Leerstandsmelder vor Gericht:
„Sie haben mein Leben ruiniert!“

Pressemitteilung 18.09.2018

Trotz melodramatischer Ausbrüche des Eigentümers, Gericht bestimmt: Leerstandsmelder ist rechtens.

Leerstandsmelder vor GerichtLeerstandsmeldung löschen? Keine Chance!

Anfangs gab es leichte Irritationen. Dem Richter lag bei Verhandlungsbeginn die ausführliche Stellungnahme von Recht auf Stadt und deren Anwalt Urs Erös nicht vor, der Gegenseite schon. Dies beunruhigte die Vertreter*innen der Initiative etwas. Doch bald schon konnten sich alle entspannt zurücklehnen, nur das Gesicht des Eigentümers wurde immer länger.

Denn Richter Lang vom Landgericht Regensburg ließ keine Zweifel darüber aufkommen, wo die Reise enden wird: Die Forderung nach Löschung des Leerstands „Am Gries 37“ aus dem Leerstandsmelder der Initiative Recht auf Stadt, wie vom Eigentümer per einstweiliger Verfügung beantragt, hat keinerlei Aussicht auf Erfolg.

Und als ob er die Stellungnahme von Recht auf Stadt vorab doch studiert hätte, hakte der Richter nahezu die gleichen Punkte ab. Weder könne das Veröffentlichen von Bildern einer Hausfassade untersagt werden, noch einer Adresse. Auch für die Löschung von Hintergrundinfos ließe sich kein Anspruch konstruieren. Dem Antragsteller bliebe einzig ein gewisses „Berichtigungsrecht“.

Aber auch hier sah der Richter wenig Möglichkeiten, denn schließlich, seien die angeführten Hintergrundinfos im Grunde richtig und schwerlich als „falsche Tatsachenbehauptungen“ zu werten, wie der Eigentümer es darzustellen versuche.

Königlich Bayerisches Amtsgericht?

Jetzt hätte die Verhandlung eigentlich zu Ende sein können, doch der sichtlich gut gelaunte Richter bat, ob sich nicht doch ein Vergleich in Form eines modifizierten Hintergrundtextes zur Leerstandsmeldung finden ließe, dann müsse er kein Urteil schreiben.

Damit war Recht auf Stadt sehr einverstanden. Schon beim ersten Email-Kontakt wurde dem Eigentümer im Prinzip das Gleiche angeboten, vorausgesetzt natürlich, dieser könne seine Aussagen hinreichend belegen. Den Vergleich hätte der Eigentümer also wesentlich billiger haben können. Jetzt dürfte ihn der Spaß mehrere tausend Euro kosten, während Recht auf Stadt dank Prozesskostenhilfe keinerlei Auslagen entstanden.

Auch die Anpassung der Hintergrundinfos hätte in einer Minute erledigt werden können, die punktgenauen Tatsachen lagen ja inzwischen vor. Aber nun meldete sich zum ersten Mal der Eigentümer selbst zu Wort.

Obwohl der Zug dafür längst abgefahren und entschwunden war, versuchte er mit leidenschaftlichen Worten doch noch eine Löschung des Eintrags zu erreichen. Dabei übertrieb er so maßlos, dass sogar die anwesenden Justizbeamten schmunzeln mussten. Das vollbesetzte Auditorium kam natürlich auch auf seine Kosten.

Seit über hundert Jahren lebe seine Familie in Stadt am Hof „Am Gries 37“. Alle kennen ihn, alle wissen von dem Haus. Aber durch die Veröffentlichung sei nun sein Ruf auf immer zerstört. Dann sprach er den für die Leerstandsmeldung verantwortlichen Vertreter von Recht auf Stadt direkt an: „Sie haben mein Leben ruiniert“.

Das war sogar dem Richter zuviel. Lakonisch bemerkte er, wenn alle von dem Haus wüssten, dann stehe ja im Leerstandsmelder nichts Neues. Nur mit Mühe war es möglich, den Eigentümer dazu zu bringen, sich auf die Neuformulierung des Hintergrundtextes zu konzentrieren.

Doch auch hier ging es kaum vorwärts. Der Eigentümer feilschte um jedes Wort. Zunächst wollte er überhaupt keine Leerstandsdauer vermerkt haben, denn diese Angabe wirke sich negativ auf den Verkaufspreis aus. Schließlich behauptete er, das Haus sei zwar seit Juli 2010 unbewohnt, stünde aber erst seit 2011 leer, denn ein Jahr habe er gebraucht, es zu entrümpeln. Blumig schilderte er, wieviele Möbel sich in hundert Jahren angesammelt hätten. Er könne heute noch alle Container aufzählen, wo er die Möbel hingebracht habe.

Langsam fühle er sich ans Königlich Bayerische Amtsgericht erinnert, ließ zwischendurch der Richter fallen.

Und der Eigentümer war noch lange nicht fertig. Als nächstes versuchte er, die lange Leerstandsdauer zu rechtfertigen. Immer sei etwas dazwischen gekommen. Zweimal hätte der Notartermin für den Verkauf des Hauses schon festgestanden. Der erste Termin sei geplatzt, weil sein Vater gestorben sei. Ein zweiter Termin mit einem anderen Interessenten, „Sie werden es nicht glauben“, weil es einen Todesfall in der Familie des Käufers gab. Der Eigentümer hat Recht, Recht auf Stadt kann es wirklich nicht glauben, dass sich Notartermine nicht verschieben ließen.

Schließlich wollte der Eigentümer von „Am Gries 37“ noch die letzte Pressemitteilung von Recht auf Stadt, in der die Verhandlung angekündigt wurde, von deren Homepage gelöscht haben. Hier schritt der Anwalt der Initiative Urs Erös ein und sprach von Zensur.

Etwas kleinlauter geworden bat der Eigentümer, in der Pressemitteilung über die Verhandlung ihn als „sachlich“ und „konstruktiv“ zu beschreiben …

Ehrliche Absichten?

Endlich, nach vielem Hängen und Würgen, kam es doch noch zu einem Vergleichstext, der nun auf der Homepage steht. Ist nun alles gut? Recht auf Stadt bezweifelt das. Zwar hatte der Eigentümer behauptet, er suche „derzeit“ Käufer oder Mieter, und wollte das auch so in der Neuformulierung stehen haben, aber auf einschlägigen Plattformen ist das Haus „derzeit“ nicht zu finden.

Recht auf Stadt wird den Leerstand „Am Gries 37“ genau beobachten und die Behauptung des Eigentümers regelmäßig überprüfen. Die Ergebnisse werden selbstverständlich im Leerstandsmelder veröffentlicht.

Am Schluss der Verhandlung bot Recht auf Stadt dem Eigentümer Hilfe für die Wiederbelebung des Hauses an. Es könne über das Konzept „Mietshäuser Syndikat“ verkauft und renoviert werden, dann wäre ihm und wohnungssuchenden Menschen geholfen. Und hoffnungsvoll wurde ihm ein Infokatalog überreicht. Denn Recht auf Stadt und der Eigentümer haben trotz allem das gleiche Ziel: „Am Gries 37“ soll aus dem Leerstandsmelder verschwinden, allerdings durch Nutzung, nicht durch Gerichtsurteil.

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