Klimagerechtigkeitscamp:
Forderungen an die Stadt Regensburg

Vom 8. April bis 7. Mai 2022 errichten Regensburger Klimagerechtigkeitsaktivist*innen am Donaumarkt ein Klimacamp. Wir dokumentieren deren Forderungen, denen Recht auf Stadt sich grundsätzlich anschließt.

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Forderungen an die Stadt Regensburg

In Anbetracht des letzten IPCC Berichtes der UN sollte bereits klar sein, dass uns nur noch wenige Jahre zum Handeln bleiben, um den Klimakollaps abzuwenden. Es ist nicht akzeptabel, aufgrund unserer Ignoranz weniger privilegierte Menschen im globalen Süden zu gefährden. Dabei stehen alle Menschen sowie alle Ebenen der Politik in der Verantwortung, schnellstmöglich zu handeln. So müssen auch die Stadt und der Landkreis Regensburg umgehend ihre globale Verantwortung anerkennen. Deswegen richten wir uns als Camp der Klimagerechtigkeitsbewegung in Regensburg direkt an die Verantwortungsträger*innen und fordern eine sofortige Auseinandersetzung mit unseren Forderungen und die Umsetzung dieser.

Wir sehen unsere Forderungen als direkte Konsequenz einiger weniger indiskutabler Grundannahmen. Wir wollen ein inklusives Zusammenleben aller Menschen und Lebewesen, insbesondere ohne Ausbeutung von Menschen im globalen Süden. Und natürlich das Begrenzen der Erderwärmung auf maximal 1.5°C. Das bedeutet für uns alle einen radikalen Wandel in allen Lebensbereichen, der sich nicht länger aufschieben lässt. Im IPCC Bericht werden die nötigen Schritte auf tausenden Seiten zusammengefasst. Wir weisen alle Politiker*innen auf die Zusammenfassung für Policymakers hin. Diese Forderungen sollten eigentlich nicht notwendig sein. Dass wir unsere Zeit aufwenden müssen, um die Politik auf ihre Verantwortung hinzuweisen, ist eine Frechheit. Wir versuchen uns für MAPA [Most Affected People and Areas, RaS] einzusetzen und sehen es als unsere Verantwortung, die zeitnahe Durchsetzung dieser Forderungen zu erkämpfen. Wir sind in Anbetracht der eskalierenden Klimakrise nicht mehr kompromissbereit.

1 Fairkehr – Stadt für Menschen, nicht für Autos!

  • Rad- und Fußverkehr haben Vorrang
    • Autospuren für Fahrräder umwidmen (sog. Popup-Radwege) – autofreie Spuren nur für Rad, Bus und Taxi ermöglichen, um das Radfahren sicherer und angenehmer zu machen und den Verkehr zu beruhigen
    • Grüne Welle fürs Rad und Bedarfsampeln grundsätzliche für Rad-/Fußverkehr grün (nicht für die Autospur)
    • Tempo 30 im Stadtgebiet (außer Bundesstraßen) für mehr Lärmschutz, Luftreinhaltung, Energieeinsparung und weniger Verletze und Tote durch den Straßenverkehr
    • Radentscheid endlich umsetzen, weil es erklärter Bürger*innenwille ist und jede weitere Verzögerung die Verkehrswende ausbremst
  • Autofreie Innenstadt
    • kein MIV (motorisierter Individualverkehr) in der Altstadt, keine Parkplätze mehr auf Stadtplätzen – weil die Altstadt keine Durchfahrtszone ist; weil Flächen von Menschen, nicht von (u.U. sogar stehendem) Blech genutzt werden sollen
    • dafür braucht es wirksame Kontrollen, damit wirklich kein MIV reinfährt, sondern nur noch Fuß- und Radverkehr, Anwohner*innen, Busse, Taxis, Lieferverkehr und natürlich Rettungsmittel; außerdem sollen automatisch versenkbare Poller sicherstellen, dass keine unbefugt PKW in Wohnstraßen, Spielstraßen oder Fußgänger*innenzonen einfahren, sondern nur berechtigte Menschen (z.B. Anwohner*innen, Rettungsmittel).
  • ÖPNV kostenlos und attraktiv
    • Park&Ride-System weiter ausbauen (v.a. für Berufsverkehr/Pendler*innen), bestehendes Angebot besser bekannt machen, bspw. das 1€-Ticket vom Stadion in die Stadt
    • mittelfristig ÖPNV kostenlos zur Verfügung stellen
    • in Infrastruktur für Autos wird ja auch ohne Ende investiert. Warum nicht mal zur Abwechslung in eine Mobilität für alle investieren? Dazu gehört natürlich auch, den ÖPNV so barrierearm wie möglich zu gestalten.
    • Ergänzung des ÖPNV durch ein Fahrradleihsystem und sichere, überdachte Radstellplätze an Knotenpunkten (wie z.B. Bahnhöfen (Hbf, Prüfening, Burgweinting), DEZ, Arnulfsplatz)
    • Ringlinien und die S-Bahn endlich umsetzen

2 Weg zur Klimaneutralität

  • Wir fordern von der Stadt und vom Landkreis Regensburg, dass sie bis 2030 klimaneutral sind und umgehend einen Plan ausarbeitet, wie dies möglich ist. Dafür ist es notwendig, dass die REWAG bis spätestens 2030 und der RVV bis 2025 klimaneutral sind; dies heißt auch, dass nur noch elektrische Busse angeschafft werden. Ohne diese beiden Unternehmen in städtischer Hand wird es Regensburg und das Umland nie schaffen. Es ist auch notwendig zu verstehen, dass Klimaneutralität 2030 alleine nicht ausreichend ist, sondern die größten CO2 Quellen sofort anzugehen. Außerdem muss die Stadt ein zeitgemäßes Wärmekonzept für Altbauten erarbeiten, das nicht auf der Verbrennung fossiler Rohstoffe basiert. Um Klimaneutralität zu erreichen, müssen die Stadt Regensburg und der Landkreis regionale Stromgewinnung ausbauen. Dazu ist es auch nötig, die 10H Regel abzuschaffen, da diese eine massive Hürde für den Ausbau von erneuerbaren Energien ist. Als Letztes fordern wir, dass die REWAG wieder zu 100% in Bürger*innen- und öffentliche Hand übergeht; dafür müssen alle Anteile von den Bayernwerken zurückkauft werden.

3 Bildung

  • Klimabildung: Wir fordern, dass die Stadt Regensburg ihre Bürger*innen auf den Klimawandel und dessen Folgen aufmerksam macht! Klimabildung soll für alle Menschen in Regensburg zugänglich und nicht zu übersehen sein: an (Hoch-)Schulen, Universität und Arbeitsplätzen in Form von Workshops und Seminaren, im öffentlichen Raum – am liebsten integriert ins Stadtbild – in Form von urbaner Kunst und Infotafeln! Ein gutes Beispiel für öffentlichkeitswirksame Kunst, die auf die Klimakrise aufmerksam macht, liefert Leipzig: Auf die Sachsenbrücke im Clara Zetkin Park wurden zuletzt „Warming Stripes“, die die Klimaerwärmung seit 1850 eindrucksvoll veranschaulichen, in permanenter Farbe aufgemalt. Diese Bildungsinputs sollen über Individual- und Konsumkritik hinausgehen, und systemische Probleme klar benennen. Der Klimawandel hört leider nicht auf, wenn alle Bürger*innen ihr Auto in der Garage stehen lassen und nur noch bio kaufen, während große Firmen und Energieversorgungskonzerne weiterhin für wirtschaftliche Interessen unsere Lebensgrundlage zerstören. Deswegen ist uns wichtig, dass Regensburg als reiche Stadt im globalen Norden öffentlich Verantwortung für die Klimakrise übernimmt, indem sie den Klimanotstand ausruft und Alles in ihrer Macht stehende tut, um den Klimawandel zum Einen aufzuhalten und sich zum Anderen auf die nicht abwendbaren Folgen vorzubereiten – Stichwort: Klimaresilienz.
  • Bildung im Bereich Versammlungsrecht für die Regensburger Polizei: Wir fordern verpflichtende Auffrischungsseminare im Thema Versammlungsrecht für die Regensburger Polizei. Diese glänzt durch ein schockierendes Ausmaß an Unwissenheit bezüglich der Rechtslage politischer Versammlungen, kriminalisiert dadurch friedlichen, demokratischen Widerstand und tritt nicht nur inkompetent, sondern zusätzlich eskalativ und aggressiv auf. So werden Aktivist*innen beispielsweise regelmäßig Straftatbestände vorgeworfen, die nicht existieren und eine Critical Mass im Sinne von §27 StVO wurde am 25.3. ohne ersichtliche rechtliche Grundlage aufgehalten und als nicht angemeldete politische Versammlung deklariert (siehe PM FFF). Es darf nicht sein, dass Klimagerechtigkeitsaktivismus schikaniert wird, weil die Regensburger Polizei nicht über die Gesetzeslage auf politischen Versammlungen Bescheid weiß.
  • Verkehrsbildungskampagnen („Radler*innen haben auch Rechte!“) Wir fordern öffentliche Kampagnen, die den motorisierten Individualverkehr zu Rücksicht auf Radfahrende mahnen und auf Fahrrad-spezifische Abschnitte der StVO aufmerksam machen. Beispielsweise wissen erschreckend wenige Autofahrende Bescheid, wie Fahrradstraßen funktionieren und wie groß Überholabstände sein müssen, und gefährden dadurch die Leben von Radfahrer*innen.

4 Bauen und Wohnen

  • Höchste Energieeffizienz bei Neubauten! In den Bebauungsplänen im Raum Regensburg (Stadt + Landkreis) muss für den Neubau von Wohngebäuden als auch Nicht-Wohngebäuden die höchste Energieeffizienz vorgeschrieben werden. Neue Wohngebäude müssen durch Effizienzmaßnahmen wie Wärmedämmung, Lüftungssysteme, Wärmepumpen und Photovoltaik zu Plus-Energie-Häusern werden. Industriedächer müssen für Photovoltaik genutzt werden, wenn der Betrieb die Investition nicht leisten kann, muss das Dach an die Stadt oder die Bürgerenergiegenossenschaft Regensburg verpachtet werden.
  • Wohnraum für Alle! In einer wachsenden Stadt wie Regensburg muss vorhandener Wohnraum bestmöglich genutzt werden, um Ressourcenverbrauch durch Neubau zu verringern. Die Leerstandssatzung der Stadt Regensburg muss zu einem wirksamen Instrument werden und Leerstand konsequent verhindern. Bisher stehen über 100 bewohnbare Immobilien leer, was zeigt, dass die aktuelle Version der Leerstandssatzung nicht ausreicht.

5 Öffentliches Leben und Ernährung

  • Klimaresilienzplan ausarbeiten
    Unsere Stadt sieht sich schon heute klimabedingt neuen Herausforderungen gegenübergestellt. Extremwetterereignisse, wie Hitzewellen, nehmen signifikant zu. Daran müssen wir uns so gut wie möglich anpassen. Das heißt konkret, die Stadt muss einen Klimaresilienzplan ausarbeiten und konsequent durchsetzen. Dieser muss Folgendes beinhalten:

    • Erhalt und Ausbau von Grünflächen in der Stadt. Um gewappnet zu sein für klimabedingte Hitzeperioden in der ”steinernen Stadt” müssen Grünflächen und Parks erhalten bleiben und dürfen nicht versiegelt und bebaut werden. Frischluftkorridore und der kühlende Effekt von Bäumen sind nicht zu vernachlässigende Gesundheitsfaktoren sowohl körperlich als auch psychisch.
    • Blaue Infrastruktur zum Kühlen der Stadt. Dies impliziert den Ausbau und Neubau von Brunnen in der Altstadt und anlegen von künstlichen Gewässern in Parks.
  • Vegane Ernährung
    Vegane, regionale und saisonale Ernährung ist wissenschaftlich erwiesen die einzig nachhaltige. Deshalb fordern wir die Stadt dazu auf, endlich das Essen in Kantinen, Mensen, Krankenhäusern, Schulen, Kindergärten, Jugendtreffs, Kulturstätten, Stadtrat, städt. Catering, und allen anderen Gemeinschaftseinrichtungen, auf die die Stadt Einfluss nehmen kann, vegan und möglichst regional und saisonal zu gestalten. Außerdem fordern wir die verbindliche Einführung eines Mehrwegsystems für die gesamte Gastronomie in Regensburg.
  • Grundbedürfnisse im öffentlichen Raum decken
    Wir haben den Anspruch, dass Regensburg allen Menschen, nicht nur vor dem Hintergrund immer mehr immer heißerer Tage, eine hohe Lebensqualität ohne Konsumzwang bietet. Wir fordern:

    • Ausbau der öffentlichen Trinkwasserversorgung
      Trinkwasser ist ein Grundbedürfnis und sollte allen Menschen überall und kostenfrei zur Verfügung stehen. Der Bedarf wird durch den Klimawandel weiter steigen, durch öffentliche Trinkbrunnen muss dem effektiv entgegengewirkt werden.
    • Ausbau der Sanitäranlagen
      Um zu erreichen, dass Regensburg eine inklusivere Stadt wird, ist es wichtig öffentliche barrierearme Sanitäranlagen rund um die Uhr kostenlos zur Verfügung zu stellen. Menschen haben unterschiedlich starke Bedürfnisse nach sanitären Anlagen. Beispielsweise menstruierende Menschen, ältere Menschen oder Menschen mit chronischen Erkrankungen. Diesen Personengruppen muss die Teilhabe am öffentlichen Leben stressfrei ermöglicht werden, ohne dass sie gezwungen sind für ihre Grundbedürfnisse zu zahlen.

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