Banneraktion an der Uni Regensburg von Aktivist*innen gegen bayerische Sprachverbote:
#IchGenderTrotzdem – Redebeitrag vom 21.03.2024

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Bildrechte: Jona Hildebrandt

Vorgestern beschloss die bayerische Regierung ein Verbot von Sonderzeichen zur Umschreibung geschlechtlicher Vielfalt. An bayerischen Behörden, Schulen und Hochschulen ist also ab dem 1. April verboten, im Schriftlichen mit Sternchen, Doppelpunkt, Gendergap usw. zu gendern.

Die AfD-Landtagsfraktion lobt und freut sich darüber, dass die Bevormundung durch “linksgrüne genderideologische Schreib- und Sprechvorgaben” endlich ein Ende findet. Na Gott – äh Söder sei Dank!

Staatskanzleichef Joachim Herrmann von der CSU begründet das Genderverbot unter Anderem folgendermaßen: “Für uns ist die Botschaft klar: Sprache muss klar und verständlich sein.” Und das gerade in Bayern… Hat das schon jemand dem Aiwanger mitgeteilt?

Wir sagen jedenfalls: Sprache muss den gesellschaftlichen Verhältnissen gerecht werden. Sie ist ein mächtiges Instrument, da sie unsere Denkmuster prägt, und Stereotype sowohl stetig reproduzieren als auch aufbrechen kann. Wenn alles, was von binären Normen abweicht, in der Schrift verboten wird, hat das Konsequenzen. Nicht-binäre Identitäten werden dadurch zu einem Tabu, etwas, über das lieber nicht gesprochen werden sollte, etwas, was es gar nicht wirklich gibt.

Laut Herrmann sollen Rechts- und Verwaltungsvorschriften so formuliert werden, dass sie alle Menschen gleichermaßen ansprechen. Vorgeschlagen werden dafür beispielsweise Paarformeln – also z.B. “Studentinnen und Studenten”. Die mitschwingende Botschaft ist klar: Alle Leute sind entweder Mann oder Frau.

Geschlechtsneutrale Formulierungen seien auch eine Möglichkeit. Jede sprachliche Künstlichkeit sei dabei aber zu vermeiden – aber guess what: Sprache ist künstlich und wandelt sich mit gesellschaftlicher Entwicklung! Wir sprechen ja heute auch nicht mehr wie im Mittelalter.

Weiter wird das neue Schreibverbot von Herrmann begründet:
Die Diskursräume in einer liberalen offenen Gesellschaft sollen tatsächlich offengehalten werden und nicht weiter verdrängt werden. Wie, bitte wie, dient ein gesetzliches Verbot dazu, Diskursraum offen zu halten? Das ist so unsinnig, dass ich keine Worte dafür finde.

Es wird davon gesprochen, dass die ideologisch aufgeladene Gendersprache eine stark exkludierende Wirkung habe. In bestimmten Milieus käme es durch den großen missionarischen Eifer von Teilen der Bevölkerung zu einem moralischen Druck und faktischen Zwang zum Gendern.

Aber Leute haben und hatten immer die Freiheit nicht zu Gendern! Nur bedeutet Demokratie und Meinungsfreiheit halt auch, dass Menschen dir sagen dürfen, wenn sie scheisse finden, was du tust. Und das muss man aushalten. Wenn Menschen, die sich gegen das Gendern entscheiden, dafür Gegenwind bekommen, kommt das keinem Verbot gleich! Auch keinem “faktischen Zwang”!

Und mit moralischem Druck muss man sich in einer Demokratie einfach arrangieren. Den spürt man oft auch, wenn andere Leute bessere Argumente haben, aber man sich einfach noch gegen Veränderung sträubt.

Wenn ich gendere muss ich mir auch von Leuten ihre Meinung dazu anhören. Klar ist das ätzend, klar nervt mich das. Aber ich will, dass sie das tun dürfen! Denn es ist unglaublich wichtig, dass es Menschen rechtlich erlaubt ist, ihre Positionen zu äußern (menschenfeindliche und diskriminierende Inhalte ausgenommen selbstverständlich). Weil wenn uns vom Staat verboten wird uns so auszudrücken, wie wir wollen, dann ist das eine Diktatur! Und zwar eine echte, keine konstruierte Woke-Diktatur, vor der sich die Söder- und Aiwanger-Fans so fürchten.

Herrmann erklärt das Genderverbot weiter: Auch der Rat für Deutsche Rechtschreibung empfiehlt, nicht mit Sonderzeichen zu Gendern. Und wir lieben doch die deutsche Rechtschreibung! Was der Duden sagt, werde Gesetz!

Komischerweise ist aber nicht im Gesetz festgeschrieben, wann “das” und wann “dass” benutzt wird, oder wie Kommata gesetzt werden müssen. Und wenn Leute in der Verwaltung das mal falsch machen, müssen sie höchstwahrscheinlich nicht damit rechnen, von ihren Vorgesetzten in die Schranken gewiesen zu werden.

Der Unsinn geht weiter: Das Genderverbot soll aber unabhängig von künftigen Entscheidungen des Rates für Deutsche Rechtschreibung gelten. Schön, dass ihr gleich dazusagt, dass das mit der Rechtschreibung nur ein Scheinargument war.

Also, um zusammenzufassen:
Alle Argumente der bayerischen Regierung für ein Genderverbot sind billige populistische Scheisse! Weswegen es mir teilweise auch schwer fiel, rein sachlich darauf einzugehen. Bitte entschuldigt das.

Die neue Gesetzeslage ist diskriminierend. Sie schließt strukturell Menschen aus – beispielsweise die, die intergeschlechtlich, ageschlechtlich oder non-binär sind. Sie macht uns unsichtbar. Uns genderqueeren Menschen macht diese Entwicklung Angst. Wir fürchten uns vor dem was als nächstes kommt, wenn dieses Gesetz ohne Widerstand durchgeht.

Das Verbot des Genderns mit Sonderzeichen ist außerdem eine Bevormundung. Es ist eine überzogene Antwort auf eine ausgedachte Problematik – es gibt und gab keinen Zwang zum Gendern! Konservative Populisten schüren Angst vor der linksgrünen Sprachpolizei und geben sich ihren Woke-Diktatur-Fantasien hin, weil sie “nichts mehr sagen dürften” und ihnen ständig alles verboten würde. Währenddessen werden wirkliche gesetzliche Verbote erlassen, um dieser konstruierten Entwicklung vorzubeugen. Wie ich spreche ist meine Sache! Alle müssen sich frei entscheiden können, ob und wie sie gendern. Es darf in einer Demokratie nicht sein, dass rechtliche Folgen drohen, wenn Menschen ihrer persönlichen Präferenz entsprechend geschlechtergerechte Sprache verwenden.

Wir rufen deswegen alle auf, die in Behörden und an (Hoch-)Schulen arbeiten:
Ignoriert diese Gesetzgebung und positioniert euch laut und deutlich dagegen! Weicht nicht aus auf Paarformeln, denn sie sind nicht inklusiv.

Und liebe Lehrkräfte und Dozent*innen, liebe Menschen an Schulen und Unis:
Ob ihr es glaubt oder nicht: In eurem Unterricht, euren Vorlesungen und euren Gebäuden sitzen Menschen, die weder Mann noch Frau sind. Wir brauchen eure Solidarität und Unterstützung jetzt gerade ganz besonders. Zeigt Zivilcourage und lasst euch nicht einschüchtern!

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