Infostand 05.02.2020:
Weitere Razzia im Abschiebelager

infostandsommer2017Diese Woche war ein weiterer Großeinsatz der Polizei im Abschiebelager das bestimmende Thema. Die Polizeiinspektion Regensburg Süd führte am Dienstag den 4. Februar eine „anlassunabhängige Kontrolle“ durch. Diese wurde früh morgens um 6:40 Uhr mithilfe eines großen Aufgebots an Polizeikräften durchgeführt.

Wir haben mit Menschen aus dem Abschiebelager gesprochen. Uns wurde erzählt, dass mehr als ein Dutzend Polizeiautos vorfuhren und „überall“ Polizei war. Da zumindest den Menschen, mit welchen wir Kontakt hatten, nicht erklärt wurde, weshalb die Polizei da ist, herrschte noch mehr Unsicherheit als sonst bei solchen Repressionsmaßnahmen. Vor allem von der Polizei mitgeführte Hunde hätten den Menschen Angst eingejagt. Weiter wurde uns berichtet, dass einige Menschen im Zuge der Kontrolle in den Speisesaal „getrieben“ und dort vorübergehend festgehalten wurden. So weit uns mitgeteilt wurde gab es keine Abschiebungen.

Wie die Polizeiinspektion Süd später per Pressemitteilung bekannt gab wurden 205 Personen kontrolliert, gegen sechs Geflüchtete bestand eine Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung.

Verfassungsrechtlich fragliche Polizeipraxis

Derartige „präventive Kontrollen“ führt die Polizei regelmäßig in Lagern durch und die oftmals großangelegten Razzien gehören zur Lebensrealität in „Ankerzentren“. U.a. durch Anfragen an den bayerischen Landtag sind hunderte solcher Fälle bekannt. Oft kommen Polizeihunde zum Einsatz und sehr oft werden die Zimmer von Geflüchteten betreten. Meistens gibt es keine konkreten Verdachtsfälle oder Vorfälle – wie auch letzte Woche werden derartige Maßnahmen „anlassunabhängig“ durchgeführt. Während Polizei von routinemäßigen „Begehungen“ spricht, berichten Geflüchtete immer wieder davon wie angsteinflößend, verunsichernd oder gar retraumatisierend es ist, wenn früh morgens dutzende, über ganze Hundertschaften bis hin zu mehreren hundert Einsatzkräften an die Zimmertüren hämmern.

Das Eindringen der Polizei in die Wohnung gilt als schwerer Eingriff in die Privatsphäre, denn der Wohnraum ist durch Art. 13 Grundgesetz geschützt, die Unverletzlichkeit der Wohnung hat damit Verfassungsrang. Die Bayerische Staatsregierung hat jedoch mit ihrem Integrationsgesetz diese Unverletzlichkeit der Wohnung für Geflüchtete massiv eingeschränkt. Unterkünfte für Geflüchtete wurden 2017 im Bayerischen Polizeiaufgabengesetz (BayPAG) pauschal zu gefährlichen Orten erklärt und der Polizei erweiterte Befugnisse eingeräumt. So können dort laut BayPAG ohne konkreten Anlass Identitätskontrollen vorgenommen sowie zur „Abwehr dringender Gefahren“ Zimmer ohne richterlichen Beschluss betreten werden.

Wie der bayerische Flüchtlingsrat in einer aktuellen Pressemitteilung vom 06.02.2020  weiter berichtet, hält der bayerische Verfassungsgerichtshof diese Regelung für grundsätzlich verfassungskonform, setzt jedoch klare Grenzen für die Anwendung. So ist vor einem solchen Eingriff eine situationsbezogene Konkretisierung der Gefahrenlage zwingend erforderlich. Der bayerische Verfassungsgerichtshof weist sogar explizit darauf hin, dass es unzulässig ist, generell von einer Gefahr auszugehen nur weil in einer Unterkunft Geflüchtete wohnen. Weiter würde allein das Bedürfnis der Polizei wissen zu wollen wer genau in solchen Einrichtungen lebt keinen Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung rechtfertigen.

„Anlassunabhängige“ Kontrollen unterbinden!

Wenn die Kontrolle am letzten vergangenen Dienstag also „anlassunabhängig“ war, wie dies aus Presseberichten hervorgeht, bzw. wenn Zimmer von Geflüchteten durch Einsatzkräfte betreten wurden, müsste auch sie demnach als rechtswidrig eingestuft werden. Wir schließen uns der Forderungen des bayerischen Flüchtlingsrats an das bayerische Innenministerium an diese Einsätze zu unterbinden.

Mit solchen Einsätzen verstößt die Polizei gegen das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung und setzt sich zudem aktiv gegen die in der Entscheidung des bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 3. Dezember 2019 gesetzten Grenzen dieser Einsätze hinweg. Weiter tragen nicht zuletzt auch diese Einsätze zur Stigmatisierung vermeintlich „krimineller“ Geflüchteten bei, setzen Betroffene krassen Stresssituationen aus und verletzen die Privatsphäre dieser auf massive Art und Weise.

 

Hintergrund

Pressemitteilung des bayerischen Verfassungsgerichtshofes zum Urteil vom 03.12.2019:
https://www.bayern.verfassungsgerichtshof.de/media/images/bayverfgh/6-viii-17u.a.-pressemitt.-entscheidung.pdf

Kleine Anfrage zu „anlasslose Durchsuchungen in Flüchtlingsunterkünften“ (von 2018):
https://kleineanfragen.de/bayern/17/19781-anlasslose-durchsuchungen-von-fluechtlingsunterkuenften

Artikel über Razzien in Regensburg (ebenso von 2018):
https://www.regensburg-digital.de/razzien-in-fluechtlingsunterkuenften-verunsicherung-statt-sicherheit/04072018/

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