Bericht vom 23.06.2021:
Deutschland – Griechenland und ein Horrorparlamentsbeschluss in Dänemark

infostandsommer2017Heute berichten uns Menschen, dass es relativ ruhig im Abschiebelager sei, in den letzten zwei Wochen sei niemand abgeschoben worden, eine Person sei direkt von Abschiebung bedroht. Jemand fragt uns, wie es mit Fingerabdrücken in Griechenland ist. Für die Geflüchteten ist es unvorstellbar, dass nach Griechenland abgeschoben werden könnte.

Zwischen 2011 und 2017 gab es tatsächlich einen Abschiebe-, Rückführungsstopp nach Griechenland. Danach jedoch entschied die EU-Kommission, dass sich die Zustände im griechischen Asylsystem so gebessert hätten, dass das sogenannte Dublin-Verfahren wieder anlaufen kann. Deutschland hatte daraufhin wieder mit Überstellungen angefangen. Im Folgenden dokumentieren wir einige wichtige Verwaltungsgerichtsurteile diesbezüglich:

Das VG Potsdam hatte 2018 entschieden: „1. Eine Dublin-Abschiebung nach Griechenland ist zulässig, wenn die griechischen Behörden eine Zusicherung abgegeben haben, die Vorgaben der Aufnahmerichtlinie umzusetzen. Dies gilt (entgegen dem Schreibens des BMI vom 15.03.2017) auch für Abschiebungen von vulnerablen Personen, da mit der Zusicherung eine Vulnerabilität nicht mehr vorliegt.“ Das VG Trier legte 2020 in der Coronapandemie nach: Obwohl Griechenland die Übernahme wegen Überlastung der Kapazitäten abgelehnt hat, sei es nach Auffassung des Gerichts zuständig. „In Griechenland droht weder Dublin-Rückkehrenden noch ‚Anerkannten‘ eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta. Dublin-Rückkehrende werden nicht auf den Ägäis-Inseln, sondern ausweislich der bisherigen individuellen Zusicherungen im Camp Eleonas in Athen untergebracht.“ Wir möchten daran erinnern, dass seit 2020 in Deutschland unzählige Organisationen, Gruppen und Aktivist_innen die direkte Aufnahme von Geflüchteten aus Griechenland fordern. Auch wenn es sich hierbei um Geflüchtete der katastrophalen Auffanglager auf den Inseln handelt, wissen wir, dass die Situation für diejenigen, die auf dem Festland untergebracht sind, nicht wirklich besser ist. Das hat im Januar 2021 auch ein wegweisendes Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster erklärt: In Griechenland bestehe für anerkannte Geflüchtete die Gefahr, dass sie ihre elementarsten Bedürfnisse („Bett, Brot, Seife“) für einen längeren Zeitraum nicht befriedigen können. Ihnen drohe im Fall ihrer Rückkehr nach Griechenland die ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung und damit eine Verletzung von Art. 3 EMRK. Dadurch wurden immerhin in Nordrhein-Westfalen die Abschiebungen anerkannter Geflüchteter nach Griechenland gestoppt. Jedoch hat sich diese Entscheidung bislang nicht auf die anderen Bundesländer ausgewirkt. Deshalb fordern wir einen sofortigen Abschiebungsstopp nach Griechenland!

Außerdem möchten wir euch über einen aktuellen Parlamentsbeschluss aus Dänemark informieren: Geflüchtete, die in Dänemark Asyl suchen, sollen in Zukunft direkt nach der Stellung ihres Asylantrags in ein Drittland außerhalb der EU gebracht werden. Dort soll ihr Antrag geprüft werden. Aber selbst wenn der Bescheid positiv ausfallen sollte, sollen sie nur in diesem Drittland oder in einem UN-Flüchtlingslager Schutzanspruch und Aufenthalt erhalten. Die Aufnahmeländer werden von Dänemark finanzielle Unterstützung erhalten – es gibt bereits Gespräche mit Ägypten, Tunesien, Ruanda und Äthiopien. Auch wenn dieser Plan offenkundig rechtswidrig ist, wissen wir, dass geltendes Recht von Herrschenden beliebig passend gemacht werden kann. Gerade zur Abwehr von Geflüchteten haben wir das schon oft genug erlebt. Zudem fügt sich die dänische Entscheidung nahtlos in die Pläne der EU-Kommission, die Asylanträge an den Außengrenzen (aber innerhalb) der EU vorprüfen möchte, um schneller und einfacher abschieben zu können. In Dänemark haben die seit 2019 regierenden Sozialdemokrat_innen die Migrationspolitik der liberal-konservativen Vorgängerregierung somit nochmals deutlich verschärft. Für Geflüchtete bedeutet das, dass sie sich auf keine Regierung verlassen können. Für uns bedeutet das, dass wir unsere Kämpfe europaweit deutlich besser verbinden müssen. Denn der Kampf um Bewegungsfreiheit wird sich noch mehr als bereits heute an die Außengrenzen verlagern.

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