Rede der Anarchistischen Gruppe (ANA) auf der Kundgebung "Unsere Besten":
Korruption und Fassadendemokratie

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Hallo, herzlichen Dank an das ueTheater für die Einladung. Das Theater findet heute unter dem Thema “Korruption und Fassadendemokratie” statt. Deshalb wollen wir die Gelegenheit nutzen ein paar Worte aus anarchistischer Sicht dazu zu sagen.

Für uns ist klar, dass Macht immer ausgenutzt oder besser gesagt genutzt wird. Das trifft natürlich auch für gewählte Politiker_innen zu. In der parlamentarischen Demokratie wird ihnen die Macht sozusagen in die Hände gelegt. Macht bedeutet, dass ich in der Lage bin, mehr zu entscheiden als andere, dass ich Vorteile im Gegensatz zu anderen habe, sei es finanzieller oder anderer Art. Es ist auch nicht überraschend, dass Korruption vorkommt. Wir entsetzen uns weniger über diese Tatsache als über die parlamentarische Demokratie, die als die einzig Wahre gepriesen wird. Eine Demokratie, in der Menschen alle 4 oder 5 Jahre ein Kreuzchen machen dürfen und in der die Gewählten in ihrer Amtszeit versuchen ihre eigene Macht zu sichern und die von Kapital und Wirtschaft auszubauen. Eine Demokratie, in der Menschen vom Verfassungsschutz beobachtet werden, wenn sie laut sagen, dass sie für die Überwindung des Kapitalismus und für eine Gesellschaftsform, in der alle Menschen gleichberechtigt leben können, sind….

Besonders aufpassen müssen wir immer, wenn im Rahmen der parlamentarischen Demokratie von Bürgerbeteiligung gesprochen wird. Denn das bedeutet, dass die Herrschenden ihre Entscheidungen mit dem angeblichen Willen der Bürger_innen schmücken wollen. Dazu gehört vorab eine kräftige Propaganda in ihrem Sinne, wobei weder Kosten noch Mühen gescheut werden. Letztes Beispiel in Regensburg war der städtische Fragebogen zum Regensburger Kultur- und Kongresszentrum. Auch Menschen, die sich nicht intensiv mit Stadtpolitik und Machtfragen beschäftigen, hatten schnell erkannt, dass dieser Fragebogen Verarschung pur war. Es gab keine Möglichkeiten zur Ablehnung oder gar Alternativen. Verschiedenste Aspekte wurden zusammengefasst. Zum Beispiel musste das Fällen von Bäumen in Verbindung mit einer Aufwertung des Alleengürtels abgestimmt werden. Dass sich das komplett widerspricht hatten die Teilnehmenden leicht durchschaut.

Egal jedoch welche Formen von Beteiligung in einer parlamentarischen Demokratie angeboten werden, sie haben so gar nichts mit unserer Vorstellung als Anarchist_innen von einer gerechten Gesellschaft zu tun. Wir als Anarchist_innen lehnen jede Form von Herrschaft ab. Leben ohne Ausbeutung und Entfremdung, Gleichberechtigung aller, die auf Solidarität und gegenseitige Hilfe aufbaut, das ist unser Ziel. Anarchismus bedeutet die Überwindung von Kapitalismus und Staat.

Selbstorganisation ist unser Kernthema. Sei es in der Übernahme der Produktionsmittel, der Dienstleistungen oder der Betriebsverwaltung: alle Hierarchien sollen durch Arbeiter_innenselbstverwaltung ersetzt werden. Durch Dezentralisierung werden alle Entscheidungen auf Basisgemeinschaften zurückgeführt. Innerhalb der Gemeinschaften, seien es Nachbarschaften, seien es Betriebe, ist jede_r direkt beteiligt. Es gibt keine Entscheidungen, bei denen eine Mehrheit über eine Minderheit bestimmen darf. Das ist durch das anarchistische Konsensprinzip möglich. Wenn es um Entscheidungen geht, die einen größeren Rahmen betreffen, werden Delegierte bestimmt. Und die sind direkt an die Entscheidungen der Basis gebunden. Und sie sind rechenschaftspflichtig und können jederzeit abgesetzt werden. Ihr seht, das ist etwas komplett anderes als die parlamentarische Demokratie, in der wir leben. Und vielleicht versteht ihr auch, warum wir an diese keine Ansprüche haben. Wir erwarten auch nichts von der Regensburger Stadtregierung. In ihrem Rahmen und im Rahmen von kapitalistischer Ausbeutung ist keine Veränderung zu Gerechtigkeit möglich.

Wir möchten ein paar unserer Bezugspunkte nennen: Vor 150 Jahren haben die Menschen in Paris sich den Herrschenden widersetzt, haben ihr Schicksal selbst in die Hand genommen und innerhalb kürzester Zeit alle Belange der Stadt selbst geregelt. Diese Zeit ist als Pariser Commune in die Geschichte eingegangen.

Vor rund 100 Jahren gab es die bayerische Räterepublik.

Gerade sind die Zapatistas zum ersten Mal von Mexiko/Chiapas nach Europa gekommen. Sie haben unter ihrem Leitspruch „Gehorchend befehlen“ auf uralte indigene Traditionen aufgebaut und eine radikal basisdemokratische Gesellschaftsform entwickelt. Nutzt die einmalige Chance mehr von ihnen selbst zu erfahren. Bevor sie demnächst nach Nürnberg kommen, wollen wir auch hier in Regensburg Veranstaltungen machen.

Und immer wieder möchten wir die kurdische Bewegung, egal ob im Osten der Türkei oder in Syrien/Rojava, erwähnen. Sie hat ein emanzipatorisches Gesellschaftsmodell entwickelt, das alle Menschen egal welcher Religion oder Zughörigkeit, gleichermaßen einbindet.

Lasst uns also auch hier der kapitalistischen Ausbeutung ein „Alles für Alle“ entgegensetzen – und das selbstorganisiert und hierarchiefrei. Dabei wissen wir aber, dass wir durch ein Leben in selbstbefreiten Nischen die Gesellschaft nicht ändern werden. Wir wollen ganz klar einen Systemwechsel. Wir glauben, dass es wichtig ist, sich vorzubereiten, Erfahrungen zu sammeln, sie auszuwerten und kritisch zu reflektieren. Deshalb lasst uns voneinander lernen und uns organisieren!

Rathausplatz 23.07.2021

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