Rede zum Antikapitalistischen 1. Mai:
“Krieg gegen Geflüchtete einerseits – grenzenlose Ausbeutung andererseits”

IKS-Transparent während 1. Mai-Demo

Liebe Genossinnen und Genossen,

heute am 1. Mai wollen wir als IKS einen Blick auf diejenigen werfen, die von der Ausbeutung hier mit am stärksten betroffen sind. Damit meinen wir die Saisonarbeiter und -arbeiterinnen. Ihre Situation zeigt in einem Mikrokosmos das grenzübergreifende weltweite Ausbeutungssystem des Kapitalismus. Wir nehmen als Beispiel die, die in Deutschland für den sogenannten Bauboom schuften. In der Baubranche sind die Preise immens gestiegen und dennoch kommt davon nichts bei den Arbeitskräften an. Wenn man Arbeitgeber fragt, sagen sie immer die Löhne seien hoch, zu hoch. Die erste Ausrede in Deutschland ist immer, dass die Löhne zu hoch sind. Als Totschlagargument für den sogenannten Standort Deutschland und um Lohnforderungen unterdrücken zu können. Beim Bauen sind vor allem die Grundstückspreise und Materialkosten explodiert – dass die Löhne schuld sind, ist eine glatte Lüge!

Wenn jemand mit offenen Augen Bauprojekte anschaut, dann sind dort auch Wohncontainer zu sehen. Wer jemals einen Blick hineingeworfen hat, sieht wie die Menschen darin auf engstem Raum zusammengepfercht sind. Und es ist zu sehen, dass abends lange gearbeitet wird und samstags auch. Dort gibt es aber kein Schichtsystem, es sind immer die gleichen Menschen, die sich abrackern. Menschen, die aus einem anderen Land kommen. Früher oft aus osteuropäischen Ländern, seit der EU Osterweiterung immer öfter aus der Türkei, aus Nordafrika, Asien… wo die Arbeitskraft noch billiger ist. Wie dieses System funktioniert möchten wir etwas detaillierter erklären. Was ich erzähle basiert auf Angaben von Leuten, die in dieser Branche arbeiten. Sie wollen aus Sicherheitsgründen nicht selbst hier auftreten und auch nicht namentlich genannt werden.

Ein Bauherr gibt Aufträge an eine Firma, die zum Beispiel einen großen Wohn- und Bürokomplex bauen soll. Diese Baufirma zerstückelt alle Bereiche. Sie gibt anderen Firmen, die in Deutschland bzw. der EU ansässig sind, die Aufträge für zum Beispiel Rohbau, Dach, Elektrik, Heizung. So weit, so gut, so bekannt. Aber diese Firmen gehen ins Ausland und kooperieren dort mit spezialisierten Firmen, die einen Fuß im Ausland, einen in Deutschland haben. Also ein klassisches Subunternehmen. Diese Subunternehmen finden im Ausland noch eine Firma also eine Subsubfirma. Und erst da kommen die Arbeitskräfte ins Spiel. Diese 3. Firma, die Subsubfirma sucht dort Arbeiter. Die Arbeiter bekommen für 6 Monate ein Arbeitsvisum. Die Subfirma organisiert das Visum in Deutschland. Offiziell gibt es einen Arbeitsvertrag nach Baubranchenregeln wie Mindestlohn oder wöchentliche Arbeitszeit. Aber es existieren inoffizielle Abmachungen, die für die Arbeiter Bedingung sind, dass sie genommen werden. Dazu gehören die Unterbringung in Containern, das Essen, das auch vom Lohn abgezogen wird, ein pauschaler Lohn und eine wöchentliche Arbeitszeit zwischen 50 und 60 Stunden – das ist keine Ausnahme. Sie kommen her, der offizielle Arbeitslohn wird auf ihr Konto überwiesen, die Lohnabrechnungen werden ausgestellt. Aber in der Realität müssen die Arbeiter im Heimatland oft einen Teil zurückzahlen. Manchmal wird das ganze Geld erst am Ende nach den 6 Monaten ausgezahlt. Offiziell bekommen die Menschen auch Krankengeld. Aber der Druck ist hoch, viele trauen sich nicht, sich krankschreiben zu lassen. Und auch hier existieren teils inoffizielle Abmachungen, so dass es eben kein Krankengeld gibt. Damit die Leute hier nicht abhauen, werden ihnen ihre Reisedokumente weggenommen, nur wenn die Arbeitskraft 6 Monate lang erbracht wurde, werden diese wieder ausgehändigt. Modernes Sklaventum. Dann kommt die nächste Gruppe. Wenn sich ein Arbeiter nicht an die illegalen Abmachungen hält, kommt er nie wieder hierher. Gründe diese Schikanen mitzumachen gibt es leider genug. Oft gibt es im Herkunftsland keine Arbeit oder selbst der geringe Verdienst ist mehr als dort. Viele Arbeiter sind keine Facharbeiter, sie bekommen eine Einweisung und es gibt einen Meister, der die Arbeit kontrolliert und abnimmt, der auch bei Kontrollen zuständig ist. Meistens gibt es Fachleute, die hier aufgewachsen sind, beide Sprachen können und als Bindeglied fungieren.

Alle wissen, dass es so läuft, sowohl der Auftraggeber als auch der Staat. Aber niemand möchte daran rütteln, weil sonst dieses Konstrukt in sich zusammenfällt. Das Problem heißt Kapitalismus. Krieg gegen Geflüchtete einerseits – grenzenlose Ausbeutung andererseits. Das heißt wir müssen 2 Kämpfe führen: Die Arbeitenden vor Ort unterstützen – wie zum Beispiel beim erfolgreichen Streik der LKW Fahrer an der Raststätte Gräfenhausen. Und langfristig den Kapitalismus überwinden:

Für eine Welt ohne Ausbeutung, hoch die internationale Solidarität!

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