Kundgebung für eine Statue für Menschenrecht und Liebe:
Elly Maldaque statt Kopf-ab-Don-Juan!

Am 10. Dezember ist der Tag der Menschenrechte. Dieses Jahr will der Bund für Geistesfreiheit einmal mehr gegen das unsägliche Schandmal „Kopf-ab-Don-Juan“ im Herzen der Altstadt protestieren. Damit startet die Kampagne für die Aufstellung einer Statue der Lehrerin Elly Maldaque. Sie gilt in Regensburg als erstes Opfer des aufziehenden Nationalsozialismus. In trauter Gemeinsamkeit von Politik, Kirche und Nazischergen wurde sie 1930 zu Tode gebracht. Einladung zur Kundgebung am Menschenrechtstag, 13 – 17 Uhr, Zieroldsplatz.

Collage einer Statue von Elly Maldaque neben dem Standbild von Don Juan mit abgeschlagenem Türkenkopf

Wer war Elly Maldaque?

Elly Maldaque wurde 1893 in Erlangen geboren. Sie unterrichtete von 1920 bis 1930 an der Von-der-Tann-Volksschule in Regensburg. Ab 1929 wurde sie von der Politischen Polizei (dem heutigen Verfassungsschutz) in Zusammenarbeit mit „Hakenkreuzlern“, also Nazis, beschattet. Akribisch wurde erfasst, dass sie zu kritischen Vorträgen gehe oder bei linken Gesangsrunden Klavier spiele.

Schließlich wurde ihr 1930 fristlos gekündigt, wegen Freidenkertums und weil sie „wirkendes“ Mitglied der Kommunistischen Partei sei. Elly Maldaque konnte in kürzester Zeit die Presse mobilisieren und alle Eltern ihrer Schulkinder, auch Eltern, die betont rechts eingestellt waren, zu einem gemeinsamen Brief an die Regierung gegen ihre Entlassung bewegen. Denn die Lehrerin war aufgrund ihrer hervorragenden pädagogischen Fähigkeiten äußerst beliebt.

Doch schon wenige Tage später wurde sie mit der, wie sich später herausstellte, falschen Behauptung, sie habe aufgrund von Verfolgungswahn bei einem Rechtsanwalt einen Vorhang beim Zuziehen heruntergerissen, als „gemeingefährlich geisteskrank“ erklärt und in die geschlossene Anstalt Karthaus-Prüll eingeliefert.

Dort verstarb die sportliche und bislang vollkommen gesunde Frau schon nach 11 Tagen. Die genauen Todesumstände wurden nie geklärt.

Ihr Schicksal erregte deutschlandweit Aufsehen. Rund einhundert Zeitungsartikel erschienen, im bayerischen Landtag gab es mehrere Debatten zu ihrem Fall. Und auch sehr bekannte Künstler, wie z.B. die Schriftsteller Walter Mehring (Die Ballade von Elly Maldaque) und Ödön von Horváth (Die Lehrerin von Regensburg), verfassten Werke über sie.

Warum erregte der Fall so große Aufmerksamkeit? 1930 war das Jahr des Umbruchs von der Demokratie zur sich anbahnenden Diktatur. Präsidialdekrete ersetzten demokratische Abstimmungen, die NSDAP wurde von einer Splitterpartei zur zweitstärksten Kraft im Parlament. Viele demokratisch gesinnte Menschen waren aufs äußerste beunruhigt und fragten sich, wohin sich dieser Staat entwickelt, wenn schon ein Mensch, wie die Lehrerin Elly Maldaque, der einfach nur gut und menschlich sein wollte, so unmenschlich behandelt wird.

Inzwischen wissen wir die Antwort.

Bis heute kein offizielles Erinnern

Das Schicksal von Elly Maldaque hat nichts von seiner Aktualität verloren. Doch bislang wurden alle Bemühungen, öffentlich an sie zu gedenken, verhindert. Hier eine kleine Auswahl:

Warum hat es das Erinnern an Elly Maldaque so schwer? Erstens: Hauptschuld an ihrem Tod trägt die Bayerische Volkspartei (BVP), die ungeniert mit Nazis zusammenarbeitete und zum Teil ähnliche, demokratiefeindliche Ziele verfolgte. Die BVP ist die direkte Vorgängerpartei der CSU. Letztere will wohl jede Erinnerung an ihre dunkle Vergangenheit auslöschen. Zweitens: Elly Maldaque wurde Opfer eines fanatischen Katholizismus, der in einer freidenkerischen Lehrerin den Untergang des Abendlandes sieht. Bekanntlich zieht auch heute noch die katholische Kirche die Fäden in Regensburg.

Kein Denkmal für den Türkenschlächter!

Es gibt wenige, auf die Regensburg stolz sein kann. Don Juan de Austria gehört nicht dazu, schon allein deshalb, weil er mit Regensburg so gut wie nichts zu tun hat. Und was ihn mit Regensburg verbindet, ist schmählich und abstoßend.

Dem kränklichen Potentaten Karl dem V. wurde zur Gemütsaufhellung eine Regensburger Bürgerin zugeführt. Dem aller Wahrscheinlichkeit nach nicht allzu einvernehmlichen Geschlechtsverkehr entsprang ein Kind, das bald nach der Geburt der Mutter entrissen und nach Spanien verbracht wurde. Das war‘s.

Ach ja, angeblich hat dieser Säugling später das Abendland in der Seeschlacht von Lepanto vor den Muslimen gerettet. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn in Europa ein ähnlich tolerantes Regime geherrscht hätte, wie zur Zeit des Islams in Spanien. Ohne Inquisition, Antisemitismus und Hexenverbrennungen hätte das Abendland sicher nie zu sich selbst gefunden.

Das Denkmal des „Hansi von Österreich“ am Zieroldsplatz, das übrigens nur ein billiger Abklatsch des Originals in Messina ist, eine Spende des Millionärs Vielberth an die Stadt, stellt die Rettung der Werte des Abendlandes sinnigerweise mit einem abgeschlagenen Türkenkopf dar, auf dem lässig das kurzbehoste Bein des christlichen Militaristen ruht. Nach der Judensau am Dom dürfte das wohl die ekelhafteste, rassistische Darstellung auf dem Stadtgebiet sein. Höchste Zeit, dieses Schandmal durch eine Figur zu ersetzen, auf die Regensburg zu Recht stolz sein kann!

Aber um der Geschichte die Ehre zu geben: Bei der Seeschlacht von Lepanto ging es im Grunde nur darum, wer zukünftig die Oberhand in Sachen Piraterie hatte. War bis dahin das östliche Mittelmeer für christliche Freibeuter nahezu tabu, konnte danach weit über Zypern hinaus nach Herzenslust geplündert werden.

Warum ein Denkmal für Elly Maldaque?

Wir zitieren aus einem Flugblatt des Bund für Geistesfreiheit und dem ueTheater aus dem Jahr 2015. Es wurde an alle Lehrkräfte, Schüler*innen und Anwohner*innen der Hans-Herrmann-Schule verteilt. Leider vergebens.

  • Der Name „Elly Maldaque“ steht für Menschenrechte:

„Nun fällt mir alles leicht und alles versteht sich von selbst und alle Kräfte stellen sich ein, seit ich den Urquell des Lebens erkannt habe und den Weg des Menschenrechts gehe.“ (Tagebuch Elly Maldaque, 9. Oktober 1928)1

  • Der Name „Elly Maldaque“ steht für Miteinander statt Gegeneinander:

„Gut werden – das ist und bleibt das Einzige und Letzte – aber das Gute zur Erkenntnis bringen und tun – das ist es. Der Weisheit letzter Schluss ist die Milde und die unversiegbare Liebe.“ (Tagebuch Elly Maldaque, 13. September 1927)1

  • Der Name „Elly Maldaque“ steht für Toleranz:

„Und es soll doch alles menschliche Streben zu Liebe für das andere werden.“ (Tagebuch Elly Maldaque, 12. Februar 1928)1

  • Der Name „Elly Maldaque“ steht für eine humane Pädagogik:

„Außerdem ist uns Fräulein Maldaque vorgekommen wie eine Mutter. Wirklich wie eine Mutter, gar nicht wie eine Lehrerin. Man ist gerne in die Schule gegangen, was sonst oft in dem Alter gar nicht der Fall ist. (…) Sie war der Zeit voraus, das Fräulein Maldaque. Ich kann mich z.B. erinnern, dass sie mit unserer Klasse zur Ausstellung „Der Mensch“ im Regensburger Stadtpark gegangen ist. Und zwar war das eine Ausstellung, wo man gesehen hat, wie die Kinder entstehen. Und meine Mutter war froh. Sie hat gesagt, ‚da muss ich dich nicht aufklären‘. Deswegen musste Fräulein Maldaque zum Schulrat gehen und hat eine Verweisung bekommen.“ (Anna-Maria Schneider, ehemalige Schülerin Elly Maldaques)2

  • Das Schicksal Elly Maldaques erinnert uns daran: Wehret den Anfängen!

„Was heute einer des Kommunismus verdächtigen Lehrerin passiert, kann morgen jedem Menschen passieren, der überhaupt nur sich zu denken erlaubt, was mit der offiziellen Lesart nicht übereinstimmt.“ (Regensburger Echo, 4. Juli 1930)1

  • Mit der Umbenennung der Schule würde eine lange schwärende Wunde Regensburgs geschlossen und ein Pfeiler für die Demokratie eingeschlagen:

„Eine schwere Unrechtshandlung! Deswegen müsste dieser Fall ruhig noch mal dem Volk vorgelegt werden und ihm z.B. durch die Benennung der Schule nach Elly Maldaque ins Gewissen gerufen werden. (…) Die Umbenennung der Schule dürfte eine Nagelprobe sein, womit erinnert wird an einen Unrechtsfall, der auch in einem Rechtsstaat geschehen ist. Um eben für alle Zeiten auch bei uns in Regensburg so etwas auszuschließen, sollte die Erinnerung eingebrannt werden.“ (Walter Black, ehemaliger Schüler Elly Maldaques, anlässlich des Antrags der Grünen von 1994, die Hans-Herrmann-Schule in Elly-Maldaque-Schule umzubenennen)2

Spenden

Der mit der Erstellung der Statue betraute Künstler Helmut Wolf schätzt die Kosten für die Statue auf rund 40 000 Euro. Es soll eine Bronze werden, die möglichst naturalistisch dem sogenannten „schönen Bild“ von Elly Maldaque folgt. Es war wochenlang im Schaufenster eines bekannten Regensburger Fotografen ausgestellt. Die Statue soll in Lebensgröße ebenerdig aufgestellt werden, damit sie mitten unter den Menschen steht, und nicht wie Kopf-ab-Don-Juan von einem meterhohen Sockel als einschüchterndes Machtsymbol herabsehen.

Der Bund für Geistesfreiheit stellte für das Vorhaben bereits 5000 Euro zur Verfügung. Wir hoffen, dass sich auch die Stadtverwaltung Regensburg angesichts des bisherigen Versagens angemessen an den Kosten beteiligen wird. Der Rest muss durch Spenden erbracht werden.

Spendenkonto

IBAN: DE76 1203 0000 1075 1802 30
Stichwort: „Maldaque“

Danke!


1 aus: Schröder, Jürgen „Horváths Lehrerin von Regensburg. Der Fall Elly Maldaque“, Frankfurt am Main 1982
2 aus: Kätzel, Ute; Schrott, Karin (Hg.) „Regensburger Frauenspuren“, Regensburg 1995

 
 

Kommentare

  1. Erwin Petzi

    Liebe bfg-ler,

    als Quellenstudium zu Elly ist folgender Titel – aus den Reihen des bfg – unverzichtbar, da J. Schröder das Tagebuch der Elly M. nur in literaturwissenschaftl. Perspektive und verkürzten Ausschnitten bietet:

    Waltraud Bierwirth, Luise Gutmann, Klaus Himmelstein, Erwin Petzi: Der Fall Maldaque. Ein Willkürakt mit Todesfolge. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, 2013, ISBN 978-3-7917-2478-2. (Toleranz mit Todesfolge; Rezension zum Buch mit Hintergrundinformationen zum historischen Fall und seinen Nachwirkungen bis in die Gegenwart, von Renate Hennecke in der Zeitschrift Ossietzky, Ausgabe 6/2013)

    Leider ist der “historische Abriß” über Don Juan ziemlich misslungen. – Hier wäre mehr Sachlichkeit wahrscheinlich zielführender, wenn man Kritik anbringen will, siehe z.B.:
    https://www.nzz.ch/feuilleton/lepanto-die-seeschlacht-von-1571-wurde-stark-mythisiert-ld.1647197

    Übrigens: Als man den Dichter des Don Quijote, der bei Lepanto seine Hand verlor, auf dem Sterbebett fragte, welchen Grabspruch man für ihn wählen solle, sagte er, schreibt: “Er hat an der Seite von Don Juan de Austria bei Lepanto gekämpft!”

  2. Kurt Raster

    Der BfG Regensburg hält die Veröffentlichung der genannten Damen und Herren für keineswegs unverzichtbar, sondern in vielfacher Hinsicht für höchst ärgerlich und verfälschend. Offensichtlich war die Hauptabsicht der Autor*innen auf die Schnelle ein Buch zu einem Thema zu veröffentlichen, das durch das Engagement des ueTheaters wieder in Erinnerung gerufen wurde. Dazu passt, dass der Kommentator und Buchherausgeber Petzi das Standardwerk von Jürgen Schröder über Elly Maldaque als bloße Literaturwissenschaft abtun möchte. Nichts könnte der Wahrheit ferner liegen.

    Während Schröder alle Quellen sichtete und daraus eine umfangreiche und kenntnisreiche Biografie fertigte samt zeitgeschichtlicher Einordnung, neben seiner Analyse zu Horváths Fragment über Elly Maldaque, wollte sich das oben genannte Autor*innenteam nur auf behördliche Akten stützen. Doch gerade behördliche Akten sind keineswegs objektiv, sondern im höchsten Maße tendenziös. Und so kam es wie es kommen musste: In “Ein Willkürakt mit Todesfolge” wird eben nicht die Willkür eines autokratischen Beamtenstaates gezeigt, sondern die Tätersicht transportiert und damit der “Willkürakt” gerechtfertigt.

    Das Bild, das in dem Pustet-Buch von Elly Maldaque gezeichnet wird, gleicht deshalb in fataler Weise den Schutzbehauptungen der damaligen Täter, insbesondere dem des Arztes Korte, der zusammen mit seinen Kollegen Elly Maldaque zu Tode behandelte, und von Kultusminister Goldenberger (BVP), der im Bayerischen Landtag das Vorgehen der Behörden gegen die Lehrerin verteidigte: Elisabeth Maldaque sei selbst schuld an ihrem Schicksal, da sie sich als psychisch labile Person auf so schlimme Dinge wie Politik eingelassen habe.

    Wie Korte zitiert auch Buchautor Himmelstein mehrere Stellen aus Maldaques Tagebuch um seine These von Maldaques „schwieriger psychischer Verfassung“ zu untermauern. Korte spricht von „endogenen Depressionen“, Himmelstein von „Depressionen“.

    Elly Maldaque hat leider nur sehr wenige Tagebucheinträge hinterlassen, insgesamt 14 in etwas über zwei Jahren. In einigen klagt sie mit deutlichen, beinahe schon strengen Worten über ihre eigene Unzulänglichkeiten und Tiefpunkte.

    Objektiv betrachtet ist Elly Maldaque also erstaunlich stabil. Nur alle paar Monate benötigt sie ihr Tagebuch, um sich ihre Nöte von der Seele zu schreiben. Nachdem sie aus dem Elternhaus ausgezogen und endlich „auch äußerlich frei von allen alten Ketten“ ist (Tagebuch 14. Juli 1929), hat sich das Tagebuchschreiben für sie bezeichnenderweise komplett erledigt.

    Doch geschickt in Reihe geschaltet, wie Korte und Himmelstein es praktizieren, erzeugen die gesammelten Begriffe ein anderes Bild: „Tiefpunkt“, „Ohnmacht“, „lähmende Depression.“

    Allerdings scheinen dies sehr eigentümliche „Depressionen“ gewesen zu sein, wenn man betrachtet, welch enormes Pensum Elly Maldaque in der gleichen Zeit, in der sie Tagebuch schrieb, absolvierte.

    Sie unterrichtete an sechs Tagen in der Woche, in der Regel bis 16 Uhr. Sie kümmerte sich um ihren verwitweten Vater. Sie las erstaunliche Mengen Sachliteratur. Sie besuchte die unterschiedlichsten Vorträge. Sonntags, an ihrem einzigen freien Tag, machte sie oft Ausflüge mit ihren Schülerinnen. Sie lernte Russisch, war in einem Sportverein und verfolgte das künstlerische und politische Geschehen. Außerdem managte sie eine komplizierte, heimliche Liebesbeziehung. Schließlich sind noch ihre vielen und häufig sehr anspruchsvollen Reisen zu erwähnen (Paris, Dalmatien, Spitzbergen). Tja, und fast schon nebenbei, krempelt sie ihr ganzes bisheriges Weltbild um.

    Und all dies erledigte sie offensichtlich mit Erfolg, wie ihre Beliebtheit bei Schülern und Eltern beweist und die Angst der Politischen Polizei vor ihrem wachsenden Einfluss. Darüber hinaus hat sie, wie Professor Schröder in seinem Standardwerk schreibt, seit 1922 „ohne Unterbrechung ihren Dienst getan“. Ehrlich gesagt, wenn ich in so kurzer Zeit ebenso viel auf die Reihe bekäme wie Frau Maldaque, dann hätte ich gerne ihre „Depressionen“.

    Die Autor*innen von „Ein Willkürakt mit Todesfolge“ waren nicht bereit, über diese fatalen Aussagen ihrer missglückten Biografie auch nur zu reden. Sogar der Gesprächsversuch durch den Vorsitzenden des Bundes für Geistesfreiheit wurde zurückgewiesen. Das hat nichts mit “Geistesfreiheit” zu tun, aber viel mit der Borniertheit von Antiaufklärung, was so ziemlich das Gegenteil von Maldaques Wollen und Wirken ist.

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