Verdrängung in Regensburg:
Trotz Prozessbetrug: Richterin verhängt Räumung

Wieder einmal wurde vor dem Amtsgericht Regensburg einer Räumungsklage stattgegeben. Dies ist in Regensburg, in dem es laut der städtischen Abteilung Statistik rund 100 Wohnungsräumungen pro Jahr gibt, nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlich war allerdings, dass die Vermieter sogar mit offenem Prozessbetrug durchkamen. Der Mieter ging in Berufung und erstattete Anzeige gegen das Vermieterpärchen und die Richterin.

Erikaweg 13

In diesem Haus unterm Dach wohnt der Mieter seit 1986, seit über 30 Jahren

Vorgeschichte

Wir schreiben das Jahr 1986 und alles war gut. Der Mieter bezog eine Sozialwohnung der Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft Ndb/Opf und freute sich über eine geräumige, bezahlbare Wohnung: 46 qm für 126 DM (!). Komfort? Null. Niedrige Zimmer, keine Böden, alles Mansarde. Nicht mal eine Heizung wurde vermieterseits spendiert. Eine sogenannte Schlicht- oder Einfachwohnung eben. Aber egal. Hier bleibst du bist du stirbst, dachte sich der Mieter. Da kannst du auch was investieren.

Der erste Schock. Die Sozialbindung lief aus und 2003 wurde die Wohnung an die Heuschrecke Annington verkauft, heute Vonovia. Nun kamen die Mieterhöhungen so pünktlich, dass der Mieter die Uhr danach stellen konnte. Jedesmal saftige 20 %. Immerhin, Annington/Vonovia machte leidlich seinen Job. Mängel wurden zwar nur behelfsmäßig, dafür aber rasch behoben.

Dann 2011 wieder verkauft. Nun an ein Anlegerpärchen. Damit begann der Stress. 5 Prozesse sind es inzwischen, alle von den neuen Eigentümern gegen den Mieter angestrengt.

Prozess 1

Mehr Miete. Obwohl die Vermieter keine Heizung stellten, wollten sie dennoch Miete für eine Immobilie mit Einzelöfen, die allerdings der Mieter selbst bezahlt und aufgestellt hatte. Sowas ist natürlich total verboten, sagt der BGH.1 Der Mieter brauche nicht doppelt blechen, einmal für die Anschaffung und dann für eine höhere Miete wegen der Wertsteigerung. Der Mieter akzeptierte nicht, die Vermieter klagten. Und Richter L. vom Amtsgericht sprach Unrecht: Er verurteilte den Mieter zur Zahlung einer Miete für eine von diesem selbst eingerichtete Heizung. Super!

Prozess 2

Knall auf Fall folgte der nächste Prozess. 80 % höhere Wasserkosten, ohne dass der Mieter seinen Verbrauch geändert hatte. Zunächst behaupteten die Vermieter, der Fehler sei gefunden, der Mieter bekomme sein Geld zurück. Doch im folgenden Jahr das gleiche Bild. Wieder exorbitant hohe Wasserkosten, diesmal 40 %. Kommentar der Eigentümer: Ein Fehler sei nun doch nicht gefunden und der Mieter habe zu zahlen.

Muss er aber nicht. Bei unbegründet hohen Nebenkosten brauchen Mietende nur den Schnitt der Vorjahre abzudrücken, sagen das Kammergericht Berlin2 und das Bundesministerium der Justiz3. Denn Vermieter seien laut Bürgerlichem Gesetzbuch § 556 BGB dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit verpflichtet. Schon bei 10 % mehr als üblich müssen Vermieter*innen Bemühungen gegen die Steigerung vorweisen, andernfalls gibt es kein Geld.

Doch bei den Regensburger Richter*innen heißt es wohl: Mia san Mia! Was interessiert uns ein Bundesministerium! Der Mieter muss zahlen, urteilte Richter S. vom Amtsgericht Regensburg. Übrigens: Weder Richter noch Vermieter gingen davon aus, der Mieter habe das Wasser selbst verbraucht. Immerhin hier herrschte Konsens. Toll!

Prozess 3

Der Mieter wurde nun bockig, zahlte nur die Hälfte der übertriebenen Nebenkosten und zog wegen der nichtvorhandenen Heizung einen Teil von der Miete quasi als Mangel ab. Und, ihr wisst schon was jetzt kommt, Prozess Numero 3. Diesmal Räumungsklage, weil der Rückstand angeblich zwei Monatsmieten betrage. Dumm nur, dass die Vermieter vorsätzlich eine erhebliche Nebenkostenrückerstattung zurückhielten, um auf die zwei Monatsmieten zu kommen, und Ihnen dies der Mieter nachweisen konnte. Richter V. vom Amtsgericht wies die Räumungsklage daher ab. Endlich ein Richter der Recht sprach!

Prozess 4

Doch der Frieden währte nicht lange: Neuerliche Mieterhöhung und neuerlicher Prozess. Dieser endete zur Abwechslung mal mit einem Vergleich. Eine etwas höhere Miete, rückwirkend zum 01.11.2017, dafür aber die Festschreibung einer knapp 3 qm geringeren Wohnfläche. Durch eine Dachsanierung und Brandschutzmaßnahmen Herbst 2015 hatte sich diese reduziert. Weniger Fläche bedeutet weniger Nebenkosten, da diese anteilsmäßig über die Quadratmeter abgerechnet werden. Und natürlich weniger Miete bei künftigen Mietsteigerungen.

Der Mieter überwies sofort die neu vereinbarte Miete. Die Mietrückstände zum 01.11.2017 wollte er mit der zu erwartenden Nebenkostenrückerstattung verrechnen, da sich nach seiner Schätzung beide Beträge zu einem großen Teil aufhoben. Doch nicht mal 14 Tage nach dem Vergleich: Eine Nebenkostenabrechnung ohne Anpassung und eine darin geforderte Nettomiete, die weit über der vereinbarten Vergleichsmiete lag. Ohne dies mit einem Wort auszuführen, wollten die Vermieter anscheinend für die fast drei Jahre zurückliegende Dachsanierung Modernisierungskosten. Doch die angeblichen Modernisierungskosten, welche die Vermieter schon einmal Februar 2017 vergeblich einzutreiben versuchten, waren spätestens mit dem Vergleich abgefrühstückt.

Der Mieter zahlte weiterhin die vereinbarte Vergleichsmiete, wohlwissend, dass aufgrund der angeblichem Mietrückstände wegen nicht gezahlter Modernisierungskosten bald die nächste Klage in seinem Briefkasten liegen wird. Und, siehe da, fast schon langweilig: 2te Räumungsklage und 5ter Prozess.

Zweite Räumungsklage

Eigentlich schaute es anfangs für den Mieter recht gut aus. Die Richterin gewährte sogar Prozesskostenhilfe. Dies ist bemerkenswert, denn Prozesskostenhilfe wird von Regensburger Gerichten erfahrungsgemäß äußerst restriktiv verteilt. Da die Bewilligung nicht nur vom Einkommen, sondern auch von einer „hinreichenden Aussicht auf Erfolg“ (§ 114 ZPO) abhängt, ist ein positive Zusage schon mal ein günstiges Vorzeichen.

Außerdem verlangte die Richterin von den Räumungsklägern eine akribische Auflistung und sachliche Begründung aller angeblichen Mietrückstände. Diese hatten vorher nur eine schwer zu deutende Excel-Tabelle vorgelegt, keine Nebenkostenabrechnungen, keine Mieterhöhenbescheide. Wenn es ein*e Richter*in auch bei den Eigentümer*innen genau nimmt, dann ist das zumindest ermutigend.

Und schließlich konnte der Mieter zusammen mit seiner Rechtsanwältin der Gegenseite Urkundenfälschung und damit Prozessbetrug nachweisen. Da die angeblichen Modernisierungskosten für die Sanierung Herbst 2015 mit dem Vergleich von Mai 2018 juristisch erledigt waren, datierten die Räumungskläger kurzerhand ihr Schreiben von Februar 2017, worin sie den Modernisierungszuschlag zuerst erhoben hatten, um auf Juni 2018, also auf eine Datum nach dem Vergleich. Das manipulierte Schreiben reichten sie frech bei Gericht als Beleg für einen angeblichen Mietrückstand ein.

Glücklicherweise hatte der Mieter das Originalschreiben samt gestempeltem Umschlag aufbewahrt und konnte den Betrug mühelos aufdecken.

Schlampige Klage, Urkundenfälschung und Prozessbetrug und eine anscheinend korrekte Richterin – eigentlich konnte für den Mieter nichts mehr schiefgehen, dachte er.

Peinlicher Prozess

Auch der Prozess begann vielversprechend. Die Anwältin der Gegenseite hatte den Termin glatt versemmelt und die Richterin musste ihr hinterher telefonieren. „Das habe ich noch nie gehabt“, meinte die Richterin verblüfft. Reichlich verspätet traf die Anwältin schließlich ein. Die Sekretärin habe den Termin falsch eingetragen. Ein peinlicheres Bild konnte die Klägerseite kaum abgeben.

Wie zu erwarten, klärte die mündliche Verhandlung wenig. Die Gegenseite versuchte es mit Pöbeleien und unverschämten „Angeboten“. Wenn der Mieter freiwillig ausziehe, dann werde ihm statt fristlos „nur“ ordentlich gekündigt. Trotz nachgewiesenem Prozessbetrug keinerlei Schuldbewusstsein.

Wie kalt die Vermieter ihre Interessen verfolgten, wurde an folgender Episode deutlich. Die Vermieterin jammerte der Richterin vor, die Wohnung diene doch ihrer Altersvorsorge, das müsse man doch verstehen. Klar, mit einem Bestandsmieter verdient sich nur ein Bruchteil der auf einem durchgeknallten Wohnungsmarkt möglichen Miete. Für die eigene Altersvorsorge einen dort über 30 Jahre wohnenden Mieter auf die Straße zu werfen, der selbst schon aufs Altenteil zugeht, das müsse doch jede*r einsehen, dass das eine ganz normale, legitime Sache ist!

Die Richterin ließ all dies stoisch über sich ergehen und zeigte keine Tendenz in irgendeine Richtung. Doch war ihr anzumerken, dass sie vom Sachverhalt und dem chaotischen Vorbringen der Vermieter – beispielsweise gab es für den 01.11.2017 gleich vier unterschiedlich hohe Mietbegehren – überfordert war. Wohl deswegen und weil für bestimmte Posten immer noch Belege fehlten, wurde die Verhandlung vertagt.

Eigentlich hätte der Mieter nun stutzig werden müssen. Denn objektiv gesehen war der Sachverhalt höchst simpel: Mit dem Vergleich wurden Nettomiete und Nebenkosten eindeutig festgelegt. Während sich der Mieter an den Vergleich hielt, missachteten die Vermieter diesen völlig. Sie erhoben rotzfrech eine höhere Nettomiete und passten auch die Nebenkosten nicht an die verringerte Wohnfläche an. Sogar Laien dürften kaum Schwierigkeiten haben, Schuld und Schuldige rechtsfehlerfrei zu identifizieren.

Trotzdem, als die Richterin schriftlich anfragte, ob die Parteien mit einer Entscheidung ohne einer weiteren Verhandlung einverstanden wären, stimmte der Mieter freundlicherweise zu. Mensch will ja dem Gericht gerne unnötige Arbeit ersparen. Die Sache war ja schließlich klar wie Dünnbier.

Schuld ist immer der Mieter

War sie nicht. Denn, das müssen sich Mieter*innen immer bewusst machen: Richter*innen sind in aller Regel keine Mieter*innen. Besoldungsgruppe sowie krisensicherer Job erlauben problemlos den Erwerb eigener Immobilien. Daher ist der Richtenden Verständnis für Eigentümer verständlicherweise deutlich stärker ausgeprägt, als für Eigentumslose, will heißen: Wo ein Wille ist, findet eine Richtsperson immer eine höchstrichterliche Begründung. So auch hier: Räumung! Aus dem Urteil:

Nicht plausibel im Hinblick auf eine Mietminderung ist der nachgeschobene Vortrag der beklagten Partei, eine Minderung werde nunmehr auf das Fehlen einer Heizung gestützt, (…) Es ist angesichts der Dauer des Mietverhältnisses davon auszugehen, dass dem Beklagten dieser Umstand bei Vertragsschluss bekannt war.

Merke: Wenn ein Mieter sich wehrt, bekommt er zum Schaden auch noch den Spott. Das Fehlurteil aus Prozess 1 wird völlig ignoriert. Stattdessen wird dem Mieter unterstellt, er wäre zu blöde um zu checken, dass seine Wohnung beim Einzug keine vom Vermieter gestellte Heizung hatte.

Angesichts des Vergleichsschlusses war der Beklagte verpflichtet, die Rückstände für den Zeitraum November 2017 bis Mai 2018 unverzüglich nach dem 18.05.2018 zu begleichen. (…) Selbst wenn der Beklagte nach Vergleichsschluss der Meinung gewesen sein sollte, es ergäbe sich im Rahmen der Betriebskostenabrechnung ein Rückzahlungsanspruch, so ist ein solcher erst mit Zugang der Betriebskostenabrechnung fällig.

Merke: Allein der Mieter ist verpflichtet. Die Eigentümer können machen, was sie wollen. Selbst wenn diese nicht mal 2 Wochen später alle Vergleichsvereinbarungen fröhlich über Bord schmeißen, muss der Mieter klaglos und vor allem unverzüglich blechen!

Im Übrigen ist der Vortrag des Beklagten, er habe angesichts der Verkleinerung der Wohnfläche eine Rückzahlung erwartet, ohnehin nicht plausibel, da in sämtlichen vorgelegten Betriebskostenabrechnungen nicht eine einzige Position nach Wohnfläche umgelegt wird, eine Verkleinerung der Wohnfläche für die Betriebskostenabrechnung demzufolge irrelevant ist.

Merke: Selbst wenn der Mieter wiederholt darauf hinweist, dass die Nebenkostenabrechnungen formal falsch sind, weil die Vermieter sich nicht mal die Mühe machen, den korrekten, im Mietvertrag festgelegten Umlageschlüssel anzugeben, wird eine Richtsperson immer die Dokumente der Eigentümer als sakrosankt und unfehlbar betrachten.

Da das Verschulden vermutet wird, obliegt die Darlegungs- und Beweislast für ein fehlendes Verschulden dem Mieter.

Merke: Vermutet wird das Verschulden immer beim Mieter. Vermieter können das Blaue vom Himmel herunter verlangen – zur Erinnerung: vier (!) unterschiedlich hohe Mietforderungen zum 01.11.2017 –, der Mieter muss stets die Unrechtmäßigkeit beweisen. Gelingt ihm das nicht: Räumung!

Der Beklagte hat als Mieter sorgfältig zu prüfen, ob eine Einstellung oder Kürzung der Mietzahlung gerechtfertigt ist. Im Zweifelsfall hat er den Rat eines Rechtsanwalts einzuholen. Dies hat der Beklagte jedoch unterlassen.

Merke: Wie bereits festgestellt, ist ein Mieter einfach nur blöde. Ohne die hilfreiche Hand eines Rechtsanwalts macht er alles falsch. Er muss doch wissen, dass eine fehlende Heizung unmöglich ein ausreichender Grund für eine Mietminderung sein kann! Nebenbei: Das entsprechende Schreiben über die Mietminderung wurde den Vermietern über die Rechtsanwältin des Mieters zugestellt. Das hat die vorurteilsbehaftete Richterin in ihrem hehren Juristeneifer verständlicherweise übersehen.

Auch Nachzahlungen nach Vergleichsschluss im Mai 2018 hat er unterlassen, obwohl sich ihm geradezu aufdrängen musste, dass er angesichts der im Vergleich vereinbarten Miethöhe ab November 2017 zu solchen verpflichtet ist.

Merke: Auch wenn Vermieter sämtliche Vergleichsvereinbarungen immedeatly canceln, so muss sich einem Mieter selbstredend geradezu aufdrängen, trotzdem wie ein dummes Schaf zu zahlen. Wenn er das nicht tut: Räumung!

Ferner hat er die Erhöhung der Vorauszahlungen in der Betriebskostenabrechnung vom 08.06.2018 schlichtweg ignoriert. Die leichtfertige Art und Weise, in der sich der Beklagte über seine vertraglichen Zahlungspflichten hinweg setzt, verdeutlicht, dass ihn an der Kürzung der Zahlungen ein Verschulden trifft.

Merke: § 1: Vermieter haben immer Recht! Selbst eine formal falsche, vertrags- und vergleichswidrige Abrechnung wird zum geltenden Recht, wenn ein Vermieter das will. Besteht ein Mieter dennoch „leichtfertig“ auf sein Recht, dass die Nebenkosten bitteschön nach der tatsächlichen Fläche berechnet werden, weil der Mietvertrag dies so regelt, dann trifft ihn die volle Härte des Gerichts in einer „Art und Weise“, dass er sein „Verschulden“ in der Obdachlosigkeit überdenken darf.

Das Kündigungsschreiben (…) erfüllt die Anforderungen des § 569 Abs. 4 BGB, indem es die Zahlungsrückstände konkret aufführt. Dass teilweise höhere Zahlungsrückstände aufgeführt wurden, als tatsächlich bestehen, ändert an der Wirksamkeit der Kündigung nichts, da es dem Beklagten ohne Weiteres möglich war, angesichts des Ergebnisses der vorausgegangenen Gerichtsverfahren und der ihm zugegangenen Betriebskostenabrechnungen die tatsächliche Höhe der Rückstände zu errechnen.

Ohne Kommentar. Auch einem Zyniker fehlen irgendwann die Worte. Göttin sei Dank gibt es aber noch Orwells Neusprech: „Krieg ist Frieden“, „Freiheit ist Sklaverei“, „Unwissenheit ist Stärke“. Dank der Richterin kann ein neuer Neusprech-Slogan hinzugefügt werden: „Konkret ist ungefähr“.

Und die Urkundenfälschung?

Mit keinem Wort ging die Richterin auf die Urkundenfälschung ein und auf den versuchten Prozessbetrug, im Gegenteil. Sie stützte sich ausschließlich auf das vom Mieter eingebrachte Originalschreiben und erwähnt das manipulierte Dokument mit keinem Wort. Was allerdings nicht heißt, dass sie es nicht berücksichtigte. Denn sie ging offensichtlich irrtümlich davon aus, dass der Mieter das manipuliert Schreiben an dem angegebenen Datum nach dem Vergleich tatsächlich bekommen hatte, was nicht der Fall war.

Hätte er es bekommen, wäre dem Mieter klar gewesen, dass die Vermieter den Vergleich, zumindest was die Nettomiete betrifft, respektierten, und lediglich mit ein bisschen Betrügerei nachhelfen wollen. Dagegen hätte er mit Leichtigkeit angemessene Schritte einleiten können. Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit wäre es nicht zur Räumungsklage gekommen.

So aber schloss der Mieter, die Vermieter würden den Vergleich komplett missachten, was sie ja auch faktisch taten. Die Richterin, obwohl sie die Vermieter kaltschnäuzig zu hintergehen versucht hatten, trug ihnen nichts nach. Wie immer sprang sie ihrer Klientel edelmütig zur Seite:

Der Beklagte hat schon nicht plausibel dargelegt, dass ihn am Entstehen der Rückstände kein Verschulden trifft. Er unterlag auch keinem unverschuldetem Rechtsirrtum.

So wurde der versuchte Prozessbetrug zu einem vollendeten.

Immerhin, die Richterin urteilte, dass eine „nunmehrige Geltendmachung“ der Modernisierungsmieterhöhung nach dem Vergleich „gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB)“ verstoße und strich diese aus der Forderungskatalog der Vermieter.

Andere Posten aber wurden von ihr soweit hochgejazzt, dass es doch noch für zwei angeblich nicht gezahlte Monatsmieten reichte: Die Rückzahlungen, die der Mieter mit den Nebenkosten verrechnen wollte, die Mietminderung wegen Heizung, angebliche Rückstände aus Prozess 1 und 2 und natürlich Nebenkostenzahlungen auf der Grundlage der rechtswidrigen Abrechnungen der Vermieter. Passt! Klassenziel erreicht: Räumung!

Anzeige

Obwohl Betrug ein Offizialdelikt ist und ein Staatsdiener, der davon erfährt, von sich aus Anzeige erstatten müsste, wurde die Richterin nicht tätig. So reichte der Mieter Strafanzeige ein

  • gegen das Vermieterpärchen wegen Prozessbetrug mittels Urkundenfälschung,

  • gegen die Rechtsanwältin der Vermieter wegen Beihilfe,

  • gegen die Richterin wegen Begünstigung.

Allerdings muss hier endlich auch einmal Kritik am Mieter geübt werden. Dieser ist offensichtlich vollkommen realitätsresistent und wirklich etwas blöde. Inzwischen müsste er es doch eigentlich verstanden haben!

Merke: Staatsanwält*innen sind in aller Regel keine Mieter*innen!

 

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Nachtrag: Der Mieter hat Berufung eingelegt. Die Staatsanwaltschaft wollte zunächst mit den Ermittlungen auf das Ergebnis der Berufung warten. Nach einer heftigen Beschwerde des Mieters wurden die Ermittlungen inzwischen aufgenommen.

1Urteil BGH: Az. VIII ZR 315/09

2Urteil Kammergericht Berlin: Az. 12 U 216/04

3Bundesministerium der Justiz Az. 3430/211-11431/2006

Kommentar

  1. Mazulewski Kevin

    Hallo guten Morgen, mich persönlich betrifft so ein Ähnlicher Sachverhalt nun schon ein zweites mal. Es geht auch um Prozessbetrug neben Verläumdung, Nötigung und Körperverletzung.

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