Flugblattverteilung der AfD in Regensburg:
Strafanzeige wegen Volksverhetzung

Unter dem Eindruck des Terroranschlags von Hanau, beschloss das Bündnis “Solidarische Stadt Regensburg” Strafanzeige wegen Volksverhetzung gegen die Herausgeber*innen eines Flugblattes zu stellen, das von der AfD am 05.11.2019 auf dem Regensburger Domplatz verteilt wurde. Wir dokumentieren die Anzeige, die von einem Aktivisten von Solidarische Stadt Regensburg eingereicht wurde.

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Infostand der AfD mit Motiv „SICHERE STÄDTE STATT „SICHERE HÄFEN“!“ auf Rollup

Strafanzeige gegen:
– Frau Katrin Ebner-Steiner
sowie
– Herrn Prof. Dr. Ingo Hahn

beide zu erreichen unter:
Maximilianeum
81627 München

wegen Volksverhetzung (§ 130 StGB)

Sehr geehrte Damen und Herren,

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Verteilung durch älteren Herrn

Am 05.11.2019 war ich auf dem Weg vom alten Kornmarkt zum Domplatz. Dort war ein Infostand der Partei AfD aufgebaut. In einiger Entfernung dazu fand eine Gegendemonstration statt.

Kurz nach der Unterführung zum Domplatz wurde ich von einem älteren Herrn angesprochen, der mir ein Flugblatt mit der Frage überreichte, ob ich auch möchte, dass die Städte wieder sicherer werden. Ich bejahte dies und fügte an, dass für dieses Ziel rechte Straftaten nachdrücklicher verfolgt werden müssten als bisher. Denn diese haben inzwischen ein beängstigendes Ausmaß erreicht und sind weiter im Steigen begriffen, während die Straftaten der übrigen Bevölkerungsgruppen sinken.

Dem widersprach die Person mit schlesischem Akzent vehement und behauptete, die Städte würden unsicher durch „Flüchtlinge“, die Kriminalität ins Land bringen würden. Als ich ihn fragte, wie er darauf komme, sagte er, das stehe im „Internet“. Daraufhin kam er auf die Gegendemonstranten zu sprechen, die er als „Terroristen“ bezeichnete, die noch nie Steuern gezahlt hätten. Auf meine Frage, woher er das nun wieder wisse, gab er eine ausflüchtige Antwort und wandte sich anderen Personen zu.

Ich schaute mir daraufhin das Flugblatt mit dem Titel „SICHERE STÄDTE STATT „SICHERE HÄFEN“!“ genauer an und stellte mit Entsetzen fest, dass hier, mitten in unserer Stadt auf einem zentralen Platz, offensichtliche Hasspropaganda verteilt wurde. Ich fühlte und fühle mich besonders betroffen und angegriffen, da das Bündnis „Solidarische Stadt Regensburg“, bei dem ich mitwirke, 2018 erreichen konnte, dass der Stadtrat Regensburg zum „Sicheren Hafen“ erklärte und öffentlich anbot, mindestens 100 weitere Gerettete aus der Seenotrettung freiwillig aufzunehmen.

Zudem organisierte Solidarische Stadt Regensburg im Frühjahr 2019 eine gut besuchte Seebrücken-Demo. Motto: „Seebrücke! Schafft sichere Häfen! – Nicht noch ein Sommer der Toten!“. Auch die bundesweite Bewegung „Seebrücke“ wird in dem Flugblatt der AfD angegriffen.

Schließlich konnten wir mit unserer Aufklärungsarbeit über die Regensburger Milliardärin Frau Gloria von Thurn und Taxis erreichen, dass die Popgruppe „Revolverheld“ 2019 ihre Gage an die Regensburger Senottrettungsorganisation Sea-Eye spendete, womit eine Woche Seenotrettung finanziert werden konnte. Auch die Seenotrettung wird in dem Flugblatt in übelster Weise diskreditiert.

Volksverhetzung

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Ebner mit Regensburger AfD-Vorsitzenden Erhard Brucker, der ebenfalls verteilte

Der Volksverhetzung schuldig nach § 130 StGB macht sich, wer eine abgrenzbare Gruppe beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet. Und zwar in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

Geflüchtete

Alle Kriterien für eine Volksverhetzung liegen vor. Es handelt sich um zwei abgrenzbare Gruppen, gegen die im Flugblatt Hass gestreut wird. Zum einen die Gruppe der Geflüchteten. Sie wird mit den Bezeichnungen „Migranten“, „Wirtschaftsmigranten“ und „Asylbewerber“ kenntlich gemacht.

Schon im Titel wird ein direkter, perfider Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Geflüchteten und einer Zunahme von Unsicherheit gezogen:

„SICHERE STÄDTE STATT „SICHERE HÄFEN“!“

Ohne irgendeine seriösen Grundlage oder auch nur dem Hauch eines Beweises wird unterstellt, ihre Anwesenheit

„bringt uns in Gefahr“.

Diese angebliche Gefahr wird konkretisiert mit der Formulierung

„inklusive des ein oder anderen Machetenmörders“

sowie der Forderung

„Waffenverbot für Asylbewerber“.

Das einzige „Argument“, welches im Flugblatt als Begründung für die „Gefahr“ angeführt wird, ist eine angebliche

„Umsiedlungsmaschinerie“.

Damit wird direkter Bezug auf eine rechtsextremistische Verschwörungstheorie genommen: Angeblich gebe es einen von oben geplanten „Großen Austausch“. Weiße Deutsche sollen gegen muslimische oder nicht-weiße Einwanderer ausgetauscht werden. Das Ziel sei die Vernichtung des deutschen Volkes.

So wirr diese These auch ist, so folgenreich ist sie. Alle rechtsextremen Attentäter der jüngsten Vergangenheit (Lübcke, Halle, Hanau) bezogen sich direkt oder indirekt auf eine stattfindende „Umvolkung“ oder einen aktiv betriebenen „Bevölkerungsaustausch“, der von der aktuellen Politik durchgeführt werde.

Die Verantwortlichen im Sinne des Presserechts Frau Katrin Ebner-Steiner, welche die Flugblätter an dem Tag auch selbst verteilte, sowie Herr Prof. Dr. Ingo Hahn verbreiten damit eine Verschwörungstheorie, die Terroristen zu Terroranschlägen motiviert. Damit ist in erheblicher und unverantwortlicher Weise der öffentliche Friede gefährdet.

Daneben finden sich weitere, unsägliche Beleidigungen und Verleumdungen. So wird im Flugblatt die Forderung aufgestellt:

„Ausgangssperren in Ankerzentren – wir führen keine Luxusressorts!“

Diese Aussage ist von kaum zu glaubender Frechheit. Selbst der uninformierteste Mensch dürfte wissen, dass das Leben in AnkER-Zentren zu den Dingen gehört, die kein Mensch freiwillig erleben möchte. Zusammengepfercht in Mehrbettzimmer, Sammelduschen, Sammeltoiletten, ständige Kontrolle, Residenzpflicht, reduzierte medizinische Versorgung usw. sind die Eckpunkte des perspektivlosen Daseins in diesen Lagern.

„Gemeinnützige Arbeit statt Nichtstun“

Auch diese Aussage ist eine unverschämte Verleumdung und Beleidigung. Es ist Rassismus pur. Der dringendste Wunsch der Bewohner*innen von AnkER-Zentren ist Arbeit. Doch ihnen wird in aller Regel die Aufnahme einer Tätigkeit verboten. Nur kaum bezahlte, niedere Dienste im Lager sind erlaubt.

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Ebner im Interview

Die Menschenwürde der bezeichneten Gruppe wird im Flugblatt in massiver und niederträchtigster Weise angegriffen. Bei Geflüchteten handelt es sich um eine besonders vulnerable und damit zu schützende Gruppe. Die Attacken sind daher umso böswilliger.

Jedes Jahr gibt es dutzende Anschläge auf Asylbewerberunterkünfte, die von ebendiesen ekelhaften Hetzforderungen herrühren.

Unterstützer*innen

Die zweite Gruppe, die im Flugblatt in verleumderischer und hetzerischer Art und Weise angegriffen werden, sind die Unterstützer*innen von Geflüchteten.

Hier sind es besonders die privaten Seenotrettungsorganisation. Diese werden in einem Ausmaß diffamiert, wie es kaum möglich scheint. Schon in der Überschrift auf Seite 2 heißt es in Fettschrift:

„Schluss mit der Unterstützung für kriminelle Schleuser und Schlepper!“

Lebensretter*innen als „kriminell“ zu bezeichnen ist der Gipfel der Unverschämtheit. Im Text darunter ist „Seenotrettung auf dem Mittelmeer“ in Anführungszeichen gesetzt und es folgen weitere, diffamierende Bezeichnungen:

„Dubiose Nichtregierungsorganisationen“

Deren ausgebildete Kapitän*innen seien

„linksradikale Hobbykapitäne“

Desweiteren werden Städte, Gemeinden und Kommunen, die sich zu einem „Sicheren Hafen“ erklären, Seenotrettung unterstützen und bereit sind, zusätzliche Schutzsuchenden aufzunehmen, bezichtigt, sie betrieben ein

„Einschleusen von Wirtschaftsmigranten (inklusive des ein oder anderen Machetenmörders)“

Explizit wird Regensburg erwähnt. Die Regensburger Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer sah sich nach der Ausrufung der Stadt zum Sicheren Hafen massiven Anfeindungen und Hetze ausgesetzt. Laut einem Bericht des br-Magazins „quer“ vom 23.02.2020 bekam sie im Zusammenhang mit dem Moscheebau und der Seenotrettung Drohmails, in denen von „Rübe runter“, Vergewaltigung und Abstechen die Rede war.

Dieses Beispiel zeigt eindrücklich, wie sehr derartige hetzerische Flugblätter, die keinerlei Inhalt sondern lediglich Hass und Propaganda transportieren, die öffentliche Sicherheit gefährden und das Zusammenleben in unserem Gemeinwesen vergiften.

Daher erstatte ich Anzeige gegen die auf dem Flugblatt presserechtlich verantwortlichen Fraktionsvorsitzenden der AfD im bayerischen Landtag Frau Katrin Ebner-Steiner sowie Prof. Dr. Ingo Hahn. Frau Ebner-Steiner war an dem Tag persönlich anwesend und verteilte aktiv die besagten Flugblätter.

In einem TVA-Interview am 05.11.2017 bestätigte sie zudem die Aussagen des Flugblatts. Sie sagte wörtlich: „Ausgangssperren in AnkER-Zentren ab 19:00 Uhr. Denn wir wollen, dass Regensburg auch wieder sicher wird.“

Ich bitte darum, mich über die Ermittlungen auf dem Laufenden zu halten und mir das Aktenzeichen des Ermittlungsverfahrens mitzuteilen.

(Unterschrift)

 


Wir möchten auf unserer Seite kein AfD-Flugblatt veröffentlichen und auf keine AfD-Seite verlinken, auch nicht zu dokumentarischen Zwecken. Wer aber das Flugblatt sehen möchte, google sich zur AfD-Landtagsseite. Dort ist die Kampagne gegen Sichere Häfen auf der Startseite verlinkt.

Kommentare

  1. Herbert

    Das hast du wieder Super gemach und auch gut dagestellt. Deine Anzeige. Machen leider sehr wenige. Gegegen die diese Partei richtig vor zu gehen. Du bist ein alter kämfper. Und das ist gut.

  2. Markus

    No pasaran!
    Gut gemacht, Kurti!

  3. Hoffmann Alfons

    Ein Versuch ist es auf jeden Fall wert.

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