Stadtverwaltung verhindert soziale Wohnungspolitik:
Zweckentfremdungssatzung ist für den A…

Vor gut einem Jahr wurde die „Satzung der Stadt Regensburg über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum“, kurz: Zweckentfremdungssatzung, vom Stadtrat verabschiedet. Recht auf Stadt fragte zum einjährigen Jubiläum bei den zuständigen Ämtern nach, was seitdem geschehen ist, beispielsweise wieviele Ferienwohnungen verhindert wurden oder wieviele Bußgelder für Leerstände verhängt wurden. Antwort: 0. In Worten: Null. Und eigentlich ist es noch schlimmer.

Lindnergasse2

Statt 500 000 Euro Buße Bestandsrecht für Leerstand. Herr Adler sagt danke!

Sage niemand, er habe es nicht gewusst

Für den 19.07.2019 stand der Entwurf der Stadtverwaltung für eine Zweckentfremdungssatzung im Stadtrat zur Abstimmung an. Eine derartige Satzung wurde von wohnungspolitischen Gruppen seit Jahren immer wieder gefordert und seit Jahren von der Stadtverwaltung immer wieder als unnötig abgetan. Nun aber war es endlich soweit. Offensichtlich war die Peinlichkeit inzwischen zu groß geworden, als Wohnungsnotstandsgebiet nicht einmal über dieses Minimalinstrument verfügen zu wollen.

Doch, wenn eine Verwaltung etwas jahrelang blockiert, kann dann trotzdem was Gutes dabei herauskommen? Recht auf Stadt (RaS) war skeptisch. Und tatsächlich: Eine Analyse ergab, die vorgeschlagene Satzung verhinderte weder Leerstand noch Ferienwohnungen, sondern ganz im Gegenteil: Es legalisiert sie! Sogar illegalen Zweckentfremdungen wie unangemeldeten Ferienwohnungen wurde Bestandsrecht verliehen! (RaS’ Analyse kann hier nachgelesen werden)

RaS war so empört, dass sie die Analyse an alle Stadträt*innen vorab per Email verschickte und Aktivist*innen sich am Tag der Abstimmung an den Zugängen zum Rathaus positionierten und persönlich jeder*m vorbeikommenden Stadträdt*in überreichten.

Doch kein*e Stadträt*in interessierte sich auch nur einen Deut dafür, was RaS herausgefunden hatte. Sie ignorierten die Analyse völlig. Alle wollten so tun, als würde mit der Satzung endlich ein ganz großes Ding für den Wohnungsmarkt gestemmt. Klar, es war Wahlkampf.

Ein Jahr für Topf aufstellen?

Über die Internetplattform FragDenStaat legte RaS der Stadtverwaltung, insbesondere Bauordnungsamt und Amt für Stadtentwicklung, einen umfangreichen Fragenkatalog vor, quasi zum einjährigem Jubiläum. Fragen nebst Antworten können hier und hier nachgelesen werden.

Leute, es macht einfach keinen Spaß, wenn mensch immer Recht hat. Denn was schrieb RaS vor einem Jahr? „Selbst die beste Satzung nutzt nichts, wenn die Verwaltung sich weigert, diese umzusetzen.“

Und wie um unserer Behauptung den ungewünschten Beweis zu liefern, gab die Verwaltung unumwunden zu, dass sie seit einem Jahr gegen Ferienwohnungen und Leerstand nix gemacht hat, rein gar nichts, null, niente, nothing.

Es scheint fast so, als sei erst durch die Anfrage von RaS überhaupt Bewegung in den Laden gekommen. Das Amt für Stadtentwicklung antwortete auf unsere Anfrage von Anfang Juli 2020:

„Mit Einführung der Zweckentfremdungssatzung 2019 wurden die rechtlichen Voraussetzungen zur Nachverfolgbarkeit und Bekämpfung von Zweckentfremdungen von Wohnraum im Stadtgebiet Regensburg geschaffen. Die Einrichtung der hierfür notwendigen Organisationseinheit (Personal, Büroräume, Ausstattung) wird Ende Juli 2020 abgeschlossen sein. Insofern kann die Thematik erst ab diesem Zeitpunkt in vollem Umfang bearbeitet werden. Natürlich ist es unser Anliegen, zügig Rückstände aufzuarbeiten und uns bekannte Zweckentfremdungen zu verfolgen.“

Die Verwaltung brauchte also ein geschlagenes Jahr, nur um überhaupt die Voraussetzung zu schaffen, gegen Zweckentfremdung vorgehen zu können! Eine Sympathisantin von RaS bemerkte spöttisch, wahrscheinlich dauerte es solange, bis man sich einig war, wo im neuen Büro der Blumentopf hinkommt.

Aber gibt es überhaupt ein Büro? RaS fragte nach, wie die Einrichtung denn heißen werde und wie sie zu erreichen sei. Und erwartungsgemäß antwortete die Sachbearbeiterin im Amt für Stadtentwicklung unter der von RaS bereits vielgeschmähten Leitung von Anton Sedlmeier:

„Die Organisationseinheit zum Vollzug der Zweckentfremdungssatzung ist als Team dem Amt für Stadtentwicklung, Abteilung Stadterneuerung und Wohnungswesen, zugeordnet. Sie besteht aus drei Personen (die Teamleitung obliegt dabei mir).“

Also irgendwie doch kein Büro und keine offiziellen Sprechstunden zwecks Zweckentfremdung, sondern nur eh-schon-da-Kräfte, die in ihrem eh-schon-da-Büro sitzen und halt zwischendurch mal auf dumme Nachfragen antworten. Und tatsächlich, wer auf der Homepage der Stadt nach irgendeiner Anlaufstelle sucht, wo sie*er Leerstand und illegale Ferienwohnungen melden kann, wird ums Verrecken nicht fündig werden. Es gibt sie schlicht nicht. Nicht einmal die Dame, die verkündete, der Teamleitung inne zu sein, konnte von RaS auf der Homepage entdeckt werden.

Wie anders da zum Beispiel München. Dort können vermutete Zweckentfremdungen sogar bequem online gemeldet werden.

Was sich dagegen auf der Homepage der Stadtverwaltung Regensburg findet sind Tipps, wie Zweckentfremdungen weiterhin möglich sind. Kein Witz! Unter dem Punkt „Kann Zweckentfremdung überhaupt noch genehmigt werden?“ finden sich entsprechende Hilfestellungen. Und passend dazu gleich ein Formular zur bequemen Beantragung von Zweckentfremdungen!

Und wieder hat RaS leider recht: „… in der Verwaltung müssen endlich Menschen in Verantwortung kommen, die das Gemeinwohl umtreibt, nicht das Eigentümerwohl“

Null weniger Leerstand

Wir meldeten über 70 ausgewählte Leerstände. Zu jedem wollten wir wissen, ob dieser bereits bekannt war und was diesbezüglich unternommen wurde. Das Amt für Stadtentwicklung antwortete zunächst ausweichend:

„Ein großer Teil der in der Mail enthaltenen Immobilien war uns bereits bekannt und ist teilweise bereits bearbeitet worden. Dazu gehört zunächst abzuklären, ob es sich bauordnungsrechtlich um Wohnimmobilien oder Gewerberaum handelt. Nur bei Wohnimmobilien greift die Zweckentfremdungssatzung. Im Anschluss erhalten die Eigentümer ein Anhörungsschreiben und erst dann können weitere Schritte erfolgen.“

Auf unsere Nachfrage, wieviele Anhörungsschreiben schon rausgegangen seien, kam die tapfere Antwort:

„Bislang wurden noch keine Anhörungsschreiben an die Eigentümer von leer stehenden Immobilien versendet.“

Aber nicht verzagen. Das Amt für Stadtentwicklung verspricht nach einem Jahr Topfplatzsuche Besserung:

„Hinsichtlich der Leerstandsverfolgung sind erste Ergebnisse bzw. Maßnahmen in den nächsten Monaten zu erwarten.“

Immerhin hat sich das Amt für Stadtentwicklung für unsere Leerstandsmeldungen erkenntlich gezeigt:

„Wir danken Ihnen noch einmal für Ihre Hinweise auf potenzielle Leerstände und die damit verbundene Unterstützung unserer Arbeit.“

Welcher Arbeit?

Illegal? Scheißegal!

Und nun zu den Ferienwohnungen. Monatlich wird vom Bauordnungsamt das „Verzeichnis der im Amtsweg behandelten Baugesuche und Vorbescheide“ herausgegeben. Dort finden sich alle Baugenehmigungen einschließlich der Nutzungsänderung von Wohnraum in Ferienwohnungen. RaS war aufgefallen, dass auch nach der Verabschiedung lustig und unvermindert Ferienwohnungen genehmigt wurden. Deshalb fragten wir nach, was es mit diesen Genehmigungen auf sich habe. Für jede einzelne Genehmigung wollten wir wissen warum. Antwort:

„Wir bitten um Verständnis, dass eine individuelle Mitteilung aller Einzelfälle nicht möglich ist.“

Wir wollten wissen: „Wieviele illegale Ferienwohnungen wurden seit Inkrafttreten vom zuständigen Amt entdeckt? Auf welche Weise wurden diese entdeckt? Wie war jeweils das konkrete Vorgehen, um den Wohnraum wieder seinem eigentlichen Zweck zuzuführen? Wie oft war die Rückführung zu Wohnungszwecken erfolgreich? Wurden Bußgelder verhängt? Wenn ja wieviele und in welcher Höhe?“ Antwort:

„Anträge auf Genehmigungen zu neuen Zweckentfremdungen wurden bisher weder abgewiesen noch erteilt.“

Abgesehen davon, dass keine einzige unserer Fragen beantwortet wurde, allenfalls indirekt – ohne Verfolgung keine Bußgelder – ist das auch insofern eine sehr merkwürdige Aussage, denn zweifellos wurden Umnutzungen von Wohnraum in Ferienwohnungen genehmigt, wie die monatlichen Berichte des Bauordnungsamt belegen. Antwort:

„Bei den bisher beim Amt für Stadtentwicklung bearbeiteten Fällen handelt es sich ausschließlich um Ferienwohnungsnutzungen, die bereits vor Inkrafttreten der Satzung und seitdem nachweislich ununterbrochen betrieben wurden. Damit unterliegen diese § 2 Abs. 3 Nr. 2 der ZeS, nach dem es sich nicht um eine Zweckentfremdung von Wohnraum handelt, weil faktisch kein Wohnraum mehr vorliegt. Diese Nutzungen genießen Bestandsschutz.“

Das, was das Bauordnungsamt so locker und harmlos wirkend hier von sich gibt, ist in Wahrheit ein Hammer. Denn im Klartext heißt das: Wenn jemand vor der Verabschiedung der Zweckentfremdungssatzung illegal eine Ferienwohnung betrieben hat, dann darf er das weiter tun, aber jetzt legal!

Der Trick ist folgender: Es wird nicht geguckt, ob eine Ferienwohnung illegal war, also nicht gemeldet, sondern nur, ob diese vorher auch schon als Ferienwohnung genutzt wurde. Ist dies der Fall, bekommt sie Bestandsrecht, wird also automatisch genehmigt.

Das ist ungefähr so, als würde mensch sagen, weil du schon immer gestohlen hast, darfst du jetzt weiter stehlen, legal, zwecks dem Bestandsrecht.

Übrigens verleiht die Satzung auch Leerstand Bestandsrecht, falls dieser, wie es in § 2 Abs. 3 Nr. 2 heißt, „bereits vor dem Inkrafttreten dieser Satzung und seitdem ohne Unterbrechung anderen als Wohnzwecken diente“, sprich leer stand. Das wird den Herrn Adler sicher freuen! Endlich hat er den Segen der Verwaltung!

Ist das nicht geil! Eine Zweckentfremdungssatzung, die Zweckentfremdung fördert, statt zu bekämpfen!

Ferienwohnungen 2020 09 scaled

Genehmigte Ferienwohnungen allein September 2020, Quelle: Sitzungskalender Stadtrat

Anzeige?

Wie weiter? Im Grunde wurde vom Stadtrat mit der Verabschiedung der Regensburger Zweckentfremdungssatzung gegen das Bayerische Zweckentfremdungsgesetz verstoßen und zwar vorsätzlich, da ja die Analyse von RaS den Stadträt*innen vorlag.

Laut diesem Gesetz kann eine Gemeinde eine Satzung verabschieden, wenn eine „ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen“ gefährdet ist, um damit zu erreichen, dass „Wohnraum nur mit ihrer Genehmigung überwiegend anderen als Wohnzwecken zugeführt werden darf“.

Wie oben beschrieben, ist die Regensburger Satzung mitnichten ein Instrument, um andere als Wohnzwecke zu verhindern, sondern im Gegenteil eine Generalgenehmigung selbst für illegale Ferienwohnungen und Leerstand.

Wenn jemand gegen ein Gesetz verstößt, dann folgt darauf eine Strafe. Wenn jemand mit einer Satzung gegen ein Gesetz verstößt, was soll dann geschehen? Anzeige z.B. wegen Begünstigung (§ 257 StGB)? Normenkontrollklage? Der Bezirksregierung den Gesetzesverstoß melden, da diese die Rechtsaufsicht inne hat?

Da dieser Artikel als Pressemitteilung auch an alle Stadtratsfraktionen und diverse Einzelstadträt*innen verschickt wird, die direkte Frage an Sie: Was soll RaS Ihrer Meinung nach tun? Oder tun Sie etwas?

Kommentar

  1. Anonymous

    In Regensburg scheint alles etwas anders zu laufen. Ich bin sprachlos

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