Der Leerstandsmelder, den Recht auf Stadt 2017 initiierte, ist zu einer Institution geworden. Für Eigentümer*innen ist er ein Hassobjekt, für die Stadtverwaltung ein ungeliebter Zeigefinger: Macht endlich was! Und für Stadtaktivistis eine unverzichtbare Informationsplattform. Diesen Sommer wurden alle Leerstandsmeldungen überprüft. Leider gibt es nichts Positives zu vermelden.
Leerstandsbeauftragte
Die Leerstände einer Stadt zu erfassen ist keine kleine Sache, zumal für ehrenamtlich tätige Aktivistis. Inzwischen gibt es ein System von sogenannten Leerstandsbeauftragten, die in ihrem Viertel gucken, was sich so tut bzw. nicht tut. Einmal im Jahr schwärmen diese aus und kontrollieren alle gemeldeten Leerstände. Die jeweiligen Kontrollen werden im Melder mit Datum festgehalten und der aktuelle Zustand notiert.
Eine Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung gibt es nicht. Wir wissen zwar, dass sich das Amt für Stadtentwicklung unseres Leerstandsmelders bedient, denn es erwähnt diesen in ihren Berichten. Aber als das Amt behauptete, Einträge in unserem Leerstandsmelder seien veraltet oder unrichtig und wir um Mitteilung derselben baten, bekamen wir keine Antwort. Auch unsere Anfragen bezüglich Bußgeldern oder Gründe für bestimmte Leerstände über die Plattform FragDenStadt ließ die Verwaltung ins Leere laufen.
Statistik
Wieviele Leerstände es in Regensburg genau gibt, ist nicht zu sagen. Im Leerstandsmelder steht nur ein Bruchteil davon. Aktuell sind 114 Objekte (Häuser, Wohnungen und Brachflächen) im Bereich „Wohnen“ gelistet und 31 im Bereich „Gewerbe“.
Laut Zensus 2022 gibt es in Regensburg eine Leerstandsquote von 2,9 Prozent, das sind umgerechnet rund 2.670 Leerstände, also erheblich mehr, als in unserem Melder aufgeführt.
Auch die Stadtbau als Gesamtorganisation ist im Leerstandsmelder verzeichnet. Der Mieterbund vermeldete schon vor Jahren einen Leerstand von ca. 300 Wohnungen. Und tatsächlich, die Leerstandsquote der Stadtbau liegt mit 4,4 Prozent weit über dem Durchschnitt. Allerdings stammt diese Zahl aus dem Geschäftsbericht von 2019. Danach wurde keine Leerstandsquote mehr bekanntgegeben. Auch hier erhielten wir auf unsere Anfrage keine Antwort.
Übrigens auch die Zahl der Zwangsräumungen erscheint zum letzten Mal im Geschäftsbericht 2019. Es waren 65, fast doppelt soviele wie 2018. Da waren es bereits 38.
Abriss statt Sanierung
Nun zu den Entwicklungen. Leider gibt es tatsächlich keine positiven Entwicklungen zu berichten. Es wurden zwar vereinzelt Leerstände beseitigt. Aber fast immer wurde dafür ein Altbau abgerissen und durch einen hässlichen Funktionsbau mit sündteuren Eigentumswohnungen als Spekulationsanlagen ersetzt.
Und oft nicht einmal das. Besonders das Unternehmen Strunz fällt mit schnellem Abriss und jahrelang leerstehenden Brachflächen auf.
Nur sehr wenige Leerstände wurden saniert, aber auch hier entstand kein bezahlbarer Wohnraum, sondern in aller Regel Eigentumswohnungen zu unethisch hohen Preisen. Oder noch schlimmer: Hotels. Obwohl es in Regensburg schon lange ein drastisches Überangebot an Übernachtungsbetten gibt werden unentwegt neue Hotels eröffnet. Eine kapitalistisch überformte Stadt ist eben nicht dazu da, den Menschen bezahlbaren Wohnraum zu bieten, sondern lediglich ein Produktionsmittel für Investoren zur Kapitalvermehrung.
Aber es geht noch schlimmer: Ferienwohnungen nach dem Modell „Wunderflats“, das ist möbliertes Wohnen auf Zeit zu unverschämt hohen Preisen.

Leerstand zu Ferienwohnungen: Ein Kleinappartment auf Zeit gibt es schon für schlappe 1500 € im Monat, zu buchen über erasmusplay, Am Judenstein 6
Bei den allermeisten Leerständen hat sich aber seit Jahren, teilweise seit Jahrzehnten nichts getan. Hier eine Auswahl der Spitzenreiter in Sachen längster Leerstand ever:

Eine Auswahl von Zweckentfremdungen, die seit über 20 Jahren und länger leer stehen: Grunewaldstraße 9, Pfaffensteiner Weg 14, Kurzer Weg 6, Oberländerstraße 25, Bromberger Straße 17, Mitterweg 2b
Zweckentfremdungssatzung?
Nichts getan? Aber Hallo! Gibt es nicht seit 2019 eine sogenannte Zweckentfremdungssatzung, mit der auf Leerstand eine Geldbuße von bis zu 500 000 Euro verhängt werden kann? Die Kenner*innen unser Beiträge wissen, nicht einmal das Prädikat „Mogelpackung“ kann für das Regensburger Machwerk beansprucht werden. Vielmehr werden per Satzung sogar illegale Zweckentfremdungen legalisiert, z.B. illegale Ferienwohnungen.
Bezüglich Leerstand läuft es ähnlich. Wir bekamen Post von einem Anwalt. Der Eigentümer des Leerstands Dahlienweg 31 behauptete, die Stadtverwaltung habe ihm bestätigt, dass sein Leerstand gar kein Leerstand sei:
Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass zu keinem Zeitpunkt ein Leerstand vorlag und
dies auch aus behördlicher Sicht bestätigt wurde.
Leider wollte er uns die Begründung der Stadtverwaltung auch nach mehrmaliger Nachfrage nicht verraten. Nach einigem hin und her, wobei Recht auf Stadt auf die Rechtslage und auf eine verlorene Unterlassungsklage gegen den Leerstandsmelder verwies, verfolgte der Eigentümer seine Klageandrohung nicht mehr weiter.
2021-09-01 Unterlassungsaufforderung
Auch der Eigentümer der Bogenstraße 9 berief sich auf die Stadtverwaltung und wollte seine Immobilie aus dem Leerstandsmelder gestrichen haben. Aber wie nicht nur der optische Eindruck sondern auch die unmittelbaren Nachbar*innen bestätigen, ist der Leerstand immer noch ein Leerstand.
Die Auflösung ist vermutlich folgende: Leerstand ist nicht gleich Leerstand. Während der Zensus den totalen Leerstand misst, gilt für die Regensburger Zweckentfremdungssatzung nur als Leerstand, wenn die Immobilie noch die „Wohnungseigenschaft“ besitzt, also sofort vermietet werden könnte. Und klar, jahrelanger Leerstand kann wegen dem damit verbundenen Verfall nicht sofort vermietet werden. Ergo, laut wohlwollenster und eigentümerschonenster Rechtsauslegung der neoliberalen Regensburger Stadtverwaltung liege trotz Leerstand kein Leerstand vor. Aber, wie gesagt, wir können das nur vermuten, denn die Stadtverwaltung redet ja nicht mit uns.
Leerstandsaktionen
Natürlich gibt es immer wieder angesichts einer existentiellen Wohnungsnot vergleichsweise zaghaften Protest. So wurden im September Leerstände in der Innenstadt mit rosa Plakaten dekoriert. Ändern tut sich dadurch natürlich nichts. Denn alle wissen um die Leerstände und alle wissen, dass der Regensburger Stadtrat und die Regensburger Stadtverwaltung nie auch nur das Geringste dagegen tun werden. Denn eine Lösung des Wohnungsproblems kann nur die Überführung von Wohnraum in Gemeineigentum sein. Und dafür ist Regensburg in der aktuellen Verfassung aller gesellschaftlichen Schichten tatsächlich eine Utopie, das heißt: Nichtort. Aber es muss nicht so bleiben!