Wer mit der Justiz zu tun hat, weiß: Im Grunde geht es nicht um Recht und Gesetz, sondern um Psychologie. Die Paragraphen sind lediglich Legobausteine, mit denen die Justiz Urteile nach dem Prinzip des geringsten Widerstands bastelt. Strafen gegen reiche Cum-Ex-Verbrecher*innen, gar gegen den Bundeskanzler? Schwierige Sache, lieber nicht. Strafen gegen arme Schlucker wegen Busfahrens ohne Ticket? Das ist leicht, da langen wir zu: Gefängnis! Um also zu einem halbwegs gerechten Urteil zu kommen, muss der Preis für ein ungerechtes Urteil möglichst hoch geschraubt werden, damit die Juristenpsyche bei Arbeitsverweigerung etwas zu knabbern hat. Die Devise heißt daher: Nerven! Nerven! Nerven!
Theo Ziegler
Staatsanwaltschaft Regensburg
Kumpfmühler Straße 4
93047 Regensburg
Fach/Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Staatsanwältin D.
Sehr geehrter Herr Ziegler,
leider muss ich mich an Sie wenden, da die Arbeit einer Ihrer Mitarbeiterinnen für mich sowohl in fachlicher, als auch dienstlicher Hinsicht Anlass zu ernster Sorge ist. Eine Demokratie ist gekennzeichnet durch objektive und unparteiische Rechtsprechung. Diese behandelt alle gleich, sinnbildlich dargestellt durch die verbundenen Augen der Göttin Justitia.
Bei Frau D. drängt sich mir jedoch der Eindruck auf, sie ist entweder fachlich nicht ausreichend qualifiziert oder nimmt es mit der Unparteilichkeit nicht so genau. Das Prinzip der Gewaltenteilung, auf dem unsere Demokratie fußt, wird in beiden Fällen ausgehebelt, unsere Demokratie nimmt Schaden.
Gerade in Zeiten, wo von Rechts alles versucht wird, unser Gemeinwesen zu diskreditieren, muss die Justiz Hinweise auf eine möglicherweise undemokratische Rechtsprechung genauestens überprüfen und gegebenenfalls korrigieren. Nur so bleibt das Vertrauen in die Organe der Demokratie erhalten und kann einem Rechtsruck entgegengewirkt werden.
Sachverhalt
Am 01.02.2024 reichte ich Strafanzeige gegen die Stadtkämmerei, das Amt für öffentliche Ordnung und Straßenverkehr sowie den Veranstaltungsservice Regensburg Peter Kittel GmbH ein. Grund: Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b StGB) wegen des Anbringens privater Hinweisschilder an öffentlichen Verkehrsschildern. Es handelte sich um werbende Hinweisschilder für die Veranstaltung „Romantischer Weihnachtsmarkt auf Schloss Thurn und Taxis“.
Der Sachverhalt ist unstrittig. Es liegen eine Fülle von Bilddokumenten vor, außerdem bestätigte die Stadtverwaltung die Genehmigung der privaten Hinweisschilder, was, wie das bayerische Staatsministerium des Innern bestätigte, ein Verstoß gegen § 33 Abs. 2 Satz 2 StVO ist. Siehe dazu meine Strafanzeige in der Anlage.
Fachlich
Staatsanwältin D. verfügte mit Schreiben vom 08.06.2024, dass die Strafanzeige keine Folge habe. Als Grund gab sie an:
„Gemäß § 152 Abs. 2 StPO ist ein Ermittlungsverfahren wegen verfolgbarer Straftaten nur dann einzuleiten, wenn hierfür zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Diese müssen es nach den kriminalistischen Erfahrungen als möglich erscheinen lassen, dass eine verfolgbare Straftat vorliegt.
Ein strafbares Verhalten, das einen Straftatbestand erfüllt, kann nicht nachgewiesen werden.
Ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr gem. § 315b StGB liegt nicht vor, da es nicht nachweislich zu einer konkreten Gefährdung von Leib oder Leben anderer Menschen sowie fremder Sachen von bedeutendem Wert gekommen ist. Eine (vermeintlich) abstrakte Gefahr reicht nicht aus.“
Folgende Fragen stellen sich:
Wie kann die Staatsanwältin behaupten, es sei „nachweislich“ zu keiner konkreten Gefährdung gekommen, wo sie doch selbst zugibt, keinerlei Ermittlungen durchgeführt zu haben?
Wie kann die Staatsanwältin behaupten, es lägen keine „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ vor, wo diese doch unstrittig vorliegen?
Und die drängendste Frage: Weiß die Staatsanwältin nicht, dass es bei strafbarem Verhalten nach § 315b StGB nicht entscheidend ist, ob Menschen tatsächlich zu Schaden kamen? Es kommt allein auf die konkrete Gefährdungslage an. Im einschlägigen Kommentar dazu (Holger Matt, Joachim Renzikowski: Strafgesetzbuch: Kommentar. München 2013) heißt es:
„Tathandlung ist die Schaffung einer – abstrakten – Gefahr für die Verkehrssicherheit“
Doch Staatsanwältin D. behauptete das genaue Gegenteil: Eine abstrakte Gefahr reiche nicht (!) aus. Wie kann das sein? Kennt sie den Kommentar nicht?
Eine Gefährdungslage ist zweifellos vorhanden, wenn Autofahrende durch private Hinweisschilder von der Beachtung eines Zebrastreifens abgelenkt werden, wie ich in meiner Anzeige dokumentierte.
Dienstlich
Weiterhin schreibt die Staatsanwältin:
„Etwaige zivilrechtliche Ansprüche werden durch diese Entscheidung nicht berührt.
Das Verfahren wegen der Ordnungswidrigkeiten wird eingestellt, da Verfolgungsverjährung eingetreten ist.“
Auch hier stellen sich wieder eine Reihe von Fragen:
Warum erwähnt die Staatsanwältin die Verfolgungsverjährung? Warum tut sie dies im Zusammenhang mit dem Hinweis auf zivilrechtliche Ansprüche, die jedoch durch die Verfolgungsverjährung obsolet sein dürften?
Wenn die Staatsanwältin so gut über die Verfolgungsverjährung Bescheid wusste, warum hat sie den Beschluss zur Nichtverfolgung der Strafanzeige nicht früher gefasst? Warum erst wenige Tage, nachdem die nach § 31 OWiG zugrundeliegende Verjährung von 6 Monaten eingetreten ist?
Wenn ein Verfahren wegen Ordnungswidrigkeit eingestellt wird, wie die Staatsanwältin schreibt, wurde es vorher eröffnet. Wie kann daher Verfolgungsverjährung eintreten, wo doch ein Verfahren nach § 33 OWiG eine Verjährung unterbricht?
Alles in allem muss meines Erachtens dadurch folgender, beunruhigender Verdacht entstehen: Die Staatsanwältin zögerte bewusst die Entscheidung über die Strafanzeige hinaus, um die Angezeigten auch vor Bußgeldforderungen zu schützen.
Außerdem wurde offenbar kein Verfahren in Sachen Ordnungswidrigkeit eröffnet, denn andernfalls käme es nicht zur Verjährung. Das Schreiben der Staatsanwältin dürfte diesbezüglich falsch sein. Das heißt, Staatsanwältin D. hat, obwohl ihr die Ordnungswidrigkeit bekannt war, anscheinend nicht die erforderlichen Schritte eingeleitet.
Forderung
Sehr geehrter Herr Ziegler, ich erwarte, dass meine Verdachtsmomente sachlich und unparteiisch von Ihnen geprüft werden. Es mag sich vergleichsweise um eine kleine Sache handeln. Aber eine Justiz, die im Kleinen nicht korrekt arbeitet, wird es auch im Großen nicht tun. Außerdem ist die Sache so klein nicht. Schließlich könnte es sich hier um einen Fall von Strafvereitelung im Amt handeln. Ich hoffe, Sie werden nach einer gewissenhaften Prüfung entsprechende Schritte einleiten.
Mit freundlichen Grüßen
(Unterschrift)