Verdrängung in Regensburg:
Staatsanwaltschaft: Urkundenfälschung war nur “erneuter Ausdruck”

Woran erkennt mensch eine undemokratische Gesellschaft? Zum Beispiel daran, wie Recht gesprochen wird. Wenn Mietenden nahezu alle Rechte genommen werden, von verweigerter Prozesskostenhilfe bis hin zur Möglichkeit der Berufung, und Vermietende sogar mit nachgewiesenem Prozessbetrug durchkommen, dann ist das ein eindeutiges Indiz für Klassenjustiz. Immerhin, da ja der Schein gewahrt werden muss, sorgen kuriose Begründungen der jeweiligen Rechtsverschwurbelung für einen gewissen Unterhaltungswert. Aus einer Urkundenfälschung konstruiert eine Staatsanwaltschaft dann eben ein “erneut aufgerufenes und ausgedrucktes Schreiben.” Ein auf der Grundlage derartiger Verschwurbelungen zwangsgeräumter Mieter (wir berichteten) hat nun Anzeige und Dienstaufsichtsbeschwerde wegen Rechtsbeugung gegen Staatsanwalt und Generalstaatsanwalt gestellt. Wir dokumentieren.

Raeumung1

An
Generalstaatsanwaltschaft München
Karlstraße 66
80097 München

An
Bayerisches Justizministerium
Justizpalast am Karlsplatz
Prielmayerstraße 7
80097 München

 

Strafanzeige wegen Rechtsbeugung und Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Nürnberger Generalstaatsanwalt H. und den Regensburger Staatsanwalt V.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit erstatte ich Strafanzeige gegen den Nürnberger Generalstaatsanwalt H. und den Regensburger Staatsanwalt V. wegen aller in Betracht kommenden Delikte. Zugleich erhebe ich Dienstaufsichtsbeschwerde beim Landesjustizministerium. Indem die beiden Staatsanwälte die Ermittlungen wegen Prozessbetrug durch Urkundenfälschung einstellten, haben sie sich jedenfalls der Rechtsbeugung gemäß § 339 StGB verdächtig gemacht.

I. Staatsanwaltschaftliche Zuständigkeit

Die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaften Regensburg und Nürnberg aufgrund von § 143 Abs. 1 S. 1 GVG i. V. m. § 7 Abs. 1 StPO entfällt im vorliegenden Fall, da die Staatsanwaltschaften als Behörde selbst involviert sind. Daher gehe ich von der Zuständigkeit der Generalstaatsanwaltschaft München für die Anzeige aus.

II. Täter

In ihrer Funktion als Staatsanwälte sind Herr H. und Herr V. taugliche Täter des § 339 StGB. Denn dieser schließt auch Staatsanwälte in der Tatbestandsvariante „andere Amtsträger“ ein (BGH 14.9.2017 – 4 StR 274/16; Uebele, in: MüKo-StGB, § 339, Rn. 12). Dies ergibt sich zum einen aus § 160 Abs. 2 StPO, wonach der Staatsanwalt ein zur Objektivität verpflichtetes Rechtspflegeorgan ist. Zum anderen im konkreten Fall, weil die beiden Staatsanwälte das Verfahren, aus dem sich der Vorwurf der Rechtsbeugung ergibt, in Händen gehalten haben.

III. Begründung

§ 339 StGB erfasst Rechtsbrüche, bei denen sich der Richter oder ein Amtsträger bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache bewusst in schwerwiegender Weise zugunsten oder zum Nachteil einer Partei von Recht und Gesetz entfernt und sein Handeln als Organ des Staates statt an Recht und Gesetz an eigenen Maßstäben ausrichtet (st. Rspr.: BGHSt 40, 169, 178; 40, 272, 283; 42, 343, 345; 47, 105, 109).

Vorliegend dürfte der Tatbestand erfüllt sein. Obwohl eindeutige, materielle und gerichtlich festgestellte Beweise für versuchten Prozessbetrug und Prozessbetrug durch Urkundenfälschung, sowie Beihilfe und Begünstigung vorliegen, werden diese geleugnet. Stattdessen werden abenteuerliche Konstruktionen angefertigt, um die Beschuldigten von Absicht und Schuld zu entlasten, während dem Opfer der Delikte Mitschuld gegeben wird. Staatsanwalt V. führt in seiner Einstellungsentscheidung vom 14.11.2020 aus,

“dass zwischen dem Anzeigenerstatter und den Beschuldigten bereits seit Jahren ein Streit über den Inhalt eines mittlerweile gekündigten Mietverhältnisses besteht.”

Diese Darlegung unterschlägt, dass die Streitigkeiten einzig und allein von der Vermieter*innenseite ausgingen, die insgesamt fünf Klagen gegen mich als Mieter anstrengten. Das Motiv der Gentrifizierung, also der Verdrängung von Bestandsmieter*innen zur Gewinnmaximierung, wird von Staatsanwalt V. vollkommen ausgeblendet. Und dies, obwohl die für Gentrifizierung typische Vorgeschichte, Privatisierung von Sozialwohnungen und schließliche Umwandlung in Eigentumswohnungen als Anlageobjekte, ausdrücklich dargelegt wurde.

Angeblich kein Tatnachweis

In der ersten Räumungsklage (Az. 10 C 2207/15) versuchten die Vermieter*innen, das Ehepaar Sch., mit der Unterschlagung von Nebenkostenrückzahlungen und der absichtlichen Nichtanpassung von Vorauszahlungen betrügerisch den Grund für eine fristlose Kündigung zu konstruieren. Dies wurde von Richter Vo. zurückgewiesen, nachdem die entsprechenden Unterlagen vorgelegt werden konnten. Im Urteil vom 10.02.2016 ließ Richter Vo. keine Zweifel aufkommen, dass das Vorgehen der Vermieter*innen Absicht war:

„Zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung vom 07.07.2015 lagen dem Kläger bereits (seit Monaten) sämtliche Unterlagen und Daten zur Erstellung der Betriebskostenabrechnung 2014 vor. (…) Mit Kenntnis der Unterlagen war damit klar, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung der Mietzinsrückstand bzgl. der Vorauszahlungen für 2014 nicht 398,14 € sondern „nur” 281,05 € beträgt. Weiter war klar, dass die Abrechnung keine Grundlage dafür gibt, höhere Vorauszahlungen als monatlich 70.- € zu fordern.“

In der zweiten Räumungsklage (Az. 8 C 414/19) verübte das Vermieterpärchen Prozessbetrug mittels Urkundenfälschung. Ein bereits am 03.02.2017 per Einschreiben zugestelltes Dokument über Forderungen wegen angeblicher Modernisierungen reichten diese mit dem falschem Datum “13.06.2018” bei Gericht als Klageanlage ein. Auch hier ist das Motiv unzweifelhaft: Da die Modernisierungskosten mit einem vorausgegangenen, gerichtlichen Vergleich vom 18.05.2018 erledigt waren, wurde das Datum der Forderung einfach auf einen Zeitpunkt danach abgeändert.

Und ebenfalls besteht kein Zweifel darüber, dass das Vorgehen bewusst geplant war, um das Gericht zu täuschen. Denn das auf den “13.06.2018” gefälschte Dokument wurde mir nie zugestellt, obwohl es im Briefkopf heißt “PER EINWURFEINSCHREIBEN”. Es wurde ausschließlich für die Klage angefertigt. Eine Zustellung wurde aber dem Gericht vorgegaukelt. Aus der Stellungnahme der Rechtsanwältin der Vermieter*innen Frau N. vom 28.03.2019:

“Mit dem Modernisierungsmieterhöhungsverlangen vom 23.06.2018 (sic!) erfolgte sodann eine weitere Erhöhung der dann bereits geltenden Nettokaltmiete in Höhe von 237,00 € auf nunmehr 258,08 € (237,00 € zuzüglich 21,08 € Modernisierungsmieterhöhung).”

Richterin A. akzeptierte das manipulierte Schreiben, indem es dieses als zugestellt und als formal rechtsgültig behandelte. Damit wurde der versuchte Prozessbetrug vollendet.

Das heißt, obwohl sowohl die materiellen Beweise, Nebenkostenabrechnungen sowie gefälschte Dokumente, vorliegen, obwohl sogar ein Richter die bewusste Täuschungsabsicht belegte und es keine Zweifel über die Motive gibt, behauptet Staatsanwalt V. in seiner Einstellung vom 14.11.2020:

“Ein Tatnachweis kann nicht geführt werden.”

Zweiter Ausdruck

Indem Staatsanwalt V. sämtliche Beweismittel, insbesondere das gefälschte Dokument mit Datum “13.06.2018”, vollständig ignorierte, stellte er die Ermittlungen gegen die Vermieter*innen, deren Rechtsanwältin N. und die Richterin A. ein.

Die Einstellung der Ermittlungen gegen den ebenfalls von mir angezeigten Eigentümer*innenverein “Haus & Grund” gestaltete sich offensichtlich schwieriger. Die Anzeige wegen Urkundenfälschung erfolgte ausschließlich aufgrund des manipulierten Dokuments, das den Briefkopf des Vereins trägt. Ein Ignorieren war daher nicht möglich. Erst auf meine Beschwerde hin bei der Generalstaatsanwalt Nürnberg wurde meine Anzeige beschieden, d.h. abgewiesen.

Die Begründung von Staatsanwalt V. dafür ist atemberaubend. Es handele sich gar nicht um ein manipuliertes Dokument zum Zwecke der Täuschung, sondern nur um einen zweiten Ausdruck! In seiner Einstellungsbegründung vom 11.01.2021 heißt es:

“Bei den insofern in den Blick zu nehmenden Schreiben des Haus- und Grundbesitzervereins handelt es sich (…) nicht um ein unterschriebenes oder andersweitig durch den Aussteller legitimiertes Schreiben, sondern lediglich – wie in der unteren linken Ecke des Schreibens gut erkennbar – nach Erstellung des Dokuments am 30.01.2017 am 13.06.2018 erneut aufgerufenes und ausgedrucktes Schreiben.”

Zweiter Ausdruck und nicht unterschrieben, voilà, kein Prozessbetrug. Doch gerade dieses Vorgehen beweist eindeutig, dass allen an der Erstellung und Verwendung des manipulierten Dokuments Beteiligten sehr wohl bewusst war, eine Täuschung zu begehen. Für den Fall, erwischt zu werden, sollte offensichtlich vorgesorgt werden. Es beweist auch, dass alle drei Angezeigten gemeinschaftlich handelten.

Und im übrigen beweist es auch die Begünstigung durch die Richterin A., denn diese hat ein Dokument, das essentiell für die Räumungsklage war, akzeptiert, das nicht einmal unterschrieben war.

K3 und K10

Sach- und Rechtslage

Generalstaatsanwalt H. deckt die Ausführungen von Staatsanwalt V. vollumfänglich. Auch er ignoriert alle Beweise und alle eindeutigen Tatnachweise und behauptet im Bescheid vom 01.02.2021:

“Ergebnis ist, dass die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Regensburg, von der Einleitung des Ermittlungsverfahrens gem. 8 152 Abs. 2 StPO abzusehen, der Sach- und Rechtslage entspricht. (…)
Daher muss es mit der Verfügung der Staatsanwaltschaft Regensburg vom 14.12.2020 (sic!) sein Bewenden haben.”

Trotz gesetzlicher Verpflichtung zu objektiver Ermittlung in beide Richtungen zitiert Generalstaatsanwalt H. in seinem Bescheid vom 29.01.2021 als Begründung ausschließlich die Ausführungen von Staatsanwalt V. und schließt:

“Dem wird vollumfänglich beigetreten.”

Damit macht er sich vollumfänglich mitschuldig an der Rechtsbeugung durch Staatsanwalt V. Herr H. trägt sogar folgende Rechtsauslegung von Herr V. “vollumfänglich” mit:

“Die Partei darf Tatsachen behaupten, über die sie kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Dinge für wahrscheinlich oder jedenfalls für möglich hält.”

Der Vermieter*innen sollten kein zuverlässiges Wissen darüber gehabt haben, wann sie eine Modernisierungsforderungen gestellt haben? Daher durften sie irgendein Datum einsetzen, das sie für wahrscheinlich oder jedenfalls für möglich hielten? Diese Darstellung kann nur noch als haarsträubend bezeichnet werden.

Größerer Zusammenhang

Das Verfahren hat eine große, öffentliche Relevanz, da die Voraussetzung für die Räumungsklage vom Amts- und Landgericht Regensburg schuldhaft geschaffen wurde. So verurteilte mich Richter L. im Verfahren 9 C 2214/14 zur Zahlung einer Miete für eine Wohnung mit Heizung, obwohl keine vom Vermieter gestellte Heizung vorhanden war.

Richter S. verurteilte mich im Verfahren 11 C 2235/14 zur Zahlung von 80 % bzw. 40 % erhöhten Wasserkosten, obwohl das Wasser nachweislich nicht von mir verbraucht wurde und die Vermieter*innen keinerlei Bemühungen nachweisen konnten, diese zu senken. BGB § 556 verpflichtet Vermieter*innen jedoch zum Wirtschaftlichkeitsprinzip. Fehlen diesbezügliche Bemühungen, ist der Mieter berechtigt, nur den Durchschnitt der Vorjahre zu zahlen.

Beide Richter verweigerten mir Prozesskostenhilfe. Eine Berufung war wegen des zu geringen Streitwerts nicht möglich.

Richterin A. verhängte die Zwangsräumung über mich, trotz Prozessbetrug und unter weitgehender Missachtung meiner Rechte aus einem vorausgegangenen, gerichtlichen Vergleich.

Der Vizepräsident des Landgerichts Regensburg Dr. Pfeffer verweigerte mir die Berufung und damit die Überprüfung des Urteils von Richterin A.

Und zuletzt verweigerte Richter St. die Eröffnung einer von mir nach der Zwangsräumung eingereichten Klage wegen meiner Ansprüche auf Nebenkostenrückerstattungen auf der im gerichtlichen Vergleich festgestellten Grundlage einer geringeren Wohnfläche (Az. 5 C 2424/20).

In den verschiedenen Verfahren, die letztendlich zu meiner Zwangsräumung führten, übrigens mitten während des verschärften Corona-Lockdowns im Januar 2021, ist soviel contra legem gelaufen, dass es einer gründlichen Aufarbeitung bedarf, um das Vertrauen in die betroffenen Justizapparate wieder herzustellen.

Ich bitte darum, mich über die Ermittlungen auf dem Laufenden zu halten und mir das Aktenzeichen des Ermittlungsverfahrens mitzuteilen.

Mit freundlichen Grüßen,

(Unterschrift)

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