Antrag an das Kultusministerium:
Rehabilitierung der Lehrerin Elly Maldaque

Schon lange hatte das ueTheater vor, vom Kultusministerium die Rehabilitierung der offiziell immer noch unehrenhaft entlassenen Lehrerin Elly Maldaque  zu beantragen. Im Rahmen der Kampagne des Bund für Geistesfreiheit Regensburg für die Aufstellung einer Statue von Elly Maldaque, hat unser Ensemble endlich ein entsprechendes Schreiben verfasst und abgeschickt. Hier die Dokumentation des Antrags.   

Elly Maldaque im Kreis ihrer Schülerinnen vor dem Eingang der Von-der-Tann-Volksschule

Elly Maldaque im Kreis ihrer Schülerinnen vor dem Eingang der Von-der-Tann-Schule, Foto aus: Jürgen Schröder “Horváths Lehrerin von Regensburg”

 

An
Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus

z.H. Kultusminister Prof. Dr. Michael Piazolo
Salvatorstraße 2
80327 München

 

Antrag: Rehabilitierung der Lehrerin Elly Maldaque

Sehr geehrter Herr Kultusminister Prof. Dr. Michael Piazolo,

vielleicht ist Ihnen der Name „Elly Maldaque“ schon einmal begegnet. Als kunstbeflissener Mensch könnte Ihnen bekannt sein, dass der Theaterautor Ödön von Horváth in seiner Spätzeit ein Theaterstück über sie verfasste: „Die Lehrerin von Regensburg“. Der bekannte Autor Walter Mehring verarbeitete ihren Fall in einem Gedicht, das von Rolf Lukowsky vertont und von Ernst Busch gesungen wurde: „Die Ballade von der Lehrerin Elly Maldaque“. Das Schicksal von Elly Maldaque war zu seiner Zeit, 1930, ein großer Fall, der ganz Deutschland bewegte. Auch in den heute noch bekannten Medien Simplicissimus und Weltbühne, nebst einer Vielzahl anderer Presseorgane, wurde über die Geschehnisse berichtet.

Auch später inspirierte Elly Maldaque viele Künstler*innen zu Werken. Der renommierte Komponist Franz Hummel schrieb auf der Grundlage eines Librettos von Elisabeth Gutjahr eine Oper über sie: „An der schönen blauen Donau“. Eine in den 80iger Jahren recht bekannte Regensburger Folkmusikgruppe nannte sich: „Maldaque“. Auch etablierte Maler veranlasste Leben und Tod der Lehrerin zur Schaffung verschiedener Werke: Guido Zingerl: „Elly Maldaque. Im Namen des Wahnsinns“, aus dem Zyklus: Aufzeichnungen eines Donauschülers, Horst Meister: „Die schweigende Mehrheit“ – ELLY MALDAQUE, Ausschnitt aus dem Triptychon „Regensburger Passion“.

Die Lehrerin Elly Maldaque wurde 1930 vom damaligen bayerischen Kultusminister Dr. Franz Goldenberger fristlos aus dem Schuldienst entlassen, was heute ursächlich für den frühen Tod der Lehrerin angesehen werden muss. Die Vorwürfe waren unbelegt, die Entlassung gesetzeswidrig. Wir bitten Sie, dieses Unrecht zu korrigieren. Die Lehrerin Elly Maldaque muss rehabilitiert und damit ihre Ehre wieder hergestellt werden.

Begründung

Als Begründung beziehen wir uns hauptsächlich auf unsere Ausführungen in einem Brief an das Studentenwerk Niederbayern/Oberpfalz von 2007, in dem wir baten, die Theatereinrichtung im Studentenhaus, die bis heute keinen eindeutigen Namen hat, nach der Lehrerin zu benennen.

Nebenbei: Unser Engagement für die Erinnerung an die Lehrerin Elly Maldaque führte schließlich dazu, dass das Studentenwerk mit Hilfe von Gerichten und Polizei eine weitere Kunstausübung unserer studentischen Theatergruppe in ihrer Einrichtung verhinderte. Dies war und ist ein skandalöser Vorgang, der ebenfalls einer Aufarbeitung bedarf.

Aus unserem Antrag an des Studentenwerk Ndb/Opf von 2007

Elly Maldaque wurde am 5. November 1893 in Erlangen geboren. Nach ihrer Ausbildung zur Volksschullehrerin unterrichtete sie zuerst an verschiedenen bayerischen Schulen. Schließlich kam sie nach Regensburg und lehrte von 1920 bis zu ihrem Lebensende an der hiesigen Von-der-Tann-Schule.

Sie war nach allen Schilderungen überlebender Zeitzeugen eine sehr engagierte und äußerst beliebte Lehrkraft. Als erste und einzige evangelische Volksschullehrerin in Regensburg, war sie fortschrittlichen Ideen gegenüber überaus aufgeschlossen:

“Sie war der Zeit voraus, das Fräulein Maldaque. Ich kann mich zum Beispiel erinnern, daß sie mit unserer Klasse zur Ausstellung “Der Mensch” im Regensburger Stadtpark gegangen ist. Und zwar war das eine Ausstellung, wo man gesehen hat, wie die Kinder entstehen. Und meine Mutter war froh. Sie hat gesagt, “Da muß ich Dich nicht aufklären”. Deswegen mußte Fräulein Maldaque zum Schulrat gehen und hat eine Verweisung bekommen.” (Anna-Maria Schneider, ehemalige Schülerin Elly Maldaques in “Regensburger Frauenspuren” von Ute Kätzel und Karin Schrott, 1995)

Besonders beschäftigte Elly Maldaque die soziale Frage, wobei sie es nicht bei Worten beließ. Sie half, wo sie konnte, ging in die Armenviertel, förderte schwache aber auch überdurchschnittlich begabte Schülerinnen und Schüler über ihre normale Arbeitszeit hinaus und leistete, obwohl sie nur über bescheidene Mittel verfügte, sogar finanzielle Hilfe. Ihr Einsatz brachte sie oft an den Rand der Erschöpfung.

“Eine einmalige Frau. Die hat jedem, dem sie helfen hat können, geholfen. Auch uns Jugendliche hat sie direkt ins Herz geschlossen. Und immer war diese Frau auch für alte Leute da. Die hat sie betreut. Die hat eingekauft für alte Leute, die nicht mehr so richtig haben laufen können. Die hat sogar manchen Familien geputzt – was noch nie eine gemacht hat. Als Lehrerin hätte sie das doch gar nicht machen müssen. Aber die Frau Maldaque, die hat das gemacht …” (Zeitzeuge Ludwig Zaubzer in einem Feature von Joseph Berlinger und Thomas Muggenthaler)

Nach und nach geriet sie durch ihr Engagement und unvoreingenommenes Interesse an politischen Fragen ins Visier der Regensburger Politischen Polizei, “Hakenkreuzler” besorgten die Spitzeldienste. Die Berichte der Politische Polizei hatten schließlich die fristlose Kündigung Elly Maldaques zur Folge – nach 17 Jahren vorbildhaften Schuldienstes, ohne Versorgungsansprüche, ohne die geringste finanzielle Absicherung. Es wurde ihr unterstellt, da sie gelegentlich bei kommunistischen Singkreisen Klavier spielte, “wirkendes” Mitglied der KPD zu sein. Dies war falsch. Elly Maldaque war zu keiner Zeit Mitglied irgendeiner politischen Partei.

“Sie war, sag ich immer, der Zeit voraus. Sie hat einem viel fürs Leben mitgegeben … Und außerdem haben sie bei uns in der Schule erzählt, daß sie von dem wenigen, das sie verdient hat, manche Mark an Arbeitslose gegeben hat, dort, wo sie Klavier gespielt hat. Damals hat es doch die vielen Arbeitslosen gegeben. Also war sie eine Idealistin für mich. Wenn sie eine Kommunistin war, war sie für mich eine Idealistin, eine Edelkommunistin, wie man so sagt.” (Anna-Maria Schneider in “Regensburger Frauenspuren”.)

Die gesamte Elternschaft solidarisierte sich mit Elly Maldaque und schrieb an die Regierung der Oberpfalz einen gemeinsamen Brief, worin die sofortige Rücknahme der Kündigung gefordert wurde:

“Die unterfertigten Eltern sind nach heute Abend erfolgter gegenseitiger Aussprache zu der einstimmigen Überzeugung gekommen, daß Fräulein Maldaque sich in keiner Weise einer Unterrichtsart bedient hat, die einer christlichen Schule widersprechen würde. Die Eltern sprechen hiermit Fräulein Maldaque das vollste Vertrauen aus und bedauern es im Interesse ihrer Kinder, daß diese tüchtige, streng gerechte Lehrerin den Kindern genommen wurde”. (Aus der Entschließung der Elternversammlung vom 7. Juli 1930, zitiert nach Jürgen Schröder “Horváths Lehrerin von Regensburg – Der Fall Elly Maldaque”, 1982)

Elly Maldaque erlitt jedoch wenige Tage später einen Nervenzusammenbruch und starb kurz darauf unter bis heute nicht endgültig geklärten Umständen im Krankenhaus Karthaus-Prüll. Tausende von Regensburgerinnen und Regensburgern nahmen an ihrer Beerdigung teil.

“Schon Mittags begann die Wanderung zum Friedhof, so daß bis zu dem festgesetzten Zeitpunkt ein paar Tausend versammelt waren. Am Leichenzug beteiligten sich außer den Verwandten fast die gesamte Lehrerschaft von Regensburg sowie die Schülerinnen des zweiten Kurses und die ehemaligen Schülerinnen des achten Kurses. Erschütternd war es, als ein greiser Lehrer schilderte, daß Elly Maldaque gerade für die Kinder, welche besonders begabt waren, und für die Kinder der Arbeiter ein besonders gutes Herz gehabt habe und ihnen all ihre Sorgfalt gewidmet habe. Die Beteiligung am Begräbnis hat gezeigt, daß die gesamte Bevölkerung überzeugt ist von dem großen Unrecht, das an der Lehrerin Maldaque verübt wurde, wurde doch das Wort »Justizmord« offen von ganz bürgerlich eingestellten Leuten ausgesprochen.” (26. Juli 1930. Neue Zeitung, siehe Schröder 1982)

Ihr Tod rief republikweit große Empörung hervor. Wiederholt wurde darauf hingewiesen, dass nationalsozialistische Lehrer keine vergleichbare Behandlung erfuhren.

“In der Oberpfalz ist z. B. ein nationalsozialistischer Lehrer auf Veranlassung der katholischen Elternvereinigung wegen Überschreitung des Züchtigungsrechtes strafversetzt worden, aber strafversetzt in der Weise, daß er auf einen besseren Posten befördert worden ist. Wir könnten noch ein halbes Dutzend solcher Lehrer anführen. Diese Lehrer werden durchaus nicht gehindert, ihre Hetze, die auch auf gewaltsame Umstürzung des heutigen Staatswesens hinausgeht, zu betreiben.” (Die Sozialdemokratin Elisabeth Kaeser im Bayerischen Landtag während einer Debatte zum Fall Elly Maldaque, 31. Juli 1930, siehe Schröder 1982)

Umsonst. Elly Maldaque wurde nie rehabilitiert. Der weitere Verlauf der Geschichte verhinderte dies. Sie wurde aber auch nie vergessen. 1985 beispielsweise brachte die damalige FDP-Politikerin Elke Wollenschläger im Regensburger Stadtrat den Antrag ein, die Von-der-Tann-Schule in Elly-Maldaque-Schule umzubenennen. Leider fand das Vorhaben keine Mehrheit. Inzwischen erinnert eine Plakette an der Von-der-Tann-Schule und an der Orleanstraße 4, dem letzten Wohnort, an Elly Maldaque.

“Elly Maldaque – der Name hat einen seltenen Klang.” (17. Juli 1931, Regensburger Echo, siehe Schröder 1982)

Ergänzungen

Soweit aus unserem Schreiben von 2007. Inzwischen hat sich zumindest zivilgesellschaftlich einiges getan. Mit unserer Theatergruppe erarbeiteten wir ein Theaterstück für Schulen mit den Namen „Elly und Ingo“, das wir seit 2008 weit über 300 mal in ganz Bayern aufführten. 2014 brachten wir die Uraufführung des Stücks des Regensburgers Josef Wolfgang Steinbeißer „Lehrerin Elly“ von 1930 auf die Bühne, was für große Aufmerksamkeit in der regionalen Kulturszene sorgte.

Es gibt inzwischen einen umfangreichen Wikipedia-Artikel über Elly Maldaque, ebenso eine neue Biographie, in der ihr komplettes Tagebuch abgedruckt ist. Für eine Statue von Elly Maldaque, die in der Altstadt aufgestellt werden soll, werden von Regensburger Bürger*innen aktuell Spenden gesammelt.

Was es aber nicht gibt, ist ein öffentliches Gedenken. 2013 bestimmte Ihr Vorgänger Dr. Ludwig Spaenle, dass mehrere Schulen in Bayern den Namen ändern müssen, da die Namensgeber tief verstrickt in das nationalsozialistische Gewaltregime waren. Darunter auch eine Schule in Regensburg. Obwohl in einer damals von der Schule durchgeführten Meinungsumfrage „Elly-Maldaque-Mittelschule“ fast doppelt soviele Stimmen bekam, als alle anderen Vorschläge zusammen, wurde die öffentliche Erinnerung an die Lehrerin beschämenderweise wiederum abgelehnt.

Resümee

Dass Elly Maldaque immer noch als unehrenhaft aus dem Schuldienst entlassen gilt, ist unerträglich und sicher mit ein Grund, dass das öffentliche Gedenken in Regensburg so massiv und ausdauernd behindert wird.

Schon 1994 wurde in den Regensburger Stadtrat der Antrag eingebracht, die oben erwähnte Schule nach der Lehrerin Elly Maldaque zu benennen. Der Zeitzeuge Heinrich Black, dessen Vater sich sehr für Elly Maldaque eingesetzt hatte, äußerte in einem Interview:

„Wie sehen Sie heute den Fall Elly Maldaque?

H. BLACK: Eine schwere Unrechtshandlung! Und es ist bedauerlich, daß das ausgerechnet in einem Rechtsstaat vorkommen konnte. Deshalb müßte dieser Fall ruhig noch mal dem Volk vorgelegt werden und ihm zum Beispiel durch die Benennung der Schule nach Elly Maldaque ins Gewissen gerufen werden. Ungeachtet der Tatsache, daß wir jetzt einen Rechtsstaat haben, muß eben beachtet werden, daß jemand wegen einer abweichenden Meinung verfolgt werden und seiner Existenz beraubt werden darf, wie in diesem Fall. Die Umbenennung der Schule dürfte eine Nagelprobe sein, womit erinnert wird an einen Unrechtsfall, der auch in einem Rechtsstaat geschehen ist. Um eben für alle Zeiten auch bei uns in Regensburg so etwas auszuschließen, sollte die Erinnerung schon eingebrannt werden.“ (aus: Kätzel, Ute; Schrott, Karin (Hg.) „Regensburger Frauenspuren“, Regensburg 1995)

Die Nagelprobe steht bis heute aus. Wir bitten Sie, das Unrecht, das in einem Rechtsstaat passierte, in unserem Rechtsstaat endlich zu korrigieren. Wir bitten Sie darüber hinaus, sich für die Erinnerung an Elly Maldaque, die in Regensburg von öffentlicher Seite so lange schon verhindert wird, einzusetzen. Wir brauchen Vorbilder wie die mutige, aufrechte Lehrerin Elly Maldaque. Denn der Name „Elly Maldaque“ steht für die Menschenrechte:

„Nun fällt mir alles leicht und alles versteht sich von selbst und alle Kräfte stellen sich ein, seit ich den Urquell des Lebens erkannt habe und den Weg des Menschenrechts gehe.“ (Tagebuch Elly Maldaque, 9. Oktober 1928)

Der Name „Elly Maldaque“ steht für Menschenliebe:

„Gut werden – das ist und bleibt das Einzige und Letzte – aber das Gute zur Erkenntnis bringen und tun – das ist es. Der Weisheit letzter Schluss ist die Milde und die unversiegbare Liebe.“ (Tagebuch Elly Maldaque, 13. September 1927)

Der Name „Elly Maldaque“ steht für Toleranz:

„Und es soll doch alles menschliche Streben zu Liebe für das andere werden.“ (Tagebuch Elly Maldaque, 12. Februar 1928)

Elly Maldaque gilt in Regensburg als erstes Opfer des heraufziehenden Nationalsozialismus, da der damalige Rechtsstaat mit „Hakenkreuzlern“ einvernehmlich zusammenarbeitete, um sie zur Strecke zu bringen. Durch die Rehabilitierung soll ein Zeichen dafür gesetzt werden, dass die heutige Demokratie aus den damaligen Fehlern gelernt hat.

Mit freundlichen Grüßen
(Unterschrift) / ueTheater

 

Anlagen:
  • Um diesen Brief nicht zu überladen, beschränken wir uns auf relativ wenige Anlagen als Belege. Vor allem verweisen wir auf den umfangreichen Wikipedia-Artikel, der zwar nicht den aktuellen Stand wiedergibt, aber sehr viele Quellen und Verlinkungen enthält, die eine gründliche Einarbeitung in das Thema ermöglichen. Insbesondere die künstlerische Verarbeitungen des Themas ist gut, wenn auch nicht lückenlos, erfasst:

  • Daneben möchten wir als Standardliteratur auf das 1982 erschienene Buch des Tübinger Professors Jürgen Schröder verweisen, das unserer Meinung nach immer noch die fundierteste Zusammenfassung der Zeitumstände sowie des Lebens von Elly Maldaque darstellt:

    • Jürgen Schröder „Horváths Lehrerin von Regensburg“, Frankfurt am Main 1982

  • Schließlich empfehlen wir noch sehr das Buch „Regensburger Frauenspuren“, da es eine einzigartige Zusammenstellung von Zeitzeug*innenaussagen enthält:

    • Ute Kätzel, Karin Schrott (Hrsg.) „Regensburger Frauenspuren“, Regensburg 1995

  • Hier finden Sie unseren Brief an das Studentenwerk Niederbayern/Oberpfalz:

  • Über das Vorgehen des Studentenwerks Niederbayern/Oberpfalz berichtet beispielsweise das Oberpfalznetz/Der Neue Tag am 14.06.2019:

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