Stellungnahme Internationaler Kultur- und Solidaritätsverein (IKS) 25.06.2020:
Das Leiden des kurdischen Volkes hat kein Ende

IKS Logo 2Seit 2 Wochen bombardiert das türkische Militär erneut Teile von Kurdistan. Diesmal ist das Ziel nicht Nordsyrien, sondern die autonome kurdische Region im Irak, Südkurdistan. Der Vorwand des faschistischen Erdogan Regimes ist wie immer der gleiche, nämlich die Bekämpfung eines angeblichen Terrorismus. Aber es ist bekannt, dass dies eine Lüge ist.

Betrachtet man die Opfer der Angriffe, dann wird sofort klar, worum es dem Regime geht. Wie in Afrin und Rojava sind meist Zivilist_innen kurdischer Orte betroffen. Besonders abscheulich ist der jüngste Angriff vom 25.6. auf einen Erholungspark für Familien. Es gab mehrere Tote und Verletzte. Das zeigt, dass die Türkei eine dauerhafte Besetzung dieser Gebiete vorhat. Dadurch sollen die jetzt bestehenden Grenzen zu den Nachbarstaaten verschoben werden. Würde dies dem Regime gelingen, wären es große Verluste für die demokratischen und fortschrittlichen Kräfte in der Region, die vor allem in Rojava ein basisdemokratisches System umgesetzt haben. Endgültige Verlierer_innen werden die jesidischen und christlichen Minderheiten sein, die Teil der emanzipatorischen Entwicklung in der Region sind. Die Angriffe in Sengal erfolgten nur einen Tag, nach der Rückkehr von 150 Überlebenden des Überfall des IS 2014. Die jesidische Gemeinschaft wertet die Bombardierungen daher auch als Teil eines türkischen Plans, die Rückkehr von geflüchteten Genozid-Überlebenden zu erschweren. Die jesidische Bevölkerung solle mit den Luftangriffen eingeschüchtert werden, damit sie ihr Kerngebiet im Nordwesten des Landes im Sinne der neo-osmanischen Expansionsbestrebungen der Türkei aufgibt.

Auch das offiziell unter UNHCR Schutz stehende Flüchtlingscamp Mexmur im Nordirak , das sich selbst verwaltet, wurde bombardiert. Dort leben seit 1998 12.000 Menschen, die Mitte der 1990er Jahre aus der Türkei geflohen sind, als der Krieg um Kurdistan von der türkischen Armee zunehmend gegen die Zivilbevölkerung geführt wurde. Seitdem sind sie auch im Nordirak permanenten Bedrohungen durch die Türkei ausgesetzt und erhalten in Wirklichkeit keinerlei internationale Unterstützung.

Woher bezieht Erdogan diesen Mut, dass er so weit gehen kann, Angriffe auf fremdes Territorium zu starten ohne mit internationalen Folgen rechnen zu müssen? Wo bleibt der Schutz der internationalen Gemeinschaft für Minderheiten? Wo bleibt ihr Einsatz für die viel gepriesenen Menschenrechte?

Die aggressive Kriegspolitik zeigt uns, dass die Angriffe nicht nur in Erdogans Interesse liegen, sondern auch im Interesse der weltweiten Großmächte. Es geht um die Zerschlagung Syriens, die Spaltung des Irak, um den jeweilig eigenen Einfluss zu festigen. So wird das kurdische Volk zum wiederholten Male geopfert und den völkerrechtswidrigen Angriffen der Türkei nichts entgegengesetzt.

Das Erdogan Regime ist sich dieser internationalen Situation bewusst, es nutzt diesen Zustand gnadenlos aus und erweitert seine Macht auf Kosten der kurdischen Bevölkerung. Dass die kurdische Bewegung von der EU und den USA als „terroristisch“ eingestuft und somit delegitimiert wird, gibt Erdogan zusätzlich einen Freibrief für seine Expansionspolitik. Dazu kommen wirtschaftliche und politische Beziehungen. Allein die BRD hat 2019 42 % der gesamten Kriegswaffenexporte im Wert von rund 345 Millionen Euro an die Türkei verkauft. Auch der jüngste Vorwurf der UNO an die Türkei, schweren Völkerrechtsbruch wegen Waffenlieferungen an Kriegsparteien in Libyen und wegen des Angriffskrieges auf kurdische Siedlungen im Nordirak wird daran nichts ändern.

Das bedeutet für uns, dass nicht allein die Türkei Kriegspartei gegen die Kurd_innen ist, sondern alle Staaten, die trotz ihres Wissens um die Vernichtungspolitik politisch, wirtschaftlich und militärisch mit ihr zusammenarbeiten. Es ist bekannt, dass Erdogan im Inland mit allen ihm zur Verfügung stehenden diktatorischen Mitteln die kurdische Bevölkerung und die Opposition verfolgt. Seitdem er als alleiniger Herrscher an der Macht ist, wurden fast alle Institutionen außer Kraft gesetzt und er regiert im Land per Dekret. Es ist absurd, von unabhängiger Justiz, freier Presse und funktionierendem Parlamentarismus im Sinne der bürgerlichen Demokratie zu sprechen. Was funktioniert, das ist die Unterdrückungsmaschinerie in Form von Polizei, Militär und Paramilitär und Geheimdiensten, die in erster Linie die kurdische Bevölkerung und deren politischen Kräfte brutal niederschlagen.

Selbst internationale Vereinbarungen wie zum Beispiel zwischen den USA und Russland hinsichtlich Syrien, halten die Türkei nicht von weiteren Angriffen ab. So wurde am 23.6. in der Region Rojava durch einen Drohnenangriff eine extralegale Hinrichtung von drei bekannten kurdischen Aktivistinnen durchgeführt. Die Welt schweigt ein weiteres Mal.

Wir als internationalistischer Verein sind genauso wie die Kurd_innen, die auf der ganzen Welt leben, wütend, traurig und zum Teil verzweifelt. Wir verabscheuen die Doppelmoral, die der Politik innewohnt. Die einerseits von Demokratie und Menschenrechten spricht und andererseits die brutale menschenverachtende Politik der Türkei duldet und unterstützt.

Deshalb fordern wir Deutschland und die anderen beteiligten Staaten auf, sofort zu handeln:

  • alle wirtschaftlichen Beziehungen, insbesondere der Waffenexport in die Türkei, sofort beenden
  • eine sofortige Flugverbotszone über Rojava und der kurdischen autonomen Regierung im Irak durchsetzen
  • die türkischen Truppen in Nord- und Ostsyrien durch UN Resolutionen zum Abzug zwingen
  • Schluss mit der Kriminalisierung von politischen Aktivitäten von Kurd_innen auf der ganzen Welt

Wir rufen alle solidarischen Menschen und Gruppen auf, ihre Stimme für das kurdische Volk zu erheben.

Hoch die internationale Solidarität!

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