Rede auf Demo gegen Polizeiaufgabengesetz:
Sowas kommt von Sowas!

Rede auf der Demo “Stoppt das Polizeiaufgabengesetz und das Psychisch Kranken-Hilfe-Gesetz!”, 25.04.2018, Dauchauplatz Regensburg.

Rede auf Demo gegen Polizeiaufgabengesetz

Foto: Herbert Baumgärtner

Hallo, ich bin der Kurt. Ich arbeite bei den Gruppen Recht auf Stadt und beim ueTheater mit. Seit mittlerweile 12 Jahren setze ich mich für die Erinnerung an die Volksschullehrerin Elly Maldaque ein. Ihr Schicksal zeigt meines Erachtens beispielhaft, wohin es führt, wenn Polizei oder Psychiatrie machen können, was sie wollen. Wenn Konservative, Nazis und Kirche zusammenarbeiten.

Elly Maldaque wurde 1893 in Erlangen geboren. Sie zog nach Regensburg und war von 1920 bis zu ihrem Tod 1930 Lehrerin an der auch heute noch so benannten Von-der-Tann-Schule, nur wenige hundert Meter von hier.

Elly Maldaque gilt heute als eines der ersten Opfer des aufziehenden Nationalsozialismus in Regensburg. Warum?

Sie war eine Freidenkerin, ein politisch sehr interessierter Mensch, hatte klare, reformpädagogische Ansichten und eine unbändigen Wissbegierde. Sie las alles von links nach rechts und führte Gespräche mit den unterschiedlichsten Menschen, Pfarrern, Esoterikern, Deutschnationalen, Atheisten und natürlich auch mit Kommunisten.

Das war ihr Verhängnis. Schon bald legte die Polizeidirektion Regensburg einen Akt über sie an. In einem „Bericht über die kommunistische Bewegung hier“ heißt es:

„Sie (…) soll nach einer neuerlichen vertraulichen Mitteilung auch an der Revolutionsfeier teilgenommen haben, bei der sie am Klavier spielte.“

Klavierspielen. Das sah die von der Polizei informierte Oberpfälzische Kreisregierung anscheinend als so große Bedrohung an, dass sie regelmäßige Berichte über die Lehrerin anforderte. Laut einem Artikel der Weltbühne wurden sogar Hakenkreuzler, also Nazis angeheurt, um die Lehrerin zu beobachten. Sie seien gegenüber ihrer Wohnung einquartiert worden.

1930 gab es eine Gerichtsverhandlung gegen den kommunistischen Stadtrat Konrad Fuß. Eine Freundin Elly Maldaques, eine Berufsschullehrerin aus Weimar, die gerade bei ihr zu Besuch war, ging zu der Gerichtsverhandlung und unterhielt sich mit dem Kommunisten.

Das fand die Polizei so verdächtig, dass sie bei ihrer Gastgeberin Elly Maldaque Hausdurchsuchung hielt. Alle persönlichen Schreiben und auch Elly Maldaques Tagebuch wurden konfisziert und ausgewertet.

Doch obwohl bei der Hausdurchsuchung nichts Strafrelevantes gefunden werden konnte, war die Regierung alarmiert: Der Regierungsdirektor schrieb an die Kreisregierung:

„Sie betätigt sich ebenso eifrig als Kommunistin wie als Freidenkerin. (…) Als Intellektuelle spielt sie in den beiden oben genannten Bewegungen keineswegs eine untergeordnete Rolle. Es muß damit gerechnet werden, daß sie hier mit der Zeit eine Führerin wird.“

Elly Maldaque war aber kein Parteimitglied, geschweige denn hatte sie Führungsabsichten. Ihre durchaus kritischen, linken Gedanken waren allein auf ihren privaten Bereich beschränkt. Sie trat nie öffentlich als Rednerin auf und agitierte auch nicht heimlich. In ihrer Schule wussten weder Eltern noch Kollegen von ihren politischen Interessen.
Trotzdem wurde Elly Maldaque 1930 nach über 17 Jahren Schuldienst fristlos gekündigt. Begründung:

„Die Regierung hat die Überzeugung gewonnen, dass Sie Ihrer geistigen Einstellung nach der Bewegung des Kommunsimus und Freidenkertum zugehören.“

Atheismus und Links: Das ist das, was damals und heute als Bedrohung, als Gefährdung angesehen wurde und wird.

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Foto: Herbert Baumgärtner

Elly Maldaque wehrte sich gegen ihre Kündigung und trat dabei keineswegs unterwürfig oder opportunistisch auf. Sie sagte offen, dass sie zwar kein Mitglied der Kommunistischen Partei sei, aber klar die „schreiende Ungerechtigkeit unserer Gesellschaftsordung“ erkannt habe, so Elly Maldaque wörtlich. Die Zeitungen griffen ihren Fall auf.

Was tun mit einem unbequemen Menschen, den man leider nicht ins Gefängnis schmeißen kann, weil er nichts angestellt hat? Ganz einfach, man steckt ihn ins „Irrenhaus“, wie man damals die Nervenkrankenhäuser nannte. Angeblich habe Elly Maldaque den Wahn, von Spitzeln verfolgt zu werden. Bei einem Rechtsanwalt habe sie deswegen so heftig den Vorhang zugezogen, dass er zerriss. Deswegen wurde sie für „gemeingefährlich geisteskrank“ erklärt und gewaltsam in die geschlossene Psychiatrie nach Karthaus eingewiesen.

Dort wurde sie so schwer misshandelt, unter anderem mittels Zwangsernährung, dass sie nach nur 11 Tagen starb.

Polizei und Psychiatrie, ein perfektes Team, um jeden Widerstandsgeist zu eliminieren.

Haben wir aus der Geschichte gelernt?

Seit über 30 Jahren setzen sich immer wieder verschiedene Gruppen für ein öffentliches Gedenken an Elly Maldaque ein, als Opfer von Polizeispitzelei, Psychiatrie und einem konservativ-klerikalen-präfaschistischen Machtapparat. Seit über 30 Jahren wurde jeder Antrag, eine Schule, einen Platz, eine Straße nach ihr zu benennen, abgelehnt.

Zuletzt brachten wir mit Recht auf Stadt den Antrag in den Stadtrat ein, die nach dem Antisemiten und Sexisten und Behindertenfeind und Bauerntotschläger Martin Luther benannte Straße in Elly-Maldaque-Straße umzubenennen. Vom Stadtrat abgelehnt, auch mit den Stimmen von den Parteien, die heute hier reden.

Nein, wir haben nicht aus der Geschichte gelernt, wie das „Polizeiaufgabengesetz“, das „Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz“ und Söders Kruzifixerlass beweisen.

Wir unterdrücken sogar die Erinnerung daran, dass sowas von sowas kommt. Danke.

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