Bericht 24.06.2020:
Abschiebemaschinerie läuft langsam wieder an

leaveSeit dem 15.6. sind Dublin-Überstellungen wieder möglich. In der Corona-Krise hatte Deutschland diese Überstellungen im März ausgesetzt. Währenddessen hat das Bundesinnenministerium auch die Sechs-Monats-Frist für vorübergehend außer Kraft erklärt, um die Menschen später überstellen zu können. In einem ersten Schritt sollen jetzt Geflüchtete auf dem Landweg in Deutschlands Nachbarstaaten abgeschoben werden. Später sind auch Abschiebungen auf dem Luftweg in andere Länder geplant.

Die Geflüchteten, die heute zu uns kommen, wissen, dass Abschiebungen wieder möglich sind, aber es herrscht große Unsicherheit, wer davon wann betroffen sein könnte. Wir informieren so gut als möglich. Besonders wichtig ist, dass alle, deren Dublinfrist im April, Mai oder Juni abgelaufen ist, mit Hilfe der Beratungsstelle oder ihrer Rechtsanwält_innen das BAMF auffordern, ihr Asylverfahren zu übernehmen. Dies gilt nicht nur für die, die gegen den BAMF Hinweis zur Aussetzung der Überstellungsfrist geklagt haben. Rund 22 000 Menschen wurden vom BAMF angeschrieben, von diesen haben ca. 9000 Geflüchtete dagegen geklagt. Zur Zeit sieht es noch so aus als müsste jeder Fall einzeln gerichtlich durchgekämpft werden. Mut macht eine erste Entscheidung des VG Schleswig-Holstein von Mitte Mai (siehe u.a. VG Schleswig-Holstein, 10. Kammer, 10 A 596/19 vom 15.05.2020).

Dabei muss noch einmal erwähnt werden, dass Deutschland als einziger Mitgliedstaat entgegen der eindeutigen Empfehlung der Europäischen Kommission die Überstellungsfristen während der Corona-Pandemie eingefroren hat.

Gerade eben beginnt die deutsche Ratspräsidentschaft in der EU. Dabei wurde von Deutschland beteuert, dass es sich während der Ratspräsidentschaft für eine faire Verantwortungsteilung innerhalb der EU einsetzen und das Dublin-System von Grund auf reformieren wolle. Diese Aussagen sind vor dem Hintergrund der Aussetzung der Dublinfristen blanker Hohn!

Neben der Unsicherheit hinsichtlich der beginnenden Abschiebungen machen sich die Geflüchteten, die nicht mit Covid-19 infiziert waren, weiterhin Sorgen um ihre Gesundheit. Denn an den Lebensbedingungen im Lager hat sich nichts geändert.

Andere Geflüchtete kommen mit Amtsschreiben, die sie nicht verstehen. Hier hängt noch die Zeit, in der es keinen bzw. kaum Zugang zu den Beratungsstellen gab, nach. Es gibt einen großen Bedarf an Übersetzung und Erläuterung von Briefen sowie darauffolgender Unterstützung. Sehr verhängnisvoll ist es auch, dass sich die Beratungsstellen im Abschiebelager reduziert haben.

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