Rede auf Kundgebung 11.06.2022:
Hände weg von Rojava!

Stoppt den Besatzungskrieg des NATO-Partners Türkei in Kurdistan! Unter diesem Motto fand am 11. Juni 2022 in Regensburg eine Kundgebung statt. Dabei hielt der Internationale Kultur- und Solidaritätsverein (IKS) folgende Rede.

IKSKu1

Gegen das Vergessen!

Während die Welt auf die Ukraine schaut, führt die Türkei ungehindert ihre Angriffe auf Kurdinnen und Kurden in der Türkei, dem Irak und Nordsyrien fort. Die Herrschenden werden Kriege immer so beurteilen, wie es am besten zum Ausbau ihrer eigenen Machtinteressen passt. Deshalb verwundert es nicht, dass der Krieg in der Ukraine anders dargestellt wird als der Krieg im Jemen oder in Syrien. Und deshalb liegt es an uns die Positionen der Unterdrückten auf die Straße zu bringen und uns konsequent gegen alle imperialistischen Kriege zu stellen. So wie heute gegen den Krieg der Türkei in Rojava.

Seit mehreren Wochen droht Erdogan mit einer Militäroffensive gegen die selbstverwalteten Gebiete in Nord- und Ostsyrien, Rojava. Es sind nicht die ersten völkerrechtswidrigen Angriffe der Türkei auf das Gebiet Rojava in Nordsyrien. Die Türkei marschierte 2018 in Afrin und 2019 in Serekaniye ein. Immer wieder finden Drohnenangriffe auf die Zivilbevölkerung statt. Erdogan möchte eine 30 km breite, sogenannte Sicherheitszone, im Norden von Syrien, auf dem multiethnischen Gebiet von Rojava, errichten. Dieser Angriff, wie jeder militärische Angriff, bedeuten Vertreibung und eine humanitäre Katastrophe für die dort lebende Bevölkerung.

Es droht eine endgültige ethnische Säuberung und eine Verfestigung der türkischen Siedlungspolitik. Beide Gebiete wurden in den letzten Wochen bereits massiv mit Artillerie beschossen. Allein in den letzten Tagen wurden über 300 Artilleriegranaten auf die Region Sehba abgefeuert. In Tel Rifaat gab es in diesem Jahr insgesamt 7 Drohnenangriffe, auch eine Gynäkologische Klinik wurde getroffen, und insgesamt gab es in diesem Jahr bereits über 30 Angriffe mit Kampfdrohnen auf die selbstverwalteten Gebiete von Nordsyrien.

Die türkische Luftwaffe bombardiert seit Jahren immer wieder Rojava und das in Südkurdistan liegende Şengal-Gebirge, wo die ezidische Bevölkerung in Selbstverwaltung lebt. 2014 verübte der IS ein Genozid an der ezidischen Bevölkerung.

Seit 10 Jahren ist die Region Rojava selbstverwaltet – als emanzipatorischer multiethnischer Gesellschaftsentwurf. Rojava wurde weltweit bekannt durch seinen mutigen und entschlossenen Kampf gegen den IS. Der IS wurde und wird jedoch stets von der Türkei unterstützt und Rojava offen von der Türkei angegriffen. Trotz der Unterzeichnung eines Waffenstillstandes 2019 greift Ankara permanent weiter mit der Unterstützung dschihadistischer Söldner an – und die Welt schaut zu und schweigt. Selbst vor kurzem bei einem Angriff auf das IS Gefängnis in Heseke.

Artillerieangriffe gehören zum Alltag der Bevölkerung in Rojava. Sie erfolgen aus der Türkei oder von den bereits von schon besetzten syrischen Territorien. Dazu kommen verstärkt Drohnenangriffen, die Menschen gezielt umbringen oder verletzen. Allein in diesem Jahr gab es über 40. Diese Drohnen sind in dem von den USA und Russland kontrollierten Luftraum von Syrien unterwegs – und die Welt schaut zu und schweigt. Insgesamt führt die Türkei einen Krieg niederer Intensität gegen Rojava. Dazu gehört zum Beispiel auch die Sperrung der Wasserversorgung. Die Angriffe und die Zerstörung der Lebensgrundlagen sollen die Bevölkerung zermürben und dazu führen, dass sie fliehen oder sich gegen die Selbstverwaltung auflehnen. Bislang jedoch ist diese Rechnung der Türkei nicht aufgegangen.

Mit der aktuell von Erdoğan angekündigten, 30 km ins Land reichenden Zone, von ihm als Schutzzone bezeichnet, würde Rojava und die Zivilbevölkerung empfindlich getroffen. In dieser Zone gibt es 15 Städte und Gemeinden, in denen ungefähr 2,5 Millionen Menschen leben. Die Bevölkerung ist vielfältig, es leben dort Kurd*innen, Araber*innen, christliche Assyrer*innen, Armenier*innen, Jesiden und Turkmenen. Ebenso wäre mit dieser Zone unweigerlich die offene Rückkehr des IS verbunden.

Seit dieser Ankündigung sind die Angriffe auf die selbstverwalteten Strukturen weiter eskaliert. (Tel Rifat, Minbic). Dabei werden auch verstärkt zivilgesellschaftliche Strukturen wie Straßen, Schulen oder Gesundheitsversorgung angegriffen.

Vorgestern wurden die Angriffspläne konkretisiert: Als Ziele wurden das direkt an Afrin angrenzende und nördlich von Aleppo liegende selbstverwaltete Gebiet Sehba mit der Stadt Tel Rifaat und die multiethnische, mehrheitlich arabische Großstadt Minbic, östlich von Kobane, genannt. In Tel Rifaat leben Zehntausende aus Afrin Vertriebene.

Die beiden genannten Gebiete werden ausschließlich von russischen Truppen kontrolliert, so dass Russland diesen Angriffen zustimmen muss. Ohne eine Einigung mit Russland wird es keine neue große Bodenoffensive mit Unterstützung der türkischen Luftwaffe geben. Für die Türkei sind diese Gebiete von strategischer Bedeutung, um die bereits im Jahr 2018 (Afrin) und 2019 (Serekaniye) besetzten Gebiete miteinander zu verbinden und zu einem durchgehend kontrollierten Gebiet zusammenzufügen. Langfristig möchte Erdogan den kompletten Grenzstreifen zur Türkei in Nordsyrien besetzen.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die USA, als weitere Schutzmacht in Rojava (östliche Gebiete) verhalten werden. Gestern haben der US-Botschafter in der Türkei und der US-Außenminister Blinken außergewöhnlich deutlich gemacht, dass sie eine erneute türkische Offensive in Nordsyrien ablehnen. Das zeigt, dass sie einen Deal zwischen der Türkei und Russland fürchten und sich Sorgen um den Nutzen für Russland machen.

Die EU und Deutschland, enger NATO-Partner und traditionell ein bedeutender Waffenlieferant der Türkei, und die NATO, deren zweitgrößte Streitkräfte Ankara stellt, tolerieren die türkische Invasion in Nordsyrien und begünstigen sie zeitweise sogar, ungeachtet der Folgen.

Wir verurteilen die Aggression des türkischen Faschismus, die eine Bedrohung für alle Menschen in der Region darstellt. Wir verurteilen die imperialistischen Spiele, sowohl der NATO als auch des russischen Imperialismus.

Wir rufen alle Demokrat*innen, Antifaschist*innen, Feminist*innen, die ökologische Bewegung und die Antikriegsaktivist*innen dazu auf, sich gegen eine Invasion der Türkei in Rojava und die Autonome Verwaltung von Nord- und Ostsyrien zu stellen und sich mit der Selbstverwaltung zu solidarisieren, die Unterstützer des türkischen Faschismus zur Rechenschaft zu ziehen und die Errungenschaften der Revolution zu verteidigen!

Hände weg von Rojava!

Hoch die internationale Solidarität!

IKSKu2

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