Romantischer Weihnachtsmarkt auf Schloss Thurn und Taxis:
Klage gegen Ordnungsamt wegen Informationsverweigerung

Kann es sein, dass eine Behörde zugunsten einer privaten Veranstaltung einer berüchtigten, rechtspopulistischen Milliardärin das Versammlungsrecht aushebelt? Zumindest gibt sich das Regensburger Ordnungsamt kaum Mühe, diesen schweren, aber durchaus naheliegenden Verdacht auszuräumen. Trotz mehrmaliger Anfrage verweigert es die Herausgabe des Sicherheits- und Evakuierungskonzepts für den Romantischen Weihnachtsmarkt auf Schloss Thurn und Taxis, mit dem das Verbot von Gegenkundgebungen auf dem Emmeramsplatz begründet wurde. Das Bündnis „Solidarische Stadt Regensburg“ reichte daher Ende April beim Verwaltungsgericht Klage ein.

Solidaritaet statt Kommerz und Rechts 1

Weil das Ordnungsamt die Kundgebungen auf dem Emmeramsplatz verbot, musste das Bündnis auf die Fürst-Anselm-Allee ausweichen

 

An
Bayerisches Verwaltungsgericht Regensburg
Haidplatz 1
93047 Regensburg

 

KLAGE

von

(antragstellende Person)
 

gegen

Stadtverwaltung Regensburg
vertreten durch Amt für öffentliche Ordnung und Straßenverkehr
Johann-Hösl-Str. 11
93053 Regensburg

 

wegen Antrag zu amtlichen Informationen nach

  • Bayerischen Datenschutzgesetzes (BayDSG)

  • Bayerischen Umweltinformationsgesetzes (BayUIG)

  • Verbesserung der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation (VIG)

  • Informationsfreiheitssatzung der Stadtverwaltung Regensburg (IFS)

 

Ich beantrage:

  1. Sofortige und ungekürzte Herausgabe des „Sicherheits- und Evakuierungskonzepts für den Romantischen Weihnachtsmarkt“ des Jahres 2023

  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens

  3. Prozesskostenhilfe und Beiordnung einer rechtsanwaltlichen Vertretung

 

Tatbestand

Am 07.11.2023 zeigte Fridays for Future für das Bündnis „Solidarische Stadt Regensburg“ Kundgebungen an, die jeweils samstags ab dem 25.11.2023 bis Weihnachten auf dem Emmeramsplatz in Regensburg stattfinden sollten.

Vom Amt für öffentliche Ordnung und Straßenverkehr wurden die Kundgebungen auf dem Emmeramsplatz jedoch untersagt. Als Grund wurde in einer Email vom 10.11.2023 angegeben,

„… dass der Emmeramsplatz als einer von fünf zentralen Rettungspunkten im Sicherheits- und Evakuierungskonzept für den Romantischen Weihnachtsmarkt vorgesehen ist. Bei einer Belegung des Emmeramsplatzes mit 150 Versammlungsteilnehmer:innen und Aufbauten, würde der Platz die Anforderungen an einen Rettungspunkt nicht mehr erfüllen können. Das Konzept des Marktes würde somit ins Leere laufen und im Schadensfalls eine unmittelbare Gefährdung für die öffentliche Sicherheit darstellen.“

Diese Begründung wurde vom Bündnis angezweifelt. In der Erwiderung vom 13.11.2023 heißt es:

„Zum Rettungskonzept der Polizei können wir uns nicht positionieren, da uns a) nicht bekannt ist wie dieses konkret funktioniert und welche Flächen wie freizuhalten sind, b) es sich um einen Parkplatz handelt der vermutlich sowieso vollgeparkt wäre und wir nicht sehen, warum unsere Versammlung diesen Platz „stärker beansprucht“ als die regulär dort parkenden Autos und c) wir auch nicht sehen, wieso das Rettungskonzept einer Spaßveranstaltung über dem Versammlungsrecht stehen sollte.“

Um die Kundgebungen doch noch durchführen zu können, willigte das Bündnis im Kooperationsgespräch am 16.11.2023 nach langer Diskussion schließlich ein, auf eine Fläche in der Fürst-Anselm-Allee auszuweichen.

Um den Verdacht auszuräumen, bei der Untersagung auf dem Emmeramsplatz könnte es sich eventuell um eine Gefälligkeit des Amts gegenüber den Veranstaltern des Romantischen Weihnachtsmarktes auf Schloss Thurn und Taxis handeln, forderte das Bündnis über die Plattform FragDenStaat am 14.12.2023 die Herausgabe des besagten Sicherheits- und Evakuierungskonzepts.

In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass das Amt für öffentliche Ordnung und Straßenverkehr im Vorfeld offenbar rechtswidrig Hinweisschilder für den privaten Markt auf Schloss Thurn und Taxis an öffentlichen Verkehrszeichen erlaubt hatte. Diesbezüglich wurde Strafanzeige gestellt.

Das Amt verweigerte am 22.12.2023 die Herausgabe sowie nochmals am 14.03.2024 auf unseren Widerspruch hin.

Begründung

Das Amt für öffentliche Ordnung und Straßenverkehr führte für seine Verweigerung aus:

„Umweltinformationen oder Verbraucherinformationen liegen nicht vor, die Informationsfreiheitssatzung der Stadt Regensburg bezieht sich nur auf Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises der Stadt Regensburg.“

Und bezüglich des Bayerischen Datenschutzgesetzes (BayDSG) erklärte es:

„Nach Art. 39 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BayDSG kann die Auskunft allerdings verweigert werden, wenn u.a. sonstige öffentliche oder private Interessen entgegenstehen. Dies ist vorliegend der Fall.“

Dies wird bestritten. Vielmehr treffen alle vier angeführten Rechtsgrundlagen für unser Auskunftsbegehren zu.

1) Umweltinformationen (BayUIG)

Umweltinformationen sind laut BayUIG Art. 2 auch „Maßnahmen oder Tätigkeiten, die sich auf die Umweltbestandteile … auswirken“. Das Evakuierungskonzept für eine große Menschenmenge innerhalb des hochsensiblen Naturdenkmals Alleengürtel, in dem unter anderem seltene Käferarten beheimatet sind, ist daher eine Umweltinformationen.

2) Verbraucherinformationen (VIG)

Laut § 1 des VIG geht es um den „Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor gesundheitsschädlichen oder sonst unsicheren Erzeugnissen und Verbraucherprodukten“. Auch der „Romantische Weihnachtsmarkt auf Schloss Thurn und Taxis“ ist als Erzeugnis zu werten.

Das Evakuierungskonzept gibt Aufschluss darüber, ob der betreffende Markt gefahrlos besucht werden kann. Hier gibt es erhebliche Zweifel. Denn von Seiten des Amts für öffentliche Sicherheit und Straßenverkehr wurde argumentiert, der Emmeramsplatz sei ein zentraler Rettungspunkt für den Weihnachtsmarkt. Eine Belegung durch eine Kundgebung würde eine unmittelbare Gefährdung für die öffentliche Sicherheit darstellen.

Der Emmeramsplatz ist während des Weihnachtsmarktes jedoch komplett von parkenden Autos zugestellt und daher, der Argumentation des Ordnungsamtes folgend, als zentraler Rettungspunkt offenbar ungeeignet. Von einer unmittelbaren Gefährdung der Weihnachtsmarktbesuchenden ist also auszugehen.

Nebenbei: Für die Kundgebung hätten die Autos größtenteils entfernt werden müssen. Vermutlich hätte sich dadurch die Tauglichkeit als Rettungspunkt wesentlich erhöht.

3) Informationsfreiheitssatzung (IFS)

Das Amt für öffentliche Ordnung und Straßenverkehr behauptet desweiteren:

„… die Informationsfreiheitssatzung der Stadt Regensburg bezieht sich nur auf Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises der Stadt Regensburg“

Es wird bestritten, dass es sich beim Evakuierungskonzept um keine Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises handelt. Laut bayerischer GO Art. 57 zählen zum eigenen Wirkungskreis von Gemeinden „insbesondere Einrichtungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“. Die Einrichtung eines Evakuierungskonzepts dient dem Erhalt der öffentlichen Sicherheit. Das Evakuierungskonzept ist eine Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises.

4) Datenschutzgesetz (BayDSG)

Nach Ansicht des Amtes handele es sich bei besagtem Sicherheits- und Evakuierungskonzept

„um ein sicherheitsrelevantes Dokument mit sehr sensiblen Daten, die grundsätzlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind.“

Dies wird bestritten. Ein Evakuierungskonzept ist grundsätzlich für die Öffentlichkeit bestimmt. Fluchtwege müssen öffentlich bekannt sein, Evakuierungspunkte öffentlich ausgeschrieben und ausgeschildert werden. Ein geheimes Evakuierungskonzept ist ein Widerspruch in sich.

Nebenbei: Gegen die Pflicht, die Öffentlichkeit über Fluchtpunkte zu informieren, wurde offenbar verstoßen, denn auf dem Emmeramsplatz gab es zur Zeit des „Romantischen Weihnachtsmarkts auf Schloss Thurn und Taxis“ meines Wissens keinen sichtbaren Hinweis auf einen Rettungssammelpunkt. Dieser wäre mir mit Sicherheit aufgefallen, als ich die rechtswidrige Ausschilderung an Straßenschildern für den privaten Weihnachtsmarkt rund um das Schloss dokumentierte.

Weiterhin wird argumentiert:

„Anderseits wird ein „berechtigtes, nicht auf eine entgeltliche Weiterverwendung gerichtetes Interesse“ i.S.d. Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG an der Herausgabe der Daten von Ihnen nicht geltend gemacht.“

Auch dies wird bestritten. Aus meiner Anfrage geht eindeutig hervor, dass mein Interesse seinen Grund in der vom Ordnungsamt untersagten Kundgebung am Emmeramsplatz hat. Als Grund für das Verbot wurde besagtes Sicherheits- und Evakuierungskonzept angeführt. Als Mitwirkender des Kundgebungsteams habe ich ein erhebliches Interesse daran zu erfahren, ob das Versammlungsrecht tatsächlich aus nachvollziehbaren Gründen eingeschränkt wurde.

Aber auch als ganz normaler Bürger habe ich ein Anrecht auf Information. Schließlich ist die Verhinderung einer öffentlichen Kundgebung zugunsten einer privaten Veranstaltung ein Vorgang, der jeden demokratisch gesinnten Menschen beunruhigen muss.

 

Mit freundlichen Grüßen
(Unterschrift)

 
 
 

Kommentar abgeben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert