3. Leerstandsaktionstag:
Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Ordnungsamt und Polizei

Wie bereits Fridays For Future und Initiativen gegen Rechts hatte auch das Bündnis Solidarische Stadt Regensburg erhebliche behördliche Probleme im Vorfeld und während der letzten Kundgebung gegen Leerstand in Regensburg. Wir dokumentieren die Dienstaufsichtsbeschwerde des Bündnisses.

2022 01 27 Bild 3x Plakat fuer Homepage verschoben 1

An
Oberbürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer
Altes Rathaus
Rathausplatz 1
93047 Regensburg

An
Polizeipräsident Norbert Zink
Polizeipräsidium Oberpfalz
Bajuwarenstraße 2c
93053 Regensburg

 

Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Ordnungsamt und Polizei

Sehr geehrte Oberbürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer, sehr geehrter Polizeipräsident Norbert Zink,

Polizei und Ordnungsamt der Stadt Regensburg stehen aktuell massiv in der Kritik. Die Umweltschutzaktivist*innen von Fridays For Future Regensburg wandten sich in einer vielbeachteten Presseerklärung an die Medien. Zukünftig werde FFF nicht mehr mit Polizei und Ordnungsamt zusammenarbeiten. Ihnen begegneten nur Schikane, Versammlungsverbote und Hinhaltetaktiken, während unangemeldete Versammlungen rechtslastiger Querdenker*innen geradezu fürsorglich betreut würden.

Auch Gruppen aus dem Widerstand gegen Rechts berichteten von erheblichen Ungleichbehandlungen durch die beiden Institutionen, wie aus einem Bericht des Internetblocks Regensburg Digital hervorgeht.

Leider müssen wir, das Bündnis Solidarische Stadt Regensburg, die Kritik an den beiden Institutionen bestätigen. Unseres Erachtens sind Ordnungsamt und Polizei oft keine Hilfe, sondern Gegner*innen. Auch wir erlebten bei unserer letzten Kundgebung gegen Leerstände in Regensburg trotz großer Zugeständnisse unsererseits überwiegend Behinderungen bis hin zur offensichtlich in Kauf genommener Gefährdung von Kundgebungsteilnehmer*innen.

Ordnungsamt

Gut 14 Tage vor der für den Samstag, den 29.01.2022 geplanten Versammlung vor dem Leerstand Keplerstr. 4 informierte unser Bündnispartner Recht auf Stadt das Ordnungsamt. Zeit: 15 bis 20 Uhr; Teilnehmendenzahl: ca. 30 bis 50 Menschen; Thema: “Leerstand in Regensburg”. Mitgeführte Gegenstände: Tische, Bänke, Audioanlage, Theaterequipment. Der Anzeige lag ein Satellitenbild bei, auf dem der Kundgebungsbereich mit einem roten Oval über die gesamte Breite der Keplerstraße eingezeichnet war.

Versammlungsort Keplerstrasse mit Einzeichnung

Dieses Bild war der Anzeige der Kundgebung beim Ordnungsamt beigefügt.

Am selben Tag kam vom Ordnungsamt die Rückfrage, wieviele Tische wir verwenden wollen und wo diese stehen sollen. Außerdem wurden Zweifel geäußert, ob wir die vorgeschriebenen 1,5 Meter Mindestabstand einhalten könnten, da die Häuserfront der Keplerstr. 4 nur 7 Meter betrage. Die Angaben seien notwendig für die Beurteilung insbesondere

“im Hinblick auf die derzeit geltende Infektionsschutzmaßnahmenverordnung sowie im Hinblick auf eventuelle Einschränkungen des ÖPNV”

Unsere Initative antwortete ebenfalls am selben Tag:

“… es sollen zwischen zwei und vier Biertische und entsprechend Bänke dazu aufgestellt werden. Diese sollen auf der Straße und angrenzenden Bürgersteig so platziert werden, dass zwischen Keplerstr. 4 und angrenzenden Häusern gegebenenfalls eine vorgeschriebene Breite für Rettungsfahrzeuge frei ist. Eine Durchfahrt für den ÖPNV oder Autos ist während der Kundgebung jedoch nicht möglich. (…) Die Kundgebung wird sich nicht nur auf die 7 Meter Hausfront begrenzen, sondern, wie aus der Skizze ersichtlich, sich in die Breite ziehen, so dass für den notwendigen Mindestabstand gesorgt ist.”

Rund eine Woche später antwortete das Ordnungsamt, es sei nicht erkennbar

“weshalb die Fahrbahn für die Versammlung in einem Zeitraum von fünf Stunden an einem Samstag mit entsprechend hoher allgemeiner Verkehrsbelastung und Auslastung des ÖPNV gesperrt werden soll.”

Uns wurde von dem Zuständigen beim Ordnungsamtes Herrn Böhm als Versammlungsfläche ein Bereich neben dem Gasthof “Zum Sauseneck” vorgeschlagen, der auf einem beigefügten Lageplan als schraffiertes Dreieck gekennzeichnet war.

Versammlungsflaeche

Das schraffierte Dreieck ist die vom Ordnungsamt vorgeschlagenen Alternativfläche, auf der rund 50 Teilnehmende samt Bänke und Theaterbühne ihre Kundgebung abhalten sollten.

Uns ist schleierhaft, wie der Leiter des Ordnungsamtes auf die Idee kommen kann, auf der handtuchgroßen Fläche könne eine Versammlung mit bis zu 50 Teilnehmenden, mehreren Tischen und Bänken sowie Theaterbühne untergebracht werden, zumal bei vorgeschriebenen 1,5 Meter Mindestabstand zwischen den Teilnehmenden.

Ersatzflaeche Keplerstrasse

Ein Blumenbeet füllt nahezu die komplette, vom Ordnungsamt vorgeschlagene Ersatzfläche aus.

Zudem, und dass schlägt dem Fass den Boden aus, ist der Großteil der Fläche von einer übergroßen Blumenkiste belegt, in der zwei Bäume stehen. Offensichtlich trifft das Ordnungsamt Entscheidungen am Grünen Tisch, ohne sich über die Örtlichkeit informiert zu haben. Recht auf Stadt lehnte die Verlegung nach Rücksprache mit dem die Kundgebung organisierenden Bündnis Solidarische Stadt Regensburg ab, bot jedoch an, die Kundgebungszeit um 1,5 Stunden zu verkürzen. Werde die Kundgebung jedoch verboten, werde geklagt.

Nun schlug Herr Böhm in einem Telefonat vor, nach Absprache mit der Polizei könne die Kundgebung am gewünschten Platz stattfinden, falls der Verkehr während der Kundgebung durchgeführt werden könne. Die Polizei würde die Durchschleusung regeln.

Dieser Vorschlag ist womöglich noch abenteuerlicher als die Verlegungsidee. Auf der einen Seite stehen die Redner*innen und wird das Theaterstück aufgeführt, zwischendrin fahren ständig Busse und Autos vorbei und auf der anderen Seite befinden sich die rund 50 Kundgebungsteilnehmenden. Wieder verwiesen wir im Telefonat auf den Klageweg, sollte uns ein entsprechender Bescheid zugestellt werden.

Nun bemerkte Herr Böhm, dass die Polizei auch geäußert habe, eine Kundgebung am Sonntag, also am 30.01.2022 sei weniger ein Problem. Hier könne die Straße komplett gesperrt werden. Auf diese Alternative ließ das Bündnis sich schließlich ein, obwohl es eine erhebliche Beeinträchtigung darstellte: Plakate waren bereits gedruckt und aufgehängt, die Presse war informiert, auf Social-Media-Kanälen wurde bereits intensiv für den Samstag geworben. Außerdem konnten einige Redner*innen, Künstler*innen und eingeladene Gruppen, die für den Samstag zugesagt hatten, am Sonntag nicht teilnehmen.

Am folgenden Tag, den 27.01.2022, wurde das Ordnungsamt über die Entscheidung des Bündnisses informiert. Gegen Mittag erreicht uns die Mail von Herrn Böhm:

“… vielen Dank für Ihre Mitteilung.

Wir können Ihnen bestätigen, dass die Versammlung am Sonntag zur angegebenen Kundgebungszeit wie beantragt auf der gesamten Fahrbahn der Keplerstraße durchgeführt werden kann. Der Bereich wird für die Kundgebungsdauer dann komplett für den Verkehr gesperrt werden.”

Polizei

Am Sonntag begab sich das Orgateam des Bündnisses in die Keplerstraße. Zu unserer Überraschung war zum vereinbarten Kundgebungsbeginn um 15:30 Uhr nichts abgesperrt. Keine Polizei war vor Ort. Es waren lediglich zwei kleine, rot-weiße Straßensperren auf dem Bürgersteig bereitgestellt. An der Bushaltestelle wurde in der digitalen Anzeige darauf hingewiesen, dass diese während der Kundgebungszeit nicht angefahren werde.

Ordner*innen der Kundgebung stellten die beiden Straßensperren jeweils an den Enden der Kundgebung auf die Keplerstraße. Von vielen Autofahrenden wurden die Straßensperren und die Kundgebungsordner*innen jedoch ignoriert. Während Audioanlage, Theaterbühne und Bänke aufgestellt wurden, fuhren immer wieder Autofahrende mitten durch die beginnende Kundgebung hindurch. Andere schimpften lauthals, drohten und hupten. Die Situation war sehr aufgeheizt. Einige Autofahrende traten so aggressiv auf, dass eine gewalttätige Eskalation zu befürchten war.

Nach etwa 20 Minuten und etlichen Auseinandersetzungen mit Autofahrenden kamen dann doch noch Polizeikräfte. Es hätte Anrufe von Autofahrenden gegeben, dass hier die Straße gesperrt werde. Als wir auf die angemeldete Kundgebung verwiesen, gaben sie vor, nichts davon zu wissen. Sie ließen sich die Kundgebungsanzeige sowie den Mailverkehr mit dem Ordnungsamt zeigen.

Nachdem sie sich von der ordnungsgemäß angemeldeten Kundgebung überzeugt hatten, regelten sie schließlich den Verkehr. Erst ab da konnte die Kundgebung wie geplant und ohne gefährliche Zwischenfälle abgehalten werden. Die Polizist*innen, die angaben, von der Polizeidienststelle Minoritenweg zu kommen, entschuldigten sich beim Versammlungsleiter. Sie hätten wirklich nichts gewusst.

Einschub

Es ist fraglich, ob die Polizei tatsächlich nichts wusste. Herr Böhm vom Ordnungsamt berief sich mehrmals auf Rücksprachen mit der Polizei. Beispielsweise sei der Alternativvorschlag “Sonntag” von der Polizei gekommen. Außerdem wusste der ÖPNV ganz offensichtlich Bescheid und Straßensperren waren bereitgestellt, an denen ein Hinweis auf die Kundgebung angebracht war. Vom Ordnungsamt wurde die Information also offensichtlich weiter gegeben. Es könnte daher durchaus sein, dass die Polizei bewusst nicht gekommen ist.

Dies wäre nicht das erste Mal. 2019 meldete der Versammlungsleiter eine Kundgebung auf der Albertus-Magnus-Str. an. Mit Hausverboten hatte das Studentenwerk Ndb/Opf Aufführungen der Theatergruppe “ueTheater” im Elly Maldaque Theater an der Uni verhindert. Aus Protest dagegen wollte die Gruppe direkt unter dem Theaterhaus auf der Albertus-Magnus-Straße das betreffende Stück aufführen, wozu eine Straßensperrung unabdingbar war. Es ist eine vielbefahrene Straße, die auch einige Buslinien benutzen. Trotzdem teilte das Ordnungsamt der Theatergruppe am 13.06.2019 mit:

“Die Polizei hat mitgeteilt, dass dort keine Notwendigkeit gesehen wird, die Versammlungen zu betreuen.

Sollten Sie von Seiten der Universität die Erlaubnis erhalten am Tunneleingang bzw. -ausgang die Versammlungen abzuhalten, ist es notwendig Ihrerseits bereits an den Kreuzungen Albertus-Magnus-Str./Universitätsstr. und Albertus-Magnus-Str./Galgenbergstr. jeweils die Straße geeignet abzusperren und diese Absperrungen jeweils mit einem Ordner zu besetzen, um zu verhindern, dass Autofahrer in diesen Bereich einfahren.”

Da der Theatergruppe das Risiko gefährlicher Auseinandersetzungen mit wütenden Autofahrenden für sich und die Zuschauenden zu groß war, außerdem keinerlei Kapazitäten vorhanden waren, den Verkehr selbstständig zu regeln, musste die Kundgebung abgesagt werden.

Forderung

  • Das Ordnungsamt hat Versammlungen zu ermöglichen, nicht zu verhindern. Momentan scheint überwiegend letzteres der Fall zu sein, zumindest wenn die Kundgebung dem linken Spektrum zugeordnet werden kann. Mit nachweislich nicht praktikablen “Alternativ”vorschlägen – sei es aus Absicht, sei es aus Inkompetenz oder Verantwortungslosigkeit – werden Veranstaltende hingehalten. Erst aufgrund von Klageandrohungen ist das Ordnungsamt offenbar bereit, einzulenken. Inzwischen ist wertvolle Zeit verstrichen und das Kundgebungsziel, eine möglichst große Anzahl von Menschen zu erreichen, wurde erheblich beeinträchtigt.

  • Es muss genau untersucht werden, wie es zu der entweder nicht weitergeleiteten Information an die zuständigen Polizisten kam oder ob die Polizei bewusst die Sicherung der Versammlung verweigerte, um diese dadurch eventuell zu verhindern. Auf jeden Fall wurden durch die mangelhafte, grob fahrlässige Arbeit der Polizei die Kundgebungsteilnehmenden einem unkalkulierbaren Risiko ausgesetzt.

Mit freundlichen Grüßen,
(Unterschrift) / Bündnis Solidarische Stadt Regensburg

 

Anlagen

Kommentar abgeben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert