Prozess Studentenwerk gegen ueTheater:
„Es geht uns nicht ums Geld“

Und wieder verklagte das Studentenwerk das ueTheater. Diesmal waren es drei Klagen in einer. Das studentische Ensemble soll die absurd hohe Summe von rund 22 000 Euro nachzahlen. Außerdem soll es seinen Anteil am Theaterfundus im Studentenhaus räumen und die Proberaumschlüssel zurückgeben. Und schließlich soll das ueTheater nicht mehr öffentlich vermelden dürfen, wer den Spielort „Elly Maldaque Theater an der Uni“ nenne, habe einen Gebührenaufschlag von mehreren tausend Euro zu erwarten. Letzteres ist besonders witzig angesichts der Tatsache, dass der immense Nachzahlungsbetrag genau auf besagtem Gebührenaufschlag beruht. 1)

EMT innen

Der leere Theatersaal

Ein sichtlich entspannter Richter

Richter Stockert vom Landgericht Regensburg ging es in der Verhandlung am 3. Juni jovial an. Er sei schon lange nicht mehr im „Studententheater“ gewesen. Oje! Gut, dass er keine Theatergruppe an der Uni leitet, denn die Richtlinie des Studentenwerks verlangt kategorisch, die betreffende Einrichtung ausschließlich mit „Theater an der Uni“ anzusprechen – obwohl unübersehbar über dessen Außeneingang „Studentheater“ prangt. Eine der vielen Absurditäten und Lächerlichkeiten in diesem Verfahren.

Studententheater

Eingang zum Theater

Die Lockerheit des Richters war zwar sympathisch – der Richter der ersten Klage hatte das Vorbringen des ueTheaters als „Mist“ bezeichnet –, für das studentische Ensemble aber auch höchst beunruhigend. Auch wenn der Anlass als grotesk-amüsante Lappalie erscheint, sind die Folgen für das ueTheater nichtsdestotrotz existenzvernichtend. In einem Eingangsstatement wollte das ueTheater darauf hinweisen, jedoch verbat sich Richter Stockert dies. Immerhin wurde das Statement ins Protokoll aufgenommen (siehe unten).

Dann legte der Richter seine Sicht der Dinge dar, die er schon im Prozesskostenhilfebescheid ausgeführt hatte. Seiner Ansicht nach habe das Studentenwerk keinen Anspruch auf eine Nachzahlung. Ein Verstoß gegen die Richtlinie sei bislang nicht nachweisbar. Zwar seien Plakate und Flyer zur Aufführung „Animal Farm der Demokratie“ im Dezember 2018 ohne vorgeschriebene Logos und mit Namen „Elly Maldaque Theater an der Uni“ erschienen. Aber diese seien von Unterstützern herausgegeben worden. Für einen Nachweis, dass diese Werbemittel auf Veranlassung des ueTheaters erstellt worden seien, sei das Studentenwerk beweispflichtig.

Schon mal kein schlechter Start für das ueTheater.

Der Doktor hat das Wort

Danach versuchte der Rechtsanwalt des Studentenwerks Dr. Matthias Ruckdäschl von der Kanzlei Schlachter und Kollegen das Ruder herumzureißen: „Es geht uns nicht ums Geld“, eine Aussage die Gelächter beim zahlreich anwesenden Publikum und Widerspruch hervorrief. Der Vertreter des ueTheaters wies darauf hin, dass es sehr wohl ums Geld gehe, denn die geforderte Nachzahlung bedeute das Ende der studentischen Gruppe.

Doch Ruckdäschl ging seinen eingeschlagenen Weg, das Studentenwerk als unschuldiges Opfer zu präsentieren, tapfer und unbeirrt weiter. Es verlange doch für seine Förderleistung nur den Abdruck des Logos des Studentenwerks und des Logos „Theater an der Uni“. Wie die studentische Gruppe das Theater auf den Plakaten benenne, sei dieser vollkommen freigestellt.

Hier hatte Ruckdäschl gänzlich daneben gegriffen. Er musste sich gefallen lassen, von Rechtsanwalt Sebastian Reindl die Richtlinie des Studentenwerks vorgelesen zu bekommen. Dort heißt es unmissverständlich: „In allen Veranstaltungsankündigungen muss die Bezeichnung „Theater an der Uni“ benutzt werden.“

Bezüglich der „Förderleistung“ wies der Vertreter des ueTheaters darauf hin, dass das Studentenwerk laut Bayerischem Hochschulgesetz die ausdrückliche Aufgabe habe, Studierenden Einrichtungen kultureller Art zur Verfügung zu stellen (BayHSchG Art. 88). Dafür bekomme es Geld vom Staat und dürfe Immatrikulationsgebühren von den Studierenden erheben. Das Studentenwerk sei eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit einem staatlichen Auftrag und kein freiwilliger Mäzen wie etwa BMW. Schließlich muss eine Hartz-IV-Empfängerin auch nicht auf ihr T-Shirt drucken: Sponsert by Jobcenter.

Die beiden Vertreterinnen des Studentenwerks beteiligten sich übrigens am gesamten Prozess mit keinem Wort.

Zeugen für …

Nach diesem Vorgeplänkel wurden die Zeugen befragt. Zuerst Walter Hoffmann vom Bund für Geistesfreiheit. Der vor allem in sozialen Belangen sehr engagierte Rentner und Betreiber eines Unternehmens für Textgestaltung outete sich als großer Fan des ueTheaters. 2011 habe er das erste Theaterstück der Gruppe gesehen und seitdem kaum eine Veranstaltung versäumt. Er war Laudator bei der Verleihung des Preises „Freier Geist 2018“ des Bund für Geistesfreiheit an das ueTheater. Als er davon erfuhr, wie das Studentenwerk versuche, das ueTheater mit bürokratischen Mitteln aus der Universität zu vertreiben, sei er sehr erbost gewesen.

großer bruder

Bühnenbild des ueTheaters zu “großer bruder 2010”

Er habe von sich aus und zusammen mit anderen Unterstützer*innen, unter anderem mit dem Bund für Geistesfreiheit, Plakate und Flyer für „Animal Farm der Demokratie“ mit der Ortsbezeichnung „Elly Maldaque Theater an der Uni“ erstellt und unter seinem Namen herausgegeben, da dies dem ueTheater aufgrund der Richtline des Studentenwerks nicht möglich war. Für den Flyer habe er einen ausführlichen Text geschrieben, in dem er die Beweggründe der Unterstützer*innen darlegte.

Ruckdäschl versuchte angestrengt, eine Art Auftrag durch das ueTheater herauszufragen. Wo er denn die Daten für das Plakat hergehabt habe? Telefonnummer für Reservierungen und Aufführungstermine? Hier verwies Hoffmann auf die Homepage des ueTheaters, sowie auf die Homepage des Studentenwerks selbst, wo Kontakt und Termine der verschiedenen Kulturensembles der Universität aufgelistet sind. (Hinweis: Das Studentenwerk hat das ueTheater inzwischen aus der Liste eliminiert.)

… und wider

Daraufhin wurde der Zeuge der Anklage gerufen, der Theatertechniker des Studentenwerks Roland M. Er berichtete, dass er das Plakat für „Animal Farm der Demokratie“ bei einem Kartenverkaufsstand des ueTheaters in der Unimensa gesehen und fotografiert habe. Warum er das tat, wollte Richter Stockert wissen. M. sei sofort aufgefallen, dass die Logos fehlten und damit das ueTheater wieder gegen die Richtlinie verstoßen habe.

M. ist ein besonderer Freund des ueTheaters. Er verschwieg der Gruppe wissentlich, dass vor und nach dem Termin Dezember 2018 der Theatersaal frei war, nachdem andere Gruppen abgesagt hatten. Dies kostete dem ueTheater beinahe wertvolle Proben- und Aufbauzeit. Definitiv wurden dadurch Zusatzveranstaltungen verhindert, die sich anboten, da „Animal Farm der Demokratie“ zuletzt ausverkauft war.

Offensichtlich ist dem letzten Mitarbeiter in der praktischen Kulturarbeit, nachdem das Studentenwerk nacheinander ein gut laufendes Tonstudio, ein Videostudio und einen Ausstellungsraum abgebaut bzw. der Uni übergeben hatte, ein leerer Theatersaal lieber.

Allerdings musste der Zeuge auch berichten, dass er den Vertreter des studentischen Ensembles, dem als Verantwortlichen des ueTheaters der Unbill der Klage gilt, weder beim Verkaufsstand noch beim Aufhängen der logolosen Plakate ertappen konnte. Damit bezeugte er unfreiwillig, dass kein direkter Zusammenhang mit diesem hergestellt werden konnte, womit seine Aussage dem ueTheater eher nützte, als schadete.

Zu guter Letzt: peinliches Schlusswort und halbzufriedene Gesichter

Im Schlusswort versuchte Ruckdäschl in einem Akt der Verzweiflung, das Studentenwerk doch noch in ein positives Licht zu rücken. Es agiere lediglich als treuer Verwalter studentischer Interessen. Dem Studentenwerk gehe es nur darum, dass die Gelder der Studierenden nicht als Förderung an Gruppen fließen, die eine Förderung aufgrund von Verstößen gegen Förderrichtlinien nicht verdienten.

Was für eine Chuzpe und krause Logik! Mit dem Geld der Studierenden prozessiert das Studentenwerk gegen Studierende und behauptet auch noch, dies sei zum Wohle ebendieser Studierenden. Schamlos!

Sebastian Reindl von der Kanzlei Eroes und Kollegen konnte dagegen zufrieden konstatieren, die Zeugenvernahme habe vollständig bewiesen, dem ueTheater sei kein Verstoß gegen die Richtlinie nachzuweisen. Damit sei die Klage diesbezüglich erfolglos.

Die Punkte Räumung des Theaterfundus, Proberaumschlüssel sowie Unterlassung verschiedener Aussagen kamen nicht zur Sprache. Dazu, behauptete Richter Stockert, sei in der Klageerwiderung nichts Substantielles vorgebracht worden, was das ueTheater natürlich anders sieht. Jedoch wäre eine Niederlage in diesen Punkten zu verschmerzen, falls das Gericht bei seiner Anschauung bleibt, ein Regelverstoß liege nicht vor. Denn ohne Regelverstoß hat das Studentenwerk keine Handhabe mehr, das ueTheater weiter an kultureller Betätigung an der Uni zu hindern. Auch die Räumung, die mit dem angeblichen Regelverstoß begründet wrude, wäre natürlich obsolet.

Die Chancen stehen also nicht schlecht, dass die studentische Theatergruppe im Wintersemester 2020/21 wieder im Elly Maldaque Theaterhaus an der Uni spielen kann.

Urteilsverkündung ist Ende Juni.


Statement des ueTheaters bei Prozessbeginn (nur Aufnahme ins Protokoll):

„Was liegt überhaupt vor?“

Elly Maldaque 1930

Elly Maldaque um 1930

Mit diesen Worten begann die Lehrerin Elly Maldaque ihre Rechtfertigung im Regensburger Echo vom 25. Juli 1930. Sie beschreibt darin, warum sie nach 17 Jahren plötzlich von einem Tag auf den anderen fristlos aus dem Schuldienst entlassen wurde. Ihre Hauptschuld: Weil sie bei einer privaten, linken Veranstaltung Klavier gespielt hatte. Mehr konnte ihr faktisch nicht vorgeworfen werden. Eine Lappalie, mit der sich eine Behörde eigentlich höchst lächerlich macht, aber trotzdem Elly Maldaque die Stelle kostete.

Und es blieb nicht die einzige Lappalie. Weil sie, wie wir heute wissen, zurecht Bespitzelung vermutete, zog sie bei ihrem Rechtsanwalt, wenige Tage nach ihrer Entlassung, einen Vorhang zu. Dabei wurde dieser beschädigt. Die damalige Exekutive behauptete, sie habe den Vorhang gewaltsam heruntergerissen und wies sie wegen Gemeingefährlichkeit in die Psychiatrie ein. Diese Lappalie kostete Frau Maldaque das Leben, denn 11 Tage nach der Einlieferung war sie tot.

Ich möchte nun keinesfalls die heutigen Verhältnisse mit damals, 1930, gleichsetzen. Trotzdem finde ich es immer wieder erschreckend, wenn ich Parallelen entdecke. Auch Parallelen, die das ueTheater betreffen. Auch das ueTheater wird wegen einer Lappalie, weil wir statt „Theater an der Uni“ „Elly Maldaque Theater an der Uni“ auf unsere Flyer und Plakate drucken, existenzvernichtend verklagt, auf 20 000 Euro, Streitwert 40 000 Euro.

Und wie beim Vorhang wurde auch dem ueTheater Gefährlichkeit unterstellt. Wegen dieser angeblichen Gefährlichkeit wurde uns Hausverbot erteilt und wir wurden aus dem Theatersaal von Polizeikräften, die vom Studentenwerk gerufen wurden, geräumt, während unseres Bühnenaufbaus Sommer 2019. Seitdem durften wir nicht mehr an der Uni aufführen. Ebenfalls wie bei Elly Maldaque, wurde nach 17 Jahren unser Dienst an der Uni bezüglich kreativem, innovativem und vor allem gesellschaftlich engagiertem Theater beendet.

Die Gewaltenteilung war damals, 1930, noch nicht so ausgebildet wie heute. Gegen das Hausverbot legten wir beim Verwaltungsgericht Klage ein und bekamen Recht! Und was tat das Studentenwerk? Es sprach noch einmal mit der identischen Begründung ein Hausverbot aus! Wieder Klage, wieder Aufhebung des Hausverbots und so weiter. Das Spielchen wiederholte sich solange, bis das Studentenwerk unsere Sommeraufführungen 2019 aktiv verhindert hatte.

Trotzdem, die Gewaltenteilung funktionierte, auch wenn vor der Schamlosigkeit des Studentenwerks sogar das Verwaltungsgericht letztendlich kapitulierte. Daher hoffen wir, dass im Gegensatz zu damals bei Elly Maldaque unsere Dienstentfernung wieder rückgängig gemacht wird und wir als sozial und gesellschaftlich engagierte Theatergruppe an die Uni zurückkehren können. Der heutige Prozess ist ein wichtiger Schritt dazu.


Fußnote:
1) Freilich nennt das Studentenwerk das nicht „Gebührenaufschlag“, sondern „reguläre Nutzungsgebühren“, also kommerzielle Mietpreise, siehe Richtlinie. Es behauptet sogar, das ueTheater habe die Freiheit, jederzeit Plakate mit der Ortsbezeichnung „Elly Maldaque Theater an der Uni“ herauszugeben, es müsse dann halt nur reguläre Miete zahlen. Mit diesem Dreh versucht das Studentenwerk die Öffentlichkeit nach Ansicht des ueTheaters zu täuschen, denn selbstverständlich sind kommerzielle Mietpreise für eine studentische Laientheatergruppe unmöglich zu leisten. Es ist, wie zu einem Obdachlosen zu sagen, du kannst jederzeit ein Dach über dem Kopf haben, du musst dir nur ein Haus kaufen.

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