstein, der Nürnberger Kaiserburg u.a. repräsentativer Gebäude in einer eindrucksvollen musealen Komposition auf demselben Niveau.

Auch die „Lage der arbeitenden Klassen in Bayern“ wird in einem kleinen Foto berücksichtigt und es hätte die Ausstellungsmacher bayerisch gnadenlos überfordert, mehr davon sichtbar und nachvollziehbar zu machen, was Bruno Schoenlank 1886 in seinem gleichnamigen Buch aus den Berichten der bayerischen Fabriksinspektoren zusammenfasste.

Wenn man also rückwärtsgewandt durch die Ausstellung wandert, landet man schließlich bei den erhabenen öligen Porträts unserer vielgeliebten monarchischen Häupter, zu denen der Markus S. (ein Nürnberger Evangele?) so gerne gehören täte. Und in einem ganz besonders publikumswirksamen Raum, in dem schriftdeutsche Begriffe und Redewendungen in unser allseits geliebtes (ober)Bayerisch transponiert werden, wie beispielsweise „Wie bitte?“, das im Museumsbayerischen kurz und bündig „Ha?“ lautet.

Da freut sich das bayerische und internationale Publikum, lacht bajuwarisch und bayert gerne ein bisschen mit.

Kommentare

  1. Jürgen

    Sorry, auch hier bin ich nicht unbedingt der Meinung.

    Beim Geschmack ist man bekanntlich nicht einstimmig, allerdings sehe und denke ich, daß diese Architektur wenigstens nicht eintönig und langweilig ist. (- mit Ausnahme des Goldspermiums – das muß einfach Kunst sein, häßlicher, geschmackloser und deplatzierter geht wohl kaum..)

    Zur Architektur?
    Siehe Dörnberg, Burgweinting neu, Brandlberg, Schlachthof, Maxstraße, Neupfarrplatz uswuswusw…

    Einzig der Ort für dieses “Museum” ist vielleicht nicht günstig gewählt.
    Beim aktuellen Fußballstadion oben wäre Platz gewesen, es würde sich nicht so aufdrängen (und vollstopfen).

    Allerdings:
    in heutiger Protest-, Empör- und Beschwerdezeit würde auch kein Dom und keine Steinerne mehr gebaut.
    Sofort gäbe es ein Dutzend BI’s, die entdecken, daß ein seltenes Sumpffroschpärchen da wohnt.
    Und der Fischer Maier ja schließlich 2x im Monat sowieso über die Donau schwimmt.

    Aktuell dazu die Diskussion über die Rad- und Fußgängerbrücke von Weichs zum Gries.
    Um Gottes Willen, diese schrecklichen Rampen, und bloß wegen Rollis, Kinderwagenschiebern und Radlfahrern!
    Da müssten doch 23 Gänseblümchen in einem ganz anderen Winkel wachsen!
    Das geht nicht!
    ? Ich würd’ mich (als Fußgänger und Radlfahrer) freun’. !
    Schneller, schöner und gesünder durchs Grün und übers Wasser (landschaftlich seit dem Kanal eh nicht mehr erbaulich), als über 2 Brücken durch Stadtamhof (min. 1-2 km) oder über die Delikatesse ehemalige Adolf-Hitler-Brücke…

    Grüße

  2. Jürgen

    Mein Senf, Teil 2

    Bin leider nur auf die Äußerlichkeit der Architektur eingegangen und habe dabei leider den eigentlichen Kern bzw. Inhalt der Museumskritik ignoriert.

    Dazu gibt es eigentlich nur zu sagen: absolut perfekte Darstellung mit Biss und Ironie.

    Aber schließlich gibt es doch im Mia-san-mia-Freistaat doch auch keine wesentlichen Inhalte mehr
    zu erwähnen.
    Die Könige Ludwig und Franz-Josef, BMW und der FCB, das muss doch zur Volksbelustigung langen!

    Und außer Oktoberfest, BMW und den Schlössern gibt es ja auch nicht viel sehens- und somit darstellenswertes in unserem Ländchen, wenn man die ganzen Kleinigkeiten und sei es nur der bay. Wald, die Geschichte, Dialekte, unterschiedlichen Völker, Bezirke, Städte und deren Entwicklung usw. noch einbauen hätte müssen:
    Dazu bräuchte man ja mindestens ein Messegelände mit Disney- (besser: Bier- und Weißwurst-) Park.

    Schließlich schafft es ja nicht einmal das städt. Museum, außer den Römern, ein paar alten Büchern und Bildern, dazu noch ein paar Theologen etwas aus der tatsächlichen Geschichte auch nur der Stadt zu präsentieren.
    (Und seien es hier nur Auszüge aus dem jahrhundertelangen Leben und Wirken der jüdischen Bürger, vom Mittelalter über Neupfarrplatz bis zum Colosseum als AKDO Flossenbürg, als täglich diese wie Sklaven über die Steinerne ins Messerschmittwerk zur Arbeit getrieben wurden.)

    Warum sollte sich also ausgerechnet das neue CSU-Präsentationsgebäude mit solch Nebensächlichem beschäftigen? Das Wichtigste für Touristen wurde doch zusammengefasst!

    Und Widerstand oder eigene Meinung und diese vertreten, das ist nicht bayrisch!

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