Ernst-Reuter-Platz, 16.12.2018:
Rede von Recht auf Stadt beim Bauernaufstand

Bauernaufstand

Liebe Bäuerinnen und Bauern!

Im Grundgesetz heißt es, Artikel 14:

„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

Hier, hinter uns, auf dem Kepler-Areal, stehen über 200 Zimmer leer, günstige Zimmer, beliebte Zimmer, bitter benötige Zimmer. Doch sie stehen leer, zum Teil schon seit über einem Jahr.

„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

Doch wer ist der schnöde Eigentümer, der sich nicht ans Grundgesetz hält und trotz immensem Bedarf, trotz grassierender Wohnungsnot, trotz verzweifelt suchender Menschen Wohnungen verrotten lässt? Wer ist dieser asoziale Knilch, dieser egoistische Investor, der nach Obdach hungernde Menschen kaltblütig verhungern lässt? Ein Erzbösewicht aus dem Osten? Ein finsterer Typ aus dem Westen, Süden oder Norden? Nein. Die kaltherzigen Eigentümer leben mitten unter uns. Es ist unsere Stadtregierung, unsere Verwaltung!

„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

Unsere Exekutive pachtete dieses Areal auf 99 Jahre, aber nicht für uns, sondern gegen uns. Hier sollte kein Raum für Menschen entstehen, zum Wohnen, Party feiern oder einkaufen, sondern ein Tempel für den Reichtum, für Abzocke, für die Umschichtung von Vermögen von öffentlicher Hand in private.

„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

Wir Regensburger Bäuerinnen und Bauern machten aber den feinen Herrinnen und Herrn im Stadtrat einen Strich durch die vermaledeite Rechnung: Bäuer*innenentscheid! Nix da mit RKK-Luxus-Tempel! Doch wie reagieren unsere beleidigten Vordersassen, die vorgeben, unsere Interessen zu vertreten? Abriss!

Für Wissende jeden Standes ist das Kepler-Areal, so wie es dasteht, ein stadtplanerisches Kleinod. Hier ist das Prinzip der kurzen Wege geradezu idealtypisch verwirklicht: Günstiges Wohnen, Einkaufen, Bank, Theater, Treff von Suchtkranken, Restaurant und Kneipe, Raum für Gottesdienste, Kleiderkammer für Schutzsuchende, soziales Café, alles war (!) in einer Minute erreichbar. Und vor allem: supergünstige Anbindung. Niemand, der hier wohnte, brauchte ein Auto. Was kann sich eine Stadt, die unter Verkehr und Platzmangel leidet, mehr wünschen?

Alles, was das Areal braucht, ist nach Jahrzehnten des Dauerbetriebs eine gründliche Renovierung. Aber nein! Es soll abgerissen werden, damit die nächsten Jahre hier wie am Donaumarkt eine hässliche Brache entsteht. Der Plan der beleidigten Stadtregierung: Die Bäuer*innen solange nerven, bis sie auch noch das monströseste Bauwerk akzeptieren, siehe Donaumarkt und das Monster „Museum der Bayerischen Geschichte!“

„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

Schauen wir auf die andere Seite. Ein Schloss mit über 500 Zimmern, die größtenteils verstauben, ein riesiger Park mitten in der Stadt. Was haben wir Bäuer*innen davon? Nichts. Für viel Geld können wir dort einmal im Jahr auf einem erzkapitalistischen Markt mit etwas Weihnachten und schlechtem Gesang einen Glühwein saufen.

„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

Dient die Schlossherrin in irgendeiner Weise der Allgemeinheit? Nein! Sie schadet ihr. Sie nutzt ihren Reichtum schamlos, um menschenfeindliches, rückständiges, reaktionäres Gedankengut zu verbreiten.

Hier möchte ich ausnahmsweise mal nicht mit dem Grundgesetz kommen, sondern unsere gar nicht so schlechte Bayerische Verfassung zitieren:

Art. 123
Die Erbschaftssteuer dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen einzelner zu verhindern.

Ansammlung von Riesenvermögen verhindern? Über 2 Milliarden derer von Tut und Taugt nix, Schlösser, Burgen, riesige Ländereien – Das ist ein Riesenvermögen!

In der Weimarer Republik gab es eine alle Bevölkerungsgruppen erfassende Bewegung, ein Volksbegehren, das forderte: Enteignet die Fürsten! Der Volksentscheid scheiterte 1926 nur aufgrund hinterfotziger, politischer Ränke.

Liebe Bäuerinnen und Bauern!

– Wir fordern, dass das Kepler-Areal, so wie es ist, erhalten bleibt und renoviert wird, denn das nutzt der Allgemeinheit!

– Wir fordern, dass das Eigentum der Familie Tut und Taugt nix enteignet wird, denn es schadet der Allgemeinheit!

Darum folgt meinem Ruf: Enteignet die Fürstin! Enteignet die Fürstin! Enteignet die Fürstin! …

Danke!

Kommentar

  1. Daniel Oehler

    Moin liebe Recht auf Stadt-Menschen,

    ich wollte euch ein großes Kompliment für die Demo am 16.Dezember machen, vor allem für die Musik – ich war schon auf echt vielen Demos in meinem Leben, aber hab noch nie so perfekt temperierte und laute Musik erlebt.
    Auch noch das Kompliment von einer ca. 70-jährigen Weihnachtseinfäuferin die ich von unseren Zielen überzeugen wollte will ich weitergeben: “das Schloss wird die nicht freiwillig hergeben, aber ihr habt verdammt gute Musik!)

    Ich wollt euch das eigentlich noch auf der Demo sagen aber mir wurds zu kalt – desolee
    Liebe Grüße und bis spätestens nächstes Jahr
    Daniel

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