AnkER-Zentren in Regensburg:
Stellungnahme zum psychiatrischen Versorgungsdefizit für geflüchtete Menschen in Regensburg

Wir dokumentieren einen gemeinsamen Brief von SOLWODI und Caritas Regensburg. Gemäß unserem Manifest für eine Solidarische Stadt Regensburg wollen wir, dass allen Menschen in Regensburg die gleiche medizinische Versorgung zukommt, völlig unabhängig von ihrer Herkunft. Gegen dieses Recht, das ein Menschenrecht ist, wird in den sogenannten “AnkER-Zentren” systematisch verstoßen.

AnkER Zetnrum Zeißstraße

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir möchten hier offiziell auf die mangelnde psychiatrische Versorgungslage unserer Klient*innen aufmerksam machen.

Wir sind alle hauptamtlich mit geflüchteten Menschen und Bewohner*innen der ANKER Einrichtung in Regensburg tätig.

In unserer Beratung begegnen uns häufig Menschen, die aufgrund von schwerer Gewalt in ihren Herkunftsländern, auf dem Fluchtweg (insbesondere in Libyen) und auch in EU Staaten gesundheitlich massiv beeinträchtigt sind. Die Menschen erlebten Folter, sexuelle Gewalt, Menschenhandel, Verstümmelung ihrer Genitalien, Krieg und andere Grausamkeiten. Oft über mehrmals und über Jahre hinweg.

In unseren Beratungsstellen finden wir häufig vulnerable, teils suizidale Personen vor und wir stellen als Sozialpädagog*innen fest, dass dringender Behandlungsbedarf besteht. So haben laut einer wissenschaftlichen Studie der AOK drei Viertel aller befragten Geflüchteten unterschiedliche Formen von Gewalt erfahren und sind oft mehrfach traumatisiert. Mehr als zwei Fünftel aller Befragten zeigen Anzeichen einer depressiven Erkrankung. (Vgl. https://www.aok-bv.de/imperia/md/aokbv/presse/pressemitteilungen/archiv/2018/widomonitor_1_2018_web.pdf, abgerufen am 18.10.2019)

Dies sind auch Erfahrungen, die alle im ANKER Zentrum involvierten und auch außerhalb der ANKER Zentren tätige Berater*innen teilen. Gerade besonders Schutzbedürftige Personen nach Art. 21 EU-Aufnahmerichtlinie haben den Anspruch auf Versorgung und ebenso haben sie besondere Verfahrensgarantien. Die Geltendmachung ihrer Traumafolgestörungen ist für das Asylverfahren enorm wichtig. Durch das Geordnete-Rückkehr-Gesetz ist eine solche Geltendmachung allerdings nur noch durch Fachärzt*innen für Psychiatrie möglich. Atteste und Stellungnahmen von psychologischen Psychotherapeut*innen, von Fachärzt*innen für Psychiatrie in Ausbildung oder gar von Ärzten anderer Fachrichtungen (z. B. Fachärzt*innen für Allgemeinmedizin) dürfen vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und auch von den Ausländerbehörden nicht anerkannt werden!

Die Bewohner*innen des ANKER-Zentrums haben die Möglichkeit, vor Ort die Leistungen von RefuMed Refugee Medicine nach den Vorgaben des Asylbewerberleistungsgesetzes in Anspruch zu nehmen. Auf der Website (https://www.refumed.com/) ist treffend formuliert:

„Wir bemühen uns, jedem Patienten und seiner Probleme im Rahmen unserer Möglichkeiten gerecht zu werden.“

Es ist objektiv festzustellen, dass diese Möglichkeiten durch fehlende Fachärzt*innen für Psychiatrie äußerst begrenzt sind, vor allem was die Feststellung von gesundheitsbezogenen Abschiebungshindernissen (§ 60 Abs. 7 AufenthG), die mit Traumafolgestörungen zusammenhängen, anbelangt.

Auch in Art. 25 der EU-Aufnahmerichtlinie ist definiert:

„Das Betreuungspersonal für Opfer von Folter, Vergewaltigung und anderen schweren Gewalttaten muss im Hinblick auf die Bedürfnisse der Opfer adäquat ausgebildet sein und sich angemessen fortbilden;(…)“

Wir schätzen die Expertise der dort praktizierenden Ärzt*innen sehr und sind für das große Engagement enorm dankbar, sehen aber auch die hier vorliegende erhebliche strukturelle Mangelsituation.

Es führt dazu, dass gerade diejenigen Menschen, die besonders vulnerabel sind und besonderen Schutz bedürfen durch alle Netze fallen!

Wir können Betroffene natürlich im Akutfall, z. B. bei Suizidalität, an die psychiatrische Notaufnahme der Medbo Bezirkskliniken verweisen. Dies sollte aber eben Notfällen vorbehalten sein. Die Kliniken sind für die Versorgung aller Menschen zuständig. Bei einer so häufig durch Erkrankungen betroffenen Gruppe der Geflüchteten stellt dies aber keine Möglichkeit der Regelversorgung dar!

Daher fordern wir dringend die Anstellung von Fachärzt*innen für Psychiatrie mit abgeschlossener Ausbildung im ANKER Zentrum. Wir fordern die Umsetzung internationaler und europarechtlicher Verpflichtungen (UN – Antifolterkonvention und EU-Aufnahmerichtlinie).

Situation für geflüchtete Menschen außerhalb des ANKER Zentrums

Personen, die in die Gemeinschaftsunterkünfte in der Oberpfalz verlegt werden haben zwar freie Arztwahl, leiden aber an drastischer Unterversorgung. Es ist zu beobachten, dass eine wachsende Zahl von Menschen trotz schwerer Erkrankungen ohne ärztliche und therapeutische Versorgung bleibt.

Spätestens bei der Umverteilung der Personen aus dem ANKER Zentrum in die Gemeinschaftsunterkünfte reißt die Versorgung ab. Patienten, die beispielsweise durch die Ärzte von Refumed Medikamente verordnet bekamen, verlieren diese Versorgung mit Umzug und setzen die Medikamente ersatzlos ab weil sie keinen Zugang zu einem weiterbehandelnden Arzt finden. Die Institutsambulanz der Medbo nimmt keine Fälle mehr an, Refugio München, eine psychosoziales Zentrum für Flüchtlinge und Folteropfer, kann aus Regensburg aufgrund der hohen Fallzahlen und der Förderstruktur nur sehr wenige Fälle annehmen und hat bis Januar einen Anmeldestopp.

Die Berater*innen der Wohlfahrtsverbände und der Stadt Regensburg können nicht vermitteln, wenn es keine ausreichenden Plätze gibt. Auch das Traumahilfezentrum Ostbayern gab auf Anfrage an, dass es keine Information über Ärzt*innen oder Therapeut*innen gibt, die speziell im Kontext mit Asylbewerber*innen arbeiten (dolmetschergestütze Arbeit, Kenntnis über Anforderungen an Atteste im Asylverfahren). Der ehrenamtlich tätige Verein Alveno e. V., der speziell für Asylbewerber Angebote bereitgestellt hat, ist inzwischen aufgelöst.

Insgesamt ist festzustellen, dass unsere Klient*innen der Möglichkeit auf eine faires Asylverfahren beraubt werden, weil vom Gesetzgeber Anforderungen an die Geltendmachung von psychischen Erkrankungen gestellt werden, deren Erfüllung für geflüchtete Menschen in der Oberpfalz faktisch nicht möglich ist. Es ist höchst problematisch, dass aufgrund fehlender und überlasteter Strukturen keine Weiterbehandlung von komplex traumatisierten und erkrankten Menschen möglich ist.

Solwodi Caritas Rgbg

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