Kundgebung "9-Euro-Ticket muss bleiben!":
Ein gelungenes Experiment! Mobilität ist kein Luxus! Geld ist genug da!

Text und Videomitschnitt der Rede der Künstlerin Carolin Schiml bei der von ihr organisierten Kundgebung “9-Euro-Ticket muss bleiben!” vor dem Regensburger Hauptbahnhof am 26.08.2022.

Nahaufnahme von Carolin Schiml, die eine Rede zum Erhalt des 9-Euro-Tickets vor dem Regensburger Bahnhof hält

Carolin Schiml, Bild: Herbert Baumgärtner

Ein gelungenes Experiment!

Das 9-Euro-Ticket war in mehrerlei Hinsicht ein Experiment, auch in gesellschaftlicher Hinsicht. In unserer demokratischen Gesellschaft sollten eigentlich alle gleich sein. Das 9- Euro-Ticket war ein Schritt in diese Richtung. Für 9 Euro imMonat konnten alle die vorhandene Infrastruktur des ÖPNV nutzen. Egal, iob sie in Hamburg oder im bayerischen Wald leben. Egal, ob sie 16, 40 oder 85 Jahre alt sind. Egal ob sie Schülerin, Hausmann, Krankenpfleger, arbeitslos oder Rentnerin sind. Egal, ob sie einen deutschen oder einen anderen Pass haben oder welche Sprache sie sprechen. Es war für alle gleich und es hat uns in den Waggons der zweiten Klasse vereint: Menschen, die sich sonst nicht begegnen oder miteinander ins Gespräch kommen würden, verbrachten Stunden zusammen auf engstem Raum. Wir saßen alle im selben Zug und mussten lernen, miteinander umzugehen. Unsere Kinder haben miteinander gespielt, unsere Koffer standen einander im Weg und unsere Fahrräder sind einander über die Zehen gerollt.

Was kann ein besseres Sinnbild für unsere Gesellschaft sein? Was kann die Durchmischung unserer Gesellschaft besser fördern? Auch die Tatsache, dass das 9-Euro-Ticket nur für den Regionalverkehr galt und nicht für ICEs hat einen wenig beachteten Vorteil gebracht: Die Menschen haben Städte und Dörfer gesehen, die ae sonst nie besucht hätten und unterwegs die regionale Wirtschaft gefördert, wenn sie sich zum Beispiel etwas zu essen oder zu trinken gekauft haben.

Diese Aspekte sollten nicht übersehen werden.

Peter Sindl trägt eine Rede zum Erhalt des 9-Euro-Tickets vor dem Regensburger Bahnhof vor

Peter Sindl trägt den Beitrag “”Mobilität ist kein Luxus” von Carolin Schiml vor, Bild: Herbert Baumgärtner

Mobilität ist kein Luxus!

Mobilität ist kein Luxus. Mobilität ist notwendig zum Leben. Wir müssen zum Arzt oder zum Amt fahren oder unsere Oma besuchen. Diese Dinge sind wichtig und die Ticketpreise hindern uns daran. Geld verhindert, dass wir leben können.

Wer sich noch nie entscheiden musste, ob vom letzten Geld eine Fahrkarte oder etwas zu essen gekauft werden soll, kann das Problem vielleicht nicht verstehen. Aber es betrifft Millionen von Menschen in der Bundesrepublik. Wenn die Frage nicht lautet, wohin es in den Urlaub gehen soll, sondern wie ich im nächsten Monat zur Arbeit kommen soll, dann ist das ein existenzielles Problem. Es betrifftzunsere Freundinnen, unsere Nachbarn, die Menschen, die hier mit uns heute auf dem Platz stehen.

Das Fahren ohne gültigen Fahrschein ist strafbar, aber unzähligen Menschen bleibt nichts anderes übrig. Sie müssen kriminell werden, um von A nach B zu kommen. Durch die steigenden Preise wird sich dieses Problem in den kommenden Monaten noch verschärfen. Wie können wir das zulassen?

Darum lautet meine Forderung: 9 Euro oder weniger! 9-Euro-Ticket verlängern oder die öffentlichen Verkehrsmittel für alle kostenlos zur Verfügung stellen! Alles andere führt zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich.

Carolin Schiml hält eine Rede zum Erhalt des 9-Euro-Tickets vor dem Regensburger Bahnhof

Carolin Schiml, Bild: Herbert Baumgärtner

Geld ist genug da!

Über die Finanzierbarkeit des 9-Euro-Tickets ist in den letzten Monaten viel diskutiert worden. Klar ist, es würde den deutschen Staat viel Geld kosten, diese Möglichkeit grundsätzlicher Mobilität weiterhin bereitzustellen. Alle fragen sich: Woher soll das Geld kommen?

Ich aber frage euch: Woher kamen die 100 Millionen Euro Sondervermögen für die Bundeswehr?

Woher kommt das Geld, mit dem der Staat seit Jahrzehnten in Krisenzeiten große Unternehmen und Banken unterstützt? Wenn der Staat Geld braucht, kann er welches herbeidefinieren. Das steht dann plötzlich zur Verfügung, auch wenn es vorher hieß „wir haben wirklich kein Geld“. So ist es immer.

Warum sollte jetzt nicht einmal Geld für uns zur Verfügung stehen? Für die Bahn’? Für eine gerechtere Mobilität in Deutschland, für eine wirksame Verkehrswende, für UNS?

Ich will jetzt nicht genauer darauf eingehen, welche Steuervergünstigungen es für Autofahrerinnen und die Automobilindustrie gitb, die zugunsten des 9-Euro-Tickets aufgegeben werden können oder sollten. Ich sage nur: Da ist Potenzial vorhanden.

Menschen aus der Ober- und Mittelschicht, die das 9-Euro-Ticket kaum oder gar nicht genutzt haben und Menschen auf dem Land, wo der ÖPNV so schlecht ausgebaut ist, dass ihnen das Ticket nichts gebracht hat, sagen jetzt: Es sei ihnen schade um IHRE Steuergelder, von denen jetzt andere profitieren, die mit dem 9-Euro-Ticket fahren. Doch das ist ein Akt der Solidarität. Man beteiligt sich an etwas, von dem man selbst keinen direkten Nutzen hat.

Diejenigen, die sich über volle oder verspätete Züge beschweren, und darum das 9-Euro- Ticket nicht nutzen, können sich bei Bedarf auch ein Flixbus-Ticket leisten oder mit dem Auto fahren. Sie sind nicht darauf ANGEWIESEN. Das sind nicht diejenigen, die ihre Familie seit einem Jahr nicht mehr gesehen haben, weil die in einem anderen Bundesland wohnt.


Videomitschnitte der Reden

Spontane Rede einer Kundgebungsteilnehmerin

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