Solidaritäts-Vernissage für Solizimmer:
Über beide Ohren müde, aber glücklich!

Viele Menschen, viele gute Gespräche und Begegnungen. Und sogar das Wetter spielte mit. Das Team der Arbeitsgruppe Bürger*innenasyl (BüSyl) zieht ein positives Resümee über ihre erste Solidaritäts-Vernissage für ein Solizimmer.

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Foto: Herbert Baumgärtner

Afrika als Kuchen

Eröffnet wurde die Solidaritäts-Vernissage von der ausstellenden Künstlerin Carolin Schiml. Sie wies auf die Situation geflüchteter Menschen hin, insbesondere von Schutzsuchenden, die nicht aus der Ukraine stammen. Während der Westen sich zwar gerne die Güter dieser Länder aneignet, will er von den Menschen, die von dort kommen, nichts wissen. Sie hatte einen Kuchen in der Form von Afrika gebacken und forderte die Anwesenden auf, sich ein Stück herauszuschneiden. Zwar folgten viele ihrer freundlichen Einladung, aber es war allen anzusehen, dass sie äußerst zwiespältige Gefühle beim Kauen des übrigens sehr guten Kuchens hatten.

Das war natürlich auch eine Intention, die hinter der Idee zur Solidaritäts-Vernissage stand. Die Ausstellung mit dem Titel „Die Würde des Menschen ist antastbar – Flucht und Solidarität“, sollte neben der Idee des Solizimmers und des Bürger*innenasyls auch über die Ursachen für Vertreibungen und das Schicksal von Vertriebenen aufklären und sensibilisieren.

So waren zwischen den Ausstellungsbildern einer Vielzahl von Aushängen platziert auf denen beispielsweise an die Tausende von Toten im Mittelmeer erinnert wurde, die Opfer des unmenschlichen, europäischen Grenzregimes sind. An einer interaktiven Wand konnten Fragen beantwortet werden, wie würdevoll Geflüchtete in Deutschland behandelt werden, vom System und von den Menschen oder ob mensch selbst bereit wäre, Schutzsuchende aufzunehmen, für eine Woche, einen Monat.

Zusätzlich hatte das Bündnis gegen Abschiebelager (BgA) sowie der Bürgerinitiative Asyl (BI Asyl) an ihren Infotischen eine Fülle von Material ausliegen. Fragen von Besucher*innen beantworteten sie ausführlich und kompetent.

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Neben BüSyl boten auch das Bündnis gegen Abschiebelager (BgA) und BI Asyl vielfältige Informationen, Foto: Herbert Baumgärtner

Berührende Kunst

Offensichtlich hat gerade die Kombination von Information und ausdrucksstarker Kunst viele Menschen berührt. Etliche Künstler*innen hatten eigens für die Ausstellung thematisch passende Werke erstellt. So malte die Künstlerin Tamira Unger Menschen auf der Flucht, Carolin Langes Bild „Raue See“ zeigt angespülte Rettungswesten und Schwimmreifen, Benedikt Greil griff die „Werte“ der Flüchtlingsabwehrorganisation Frontex an, Isabell Döllinger präsentiert einen namenlosen Soldaten zum Zombie verzerrt, der an Fäden hängt. Marianna Haas fertigte Drahtskultpuren an, die unter einem Aktenberg, der auf die behördlichen Hürden für Geflüchtete anspielt, förmlich zusammenbrechen. Die Künstlerinnen Kathi und Kayla positionieren ein Kind mit einem Kopfschmuck aus echten Margeriten inmitten einer Bombenlandschaft. Die Künstlerin Zoe konstatiert „Waiting for Peace“. Josef Stefan Zahlauer erklärt mit einem abstrakten Bild, aber mit dem eindeutigen Titel „recinzione – Zaun“, um was es geht. Selbsterklärend ist Eleonore Gleichs Bild „Zerstörung“. Wanda Stummer schließlich zeichnete ein Bild, das sich selbst bzw. das Leben zeichnet. Das Leben zeichnet Verletzungen ins Gesicht, die niemand mehr wegradieren kann.

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Gerade für thematisch an den Ausstellungstitel angepasste Bilder eignet sich die Abbruchhalle in der ehemaligen Kaserne besonders gut, Foto: Herbert Baumgärtner

Andere Künstler*innen machen etwas verstecktere Anspielungen. Marie-Luise von Kamp setzt verwehte Luftballons in blau und gelb ins Bild. Nadine Bovenkamp verwendete verwehte gelb-weiße Blüten vor blauem Hintergrund. Melanie entschied sich für die Form des Tryptchons und zeichnete über die drei Elemente hinweg einen goldenen, aber zerklüfteten Pfad, der für vieles, aber eben auch für den zerklüfteten und schweren Weg Schutzsuchender stehen kann. Alice Rudolf-Hinse stellt mit ihrem Frauenportrait die Frage „Coming or going? – Kommst Du oder gehst Du?“ und erinnert damit an Entwurzelung und Heimatverlust.

Doch auch Hoffnung ließen viele Bilder erkennen. Laura Kopold präsentierte ein kunstvolle Fotografie eines von einer Hand beschützten Kerzenlichts, Barbara Bacher zeigte ihre Skulptur „Lichtblick“, Caro Schöttl gestaltete eine „Antastbare“, die menschliche Zuneigung sichtlich genießt und Carolina Feistl gab mit ihrem Bild „Kraft“ den Betrachtenden wieder Power. Rosa Lutz-Teply setzt dem Schrecken wunderschöne Blumen gegenüber. Und Marion Knapp malte eine offene, lichtdurchflutete Tür in ein heimeliges Zimmer.

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Foto: Herbert Baumgärtner

Statistik

Über den ganzen Nachmittag verteilt besuchten gut über 100 Interessierte die Solidaritäts-Vernissage. Das ist ein schöner Wert angesichts des doch etwas abgelegenen Ausstellungsortes, der ehemaligen Prinz-Leopold-Kaserne. Insgesamt 24 Künstler*innen stellten aus. Von den insgesamt 56 Exponaten (48 Bilder, 3 Skulpturen, 5 Kleider) wurden 20 Werke verkauft, was 36 % entspricht. Bei einem ersten Kassensturz kamen knapp 1500 Euro an Einnahmen aus Verkauf, Catering und Spenden zusammen. Damit ist die AG BüSyl zufrieden, auch wenn damit “nur” knapp 4 Monate Solizimmer finanziert sind. Die Gruppe hofft auf solidarische Menschen, die durch die Ausstellung angeregt einen Dauerauftrag für das Solizimmer einrichten. Schon 5 Euro monatlich wären eine große Hilfe.

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Zwischen Künstler*innen und Besucher*innen ergaben sich viele anregende Gespräche

Resümee und Ausblick

Insgesamt scheint das Konzept, besondere Kunst zu zeigen zu einem erschwinglichen Preis (maximal 100 Euro) funktioniert zu haben. Viele Käufer*innen verliebten sich regelrecht in ihre Erwerbungen und waren glücklich, diese besondere Kunst fernab der üblichen Galeriepreise erwerben zu können. Auch war überwiegende Publikum da, das wahrscheinlich eher selten in Galerien geht.

Leider wurde nicht alles verkauft, obwohl nach Überzeugung der Gruppe jedes Kunstwerk der Solidaritäts-Vernissage einen eigenen Ehrenplatz in einem neuen Heim verdient hätte. Das mag auch daran gelegen haben, dass die Ausstellung nur 4 Stunden dauerte und sich Käufer*innen von Kunst manchmal eine Anschaffung etwas länger durch den Kopf gehen lassen wollen.

Deshalb wird zum einen die Ausstellung auf der Homepage verlängert und ausgebaut. Zum anderen sollen diese Werke in regelmäßigen Abständen im Rahmen eines besonderen Events oder Örtlichkeit präsentiert werden. Diesbezüglich kamen von den Besucher*innen und Künstler*innen schon viele Anregungen, z.B. eine Ausstellung in einer der leider sehr zahlreichen, gewerblichen Leerstände in der Stadt durchzuführen.

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Besuchende nutzten mitunter die Gelegenheit, sich selbst von den anwesenden Künstler*innen als Kunstwerk stilisieren zu lassen, Foto: Herbert Baumgärtner

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