Kein RKK!:
„Bald ist Schluss mit sozialem Engagement, wenn alles abgerissen wird“

Dieses Jahr werden in Regensburg über 500 günstige Studierendenwohnungen eingestampft. Im Frühjahr bereits wurde das Studentenwohnheim der Diakonie in der Oberen Bachgasse geräumt. Ebenso ein großer Wohnblock in der Otto-Hahn-Straße, in dem hautpsächlich studentische WGs untergebracht waren. Ende Dezember sollen dort zwei weitere Wohnblöcke geleert werden. Und schließlich das Keplerareal. Hier sollen gleich zwei Wohnheime mit über 200 Studierenden und unschlagbar günstigen Mieten aufgelöst werden. Während die Bevölkerung in einem irrsinnigen Mitmachspektakel in Sachen „Kultur- und Kongresszentrum (RKK)“ der Vernichtung dieses günstigen Wohnraums zustimmen soll, wurden die Betroffenen wohlweislich nicht gefragt. Dies hat nun Recht auf Stadt nachgeholt. Bewohner*innen der verschiedenen Heime berichten zum ersten Mal ausführlich über ihr Leben in den Heimen und über ihre gegenwärtige, katastrophale Situation. Und warum wurden sie nicht gefragt? Vermutlich, weil sich dann ergeben hätte, welches Kleinod hier dem Profit und pathologischer Großmannssucht geopfert werden soll. Nein zum RKK!

Kein RKK! Interview

So schön ist der Ausblick vom 9. Stock des Lutherheims

 

Über das Wohnen in den Heimen

Ihr seid Bewohner der Studentenwohnheime Keplerhaus und Lutherhaus. Wie lange wohnt ihr schon hier und in welchen Heimen?

A: Seit Herbst 2013 im Keplerhaus.

C: Seit fünf Jahren auch im Keplerhaus. Vorher habe ich in einer WG gewohnt in Regensburg. Aber uns wurde die Wohnung gekündigt und in unserer Preisklasse haben wir nichts gefunden für eine neue WG. Deshalb bin ich hier.

J: Ich bin seit ungefähr zweieinhalb Jahren im Lutherhaus. Ich komme aus München. War zuerst in Landshut und bin dann wegen meinem Studium nach Regensburg gezogen.

M: Ich wohne auch im Lutherhaus, schon seit 2010. Jetzt bin ich gerade in der Abschlussphase meiner Promotion.

Wie gefällt es euch hier?

M: Mir gefällt es ziemlich gut, weil die Lage sehr günstig ist, hier kann man alles erreichen, was man als Student so braucht. Kaufhäuser, Apotheke, Post, Sparkasse, alles ist schnell erreichbar.

J: Die Lage ist wirklich super, ungeschlagen. Aber die Lautstärke ist manchmal schon extrem. Die Frequenz der Busse ist sehr hoch. Die ersten fahren schon um fünf Uhr früh und der letzte um 24 Uhr.

C: Es kommt halt immer darauf an, in welche Richtung dein Zimmer ist. Bei mir hält sich die Lautstärke in Grenzen. Und wenn man das Fenster zu hat, hört man im Grunde gar nichts mehr, nur so Hintergrundgewabere. Ich glaube, wenn ich mal woanders wohne, werde ich nicht mehr schlafen können, weil mir das abgeht.

J: Musst du aufnehmen, auf Tonband, zur Beruhigung.

A: Bei mir ist es immer ruhig. Für dieses Geld und diese Lage ist es das beste, was es in der Stadt gibt. Super Platz, super Preis.

Kein RKK! Interview

Auf dem Gelände gibt es fast alles, was ein Mensch zum Leben braucht, z.B. Gemüse …

Macht sich die Bahnhofsnähe und die damit häufig verbundenen sozialen Probleme bemerkbar?

A: Freitagabend, wenn die Partyleute kommen, ist es etwas lauter, aber tragisch war das nie. Sicher sieht man manchmal Leute, die sich Drogen verabreichen. Das gibt es ja in jeder Stadt an jedem Bahnhof. Aber es ist alles sehr gut beleuchtet. Ich habe hier keine Angst. Und so schlimm, dass man die Polizei anrufen musste, war es nie.

Wie unterscheiden sich eigentlich Keplerhaus und Lutherhaus?

A: Im Keplerhaus gibt es einzelne Apartments. Kochnische und eigene Nasszelle. Im Lutherhaus sind es WGs. Für eine Etage gibt es dort eine Dusche, eine Toilette und eine gemeinsame Küche. Da ist die Miete natürlich etwas günstiger. Im Keplerhaus kostet ein Zimmer 160 Euro. Da sind jeweils schon alle Nebenkosten dabei, Heizung, Strom.

J: Im Lutherhaus kostet ein kleines Zimmer, ca. 10 qm, 130 Euro inklusive Nebenkosten. Dann gibt es auf jedem Stockwerk zwei große Zimmer um die 20/25 qm, die kosten 185 Euro. Wir zahlen auch keinen Strom, der ist schon in der Miete enthalten. Vom Preis ist das natürlich sehr gut.

Gibt es auch Gemeinschaftsräume?

A: Im Keplerhaus gibt es keine, aber das Lutherhaus hat ganz oben einen Barraum und einen Raum mit Tischtennisplatte und Kicker. Das können auch die Leute aus dem Keplerhaus benutzen, der Schlüssel passt in beiden Häusern.

J: Im Lutherhaus gibt es insgesamt neun Stockwerke. Bewohnt sind acht. Im neunten Stock befinden sich die besagten Gemeinschaftsräume.

Wieviele Zimmer haben die beiden Häuser?

A: Ungefähr 100 im Keplerhaus. Im Lutherhaus sind es so 120. Also insgesamt etwa 220.

Wer vermietet die Zimmer?

A: Ich habe mich direkt bei der Diakonie beworben, am Ölberg 2.

War es kompliziert, hier ein Zimmer zu bekommen?

C: War überhaupt kein Problem. Musste nur nachweisen, dass ich Student bin, Immatrikulationsbescheinigung hergezeigt und fertig.

J: Man musste auch einen Fragebogen ausfüllen, welches Semester, welcher Studiengang, Erststudium, Zweitstudium, und so. Ich hatte den Eindruck, dass sie schon eher den Leuten geholfen haben, die wirklich ganz dringend etwas brauchten.

Der soziale Zweck steht im Vordergrund?

J: Ja, kann man so sagen.

Muss man eigentlich Christ sein, bzw. evangelisch, wenn man hier wohnen möchte?

C: Ich hab da mal bei der Diakonie gefragt, weil ich ja eigentlich katholisch bin. Haben die gesagt, das spielt gar keine Rolle, wir haben auch Moslems, nach Religionen werde hier nicht unterschieden.

Hattet ihr oft Kontakt zur Diakonie?

A: Es war alles gut. Ich hatte keinen Stress, keine Probleme. Ich wohnte da ruhig und hatte keine Gründe, mich mit der Diakonie in Verbindung zu versetzen. Immatrikulationsbescheinigung zweimal im Jahr, das war‘s.

M: Man kann schon sagen, es wird sich gut um alles gekümmert. Das ist bis jetzt so. Wir haben Anfang dieses Jahres eine gute Ausstattung bekommen, neue Kühlschränke, und alles wird intakt gehalten. Man kann natürlich immer über Bausubstanz streiten, aber den einzelnen Studenten stört das nicht so besonders.

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… Kleidung …

Wie ist der Zustand der Zimmer? Sind sie verschimmelt oder so?

A: Nein, nein, da ist gar nichts. Es wurde frisch renoviert, als ich eingezogen bin. Wenn jemand auszieht, zahlt man so Malerkosten, 90 Euro, da wird das Zimmer nach jedem Besitzerwechsel renoviert, das steht so im Vertrag.

Auf dem Areal gibt es neben den Wohnheimen noch eine große Zahl anderer Nutzungsformen?

J: Ja, und vor allem ist es überwiegend eine soziale Nutzung, günstiger Wohnraum für Studis, Suchtberatung, Kinderkrippe, Altentreff. Eine ältere Damengesellschaft trifft sich regelmäßig zum Kaffeekränzchen und Stricken. Man merkt, dass es hier einen anderen Verhaltenskodex gibt, nicht so ruppig, wie in der Wirtschaft, sondern menschlicher.

A: Und Theater ist seit dem letzten Jahr hier.

J: Im Keplersaal ist übrigens auch noch eine Kirche. Da gibt es regelmäßig Gottesdienste.

A: Meist von afrikanisch aussehenden Leute. Am Wochenende gibt es Kinderbetreuung, da kommen die Eltern mit ihren Kindern.

J: Es gibt auch Räume für anonyme Drogenabhängige.

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… Haushaltsgeräte …

Was ja auch Sinn macht an einem Bahnhof.

A: Ja, aber jetzt ist bald Schluss mit sozialem Engagement, wenn alles abgerissen wird.

Wegen der Abrisspläne wird vermutlich schon seit längerem nicht mehr neu vermietet. Wieviel Leerstand gibt es inzwischen?

J: Im Lutherhaus stehen ungefähr 50 Prozent leer.

C: Bei uns im Kepperheim ist es noch relativ voll.

A: Man sieht das an den Briefkästen. Wenn gerade keiner drin wohnt, nimmt der Hausmeister das Namensschild heraus. Nach den Briefkästen sind im Keplerhaus 10 Zimmer leer, also 10 Prozent.

Persönliche Situation

Wie lange braucht ihr noch, bis ihr mit eurem Studium fertig seid?

C: Wenn alles nach Plan läuft, schreibe ich im kommenden Semester meine Masterarbeit. Dann brauche ich vielleicht noch ein Semester, bis alle Noten da sind.

J: Ich bin im Oktober fertig mit meiner Bachelorarbeit. Aber wann und wo ich eine Arbeit bekomme, weiß ich natürlich noch nicht.

C: Und wenn man im Oktober fertig ist, dauert es natürlich noch, bis man seine Noten hat, seine Unterlagen. Teilweise muss man ein komplettes Semester auf seinen Scheiß warten.

A: Ich bin bis Ende 2018 fertig. Dann muss ich wahrscheinlich noch die Doktorarbeit verteidigen, das dauert noch etwas länger.

M: Ich bin gerade in der Abschlussphase meiner Promotion. Jetzt geht es darum, die Promotion abzuschließen, möglichst im Wintersemester, dann kommt die Verteidigung.

Du schreibst Masterarbeit, du Examen, Promotion, Bachelorarbeit. Der 30. November 2017, das Datum, an dem ihr ausziehen sollt, könnte kaum ungünstiger sein?

M: Dieses Wintersemester ist entscheidend für meine Promotion, und dementsprechend ist das eine große Belastung und Stress, wenn man sich da hektisch um einen Umzug kümmern muss, insbesondere in dieser Preislage, wo es auch ziemlich schwierig ist für die Promoventen, die schon etwas älter sind, weil in erster Linie Erstis, also Erstsemester bevorzugt werden bei anderen Wohnheimen, dann ist das natürlich sehr schwierig. Und dann fühlt man sich wie in einer Falle.

C: Die Masterarbeit ist die wichtigste Note in meinem Studium, die zählt ein Drittel meiner Gesamtnote.

A: Ich stehe kurz vor dem Ende meines Medizinstudiums, Examen, und muss für die berufliche Zukunft schauen. Jetzt muss man auf diesem überheizten Immobilienmarkt wieder was suchen.

J: Der abrupte Rauswurf zum 30. November ist einerseits schlecht wegen meines Abschlusses. Andererseits natürlich auch wegen der Jahreszeit, wegen der Feierlichkeiten. Außerdem muss man mal sagen, die Diakonie ist ja eine christliche Einrichtung. Und ausgerechnet zu Beginn der Weihnachtszeit setzt man uns auf die Straße. Wo ist der St. Nikolaus, der mir ein Stück von seinem Umhang gibt, damit ich mich dran wärmen kann!

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… Kneipe, leider inzwischen ein Leerstand …

Kündigung?

Außerdem haben wir Lutherjahr und gerade da soll das Lutherhaus geschlossen werden. Aber ihr habt ja meines Wissens noch gar keine konkrete Kündigung erhalten?

C: Nein, es gibt bisher nur den Aushang vom studentischen Heimsprecher. Der Heimsprecher ist sozusagen der Mediator zwischen der Wohnheimsverwaltung am Ölberg und den Studierenden hier im Luther- und Keplerhaus. Der hat von der Heimverwaltung immer widersprüchliche Aussagen bekommen. Ursprünglich hieß es, wir können auf jedem Fall noch bis Ende 2018 hier wohnen. Dann hieß es Ende Dezember 2017, dann ein paar Monate später Ende November. Ohne Angabe von Gründen.

M: Es gab noch keine offizielle Informationen. Es gibt nichts mit Stempel und Unterschrift.

J: Das einzige, was tatsächlich offiziell ist, das ist ein Aushang unten an der Tiefgarage, die von der Sparkasse und den Geschäften hier genutzt wird. Da kündigt die Diakonie offiziell an, dass die Garagen nur noch bis 31.12.2017 betrieben werden.

C: Übrigens ist der Aushang extrem witzig. Darin heißt es (liest von Handy ab):

“Sehr geehrte Damen und Herren, wie sie vielleicht bereits gehört haben, wird das Anwesen Ernst-Reuther-Platz 2, D.-Martin-Luther-Straße, zum 31.12.2017 den Betrieb einstellen. Ab Januar 2018 beginnt der Rückbau des ganzen Komplexes. Wir müssen Sie leider bitten, bis spätestens 30. November 2017 einen neuen Stellplatz zu suchen. Kündigungsfrist ist zwei Wochen zum Monatsende. (…) Nach Eingang Ihrer Kündigung wenden Sie sich bezüglich des Abgabetermins des Schlüssels und Karte an Hern B.. Wir danken für das langjährige Mietverhältnis“

Die Diakonie will den Betrieb einstellen und verlangt von den Stellplatzmietern, dass sie den Vertrag auch noch selber kündigen sollen.

Ihr wohnt hier und bekommt nichts und die haben nur einen Stellplatz und bekommen eine offizielle Auskunft?

C: Der Aushang wegen der Stellplätze hat den offiziellen Briefkopf der Diakonie und die Unterschrift der Frau Beck. Der Aushang für uns ist lediglich eine Info des studentischen Heimsprechers.

J: Wir haben vor ein paar Wochen mit den Ladenbesitzern geredet und auch mit den Einrichtungen im Erdgeschoss von der Diakonie selbst und von der Kirche. Wir dachten, mit der Wirtschaft und den eigenen Leuten wird schneller geredet, als mit den Bürgern. Von der Sparkasse habe ich die Aussage, sie können auf jeden Fall noch länger drin bleiben, haben aber auch noch kein offizielles Statement von der Diakonie. Vor ein paar Tagen habe ich mit dem Besitzer des arabischen Ladens geredet. Der war auch verärgert, weil er wie wir keine konkreten Aussagen bekommt, nur immer nebenbei über zehn Ecken. Die Kinderkrippe von der Kirche, die wissen auch noch nichts, aber ihnen wurde anscheinend gesagt, sie können länger drin bleiben.

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… sowie Sparkasse, Theater und ganz oben einen Saal für Gottesdienste und Gruppentreffen

Wann hätte denn die Kündigung kommen müssen, wenn es regulär laufen würde?

J: Man kann laut Mietvertrag immer nur bis zum Ende des Semesters kündigen. Eine Kündigung Mitte des Semesters ist unzulässig.

C: Es steht wortwörtlich drin in Paragraph 1, ein Mietvertrag wird nur auf ein Semester geschlossen. Aber im Paragraph 2 heißt es, wenn nicht 3 Monate vor Ende des Semesters gekündigt wird, verlängert sich das Mietverhältnis automatisch ein Semester.

Dann hätte die Diakonie bis zum 30.06.2017 kündigen müssen, wenn man euch im Winter draußen haben will?

C: Im Prinzip geht es um vier Monate, die wir zu früh rausfliegen sollen, was nicht legal ist. Aber wenn du das wirklich vor Gericht durchprügelst, dann geht das ja nicht von heute auf morgen. Es macht ja keinen Sinn, wenn nach dem 31.03.2018 ein Urteil gefällt wird, dass du bis dahin hättest drin bleiben können, aber du schon am 30.11.2017 geräumt wurdest.

A: Wenn die Diakonie wenigstens Alternativen geschaffen hätte, Ersatzwohnungen, wäre es nicht so schmerzhaft. Aber rausgeschmissen zu werden, mitten im Winter, das ist schon hart.

Keine Chance auf ein Zimmer

Könnt ihr nicht in anderen Wohnheimen unterkommen?

J: Keine Chance. In Wohnheimen hast du überhaupt keine Aussicht.

C: Und Mitte des Semesters geht überhaupt nichts.

A: Ich habe mich bei einigen Wohnheimen beworben und habe nur Absagen bekommen, weil alles megavoll ist, vor allem zum Wintersemester. Jetzt kommen bestimmt 15 000 neue Studierende nach Regensburg. Das Studentenwerk hat mir gleich gesagt, das könne ich vergessen, es ist alles voll.

M: Bei Wohnheimen fragen sie immer in den Fragebögen, ob du von weiter weg kommst, denn dann wirst du bevorzugt. Bei uns sagt man, ihr seid doch aus Regensburg, ihr seid schon irgendwie bevorzugt und man kommt nicht dran.

C: Bei mir ist es genau das Gleiche. Ich schreibe nächstes Jahr meine Masterarbeit und komme jetzt ins dreizehnte Semester. Bei einer offiziellen Wohnheimbewerbung sieht man das und die Bewerbung geht in den Nichtakzeptiertstapel und fertig. Aber was soll ich denn machen? Nur, weil ich schon ein paar Semester studiere, habe ich es auch nicht einfacher, eine Wohnung zu finden. Aber sie sagen, Erstsemester sind viel wichtiger. Und ich sage, was ist wichtiger, dass viele anfangen oder dass viele fertig werden?

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Eine Auswahl der sozialen und kulturellen Einrichtungen, die durch das geplante RKK zerstört werden würden

Und gerade ein guter Abschluss ist eines der wichtigsten Dinge im Leben.

C: Ja, aber das ist praktisch dein privates Problem, das ist denen egal.

Gibt es eine Grenze für die Wohndauer in Studierendenheimen?

C: Die meisten Studentenheim haben ein Höchstwohndauer von sechs Semestern. Im Härtefall, so heißt es, kann noch um ein oder zwei Semester verlängert werden. Aber wenn man nachrechnet, wenn jemand seinen Bachelor macht und einen Master drauf, dann kommst du mit den insgesamt acht Semestern nicht weit. Selbst bei Regelstudienzeit funktioniert das nicht. Du hast schon sechs Semester Bachelorstudienzeit und dazu vier Semester Master, dann bist du bei zehn.

J: Staatsexamen gibt es ja auch noch, und Diplomstudiengänge, die von Haus aus länger dauern. 

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Über 200 Studierende sollen sich eine neue Bleibe suchen

Außerdem arbeiten fast 70 Prozent aller Studierenden nebenbei, um sich ihr Studium leisten zu können. Das verlängert auch die Studienzeit.

C: Beim Bafög bekommst du Unterstützung nur fürs Erststudium. Sobald du dein Studium wechselst, fällst du automatisch aus dem Bafög raus. Ohne Arbeiten ist da nicht mehr. Und logischerweise geht dir die Zeit irgendwann flöten, weil entweder du arbeitest, oder du lernst.

J: Und nicht alle wollen auch in der Regelstudienzeit fertig werden. Sie versuchen das ganze Angebot der Uni zu nutzen. Ich kenne viele Studenten, die 20 Leistungspunkte mehr machen, weil sie alles mitnehmen wollen.

So soll es ja auch sein, Bildung, Wissen!

J: Genau. Nicht nur schnell, schnell das Nötigste machen, sondern sich tief reinarbeiten.

C: Es gibt halt welche, die sagen, es würden mich schon ein paar andere Sachen auch interessieren, die vielleicht gar nicht so verkehrt sind, wenn man das kann, Social Skills oder Computerkenntnisse. Und dann zu sagen, je länger du brauchst, desto schlechter ist es, das ist einfach falsch.

Nur einer profitiert: Der Investor

Es gibt auch nichts in Wohnheimen, wenn man etwas mehr zahlt?

A: Nein. Die Wohnheime liegen in Regensburg so um die 300 Euro Durchschnittspreis, also fast doppelt so hoch wie hier. Aber nicht mal für das Geld bekommt man etwas. Es gibt einfach zu wenige Wohnheime für eine so große Unistadt. Und bei den privaten sogenannten Wohnheimen, die die Investoren gebaut haben, da liegen die Monatsmieten um 450 Euro. Das ist quasi fast wie eine Wohnung.

C: Diese absichtliche informelle Irreführung! Da heißt es, wir haben ja Wohnheime. Aber wenn ich mir dann so „Wohnheime“ anschaue, wie dieses „studiosus“, wo du Zimmer hast, die minimal größer sind als hier, und du zahlst 600 Euro kalt! Wer soll sich das denn leisten? Das ist wirklich ausgelegt auf Studenten, wo es heißt: Studium sponsert bei Papi.

J: Da kenne ich einen interessanten Fall zu diesem Wohnheim. Bei unserer letzten großen Party hier im Lutherhaus waren auch einige Studenten von diesem „studiosus“ da. Die haben erzählt, dass da viele Leute in Wohnungen, die für eine Person gedacht sind, zu zweit wohnen.

Mit Studierenden kann man sehr viel Geld machen.

A: Wenn die Preise bezahlt werden, dann wird es immer teuerer.

Was macht ihr, wenn ihr nichts bekommt? Matratzenlager?

A: Ich habe jetzt soviele Bücher, Klamotten, Computer, da kann ich nicht mehr auf einem Matratzenlager schlafen. Wenn es gar nicht mehr geht, muss ich mir irgendwo Geld leihen und nehmen, was es gibt. Auch wenn es für mich unbezahlbar ist.

Und das während einer Zeit, wo du wahrscheinlich wegen deinem Medizinexamen auch nicht arbeiten kannst?

A: Früher habe ich manchmal in den Ferien gearbeitet, aber das kann ich jetzt natürlich nicht mehr. Ich komme auch nicht aus Regensburg, bin ganz alleine hier, keine Familie, keine Verwandten. Ich habe auch keine Bekannten hier, wo ich mal mehrere Monate schlafen könnte. Und ich kann auch noch nicht richtig suchen, weil ich nicht weiß, wie lange ich hier bleiben kann. Es gibt ja nur diesen inoffiziellen Aushang.

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Mitten im Lutherjahr soll das Lutherhaus nebst Kirchensaal geräumt werden

Warum, glaubt ihr, gibt die Diakonie keine definitive Auskunft?

C: Wenn ich raten müsste, dann weil da drin die rechte Hand nicht weiß, was die linke tut. In der Zentrale von denen ist eine Entscheidung getroffen worden, die dann aber in die Außenstelle Regensburg nicht klar kommuniziert wurde. Darum traut sich keiner eine konkrete Aussage zu machen, um nicht eventuell haftbar gemacht werden zu können.

J: Ich denke, die Diakonie wartet auf die Stadt, bis die wirklich ein Zusage macht.

C: Bisher ist ja überhaupt noch keine Entscheidung getroffen worden, was hier hinkommen soll und wann das passieren soll.

J: Dann kommt noch der Wolbergswechsel hinzu, wodurch die Stadtregierung noch viel weniger Zeit hat, sich damit zu befassen.

Aber die Stadtregierung hat offensichtlich genügend Zeit, kräftig die Werbetrommel für ein RKK zu rühren.

C: Trotzdem, ich denke, bis hier tatsächlich mal was passiert, gehen noch Jahre ins Land. Der Bau des RKKs soll ja frühestens 2022 beginnen. Deshalb verstehe ich nicht, warum es denen jetzt so pressiert. Ob die Studenten hier noch ein Jahr länger sind oder nicht, spielt für das Bauvorhaben ja überhaupt keine Rolle.

M: Sie sagen einfach, wir sind Besitzer, das dürfen wir machen, das ist unser Recht.

C: Ich kann mir auch vorstellen, dass der geplante Erbbauvertrag vorsieht, dass das Grundstück ohne „Altlasten“, übergeben werden muss. Die Stadtregierung will sicher das Grundstück leer haben. Darum versuchen sie jetzt, die Leute so schnell wie möglich rauszuekeln, soviel Panik zu streuen, dass die Leute von alleine abhauen. Denn jeder, der von alleine abhaut, mit dem hast du keinen Rechtsstreit zu befürchten.

Widerstand

Ihr habt jetzt vor, aufgrund eurer Situation Widerstand zu leisten. Was wollt ihr tun?

C: Wir möchten erst mal den Weg über die Presse gehen. Recht viel mehr kannst du ja nicht machen, solange du noch keine offizielle Kündigung in der Hand hast. Wenn aber dies Kündigung da ist, dann kann man natürlich weitere Schritte unternehmen. Speziell, wenn da rechtlich etwas nicht passt.

J: Wir haben uns auch überlegt, eine Diskussionsrunde zu machen mit jemanden von der Diakonie und vom Studentenwerk. Auch die Ladenbesitzer und Leute von der Kinderkrippe wären interessiert, daran teilzunehmen. Das wär vielleicht so das nächste, was wir machen könnten.

M: Man müsste natürlich auch jemanden von den Grundstückseigentümern, also von der evangelisch-lutherischen Pfründestiftung einladen. Das wäre sehr entscheidend, weil die Diakonie ja sagen kann, wir sind nur die Verwalter, wir können nichts dafür.

C: Wenn das nicht fruchtet, müssen wir uns noch etwas anderes überlegen. Es gab schon so Ideen wie früher an der Uni, Hörsaal- bzw. Wohnheimbesetzungen zu machen. Da halte ich persönlich relativ wenig davon. Ständig irgendwelche Plakate zu schwenken, das ist lauter Zeit, die ich nicht in meine Masterarbeit stecken kann. Und an der Uni interessiert meine private Wohnsituation niemanden.

Ihr müsstet ja nicht besetzen, ihr seid ja schon hier.

C: Trotzdem, es geht immer auf Kosten des Studiums. Du hast ja überhaupt keine Zeit, dich damit zu beschäftigen. Und ich glaube, die andere Seite zockt genau damit, dass sie sich denken, da wehrt sich sowieso keiner.

M: Durch diese Verzögerungstaktik, dass man die Menschen im Ungewissen lässt, setzt man sie so stark unter Druck, dass die meisten das nicht aushalten und sagen, ich brauche die Sicherheit. Und die Sicherheit beginnt, wenn ich ein neues Mietverhältnis aufnehme.

J: Die Leute müssen sich bewusst werden, dass sie zusammen mehr erreichen können. Wenn man etwas rauszoomt aus seinem eigenen Lebensbereich, um die Situation in seiner umgebenden Region zu erfassen, dann sieht man, dass günstiger Wohnraum immer weiter schwindet und die Leute haben alle Probleme.

Was würdet ihr euch wünschen?

C: Ich würde es toll finden, wenn ich noch das Wintersemester, im Idealfall auch noch das Sommersemester hier wohnen könnte.

J: Ich würde mir wünschen, dass die Bewohner vom Studentenwerk und von den anderen Wohnheimen aufgefangen werden. Wenn das nicht geschieht, dann ist das ein Armutszeugnis für die Wohnsituation in der Stadt. Ich wünsche mir, dass die Leute nicht mit ihren Problemen alleine gelassen werden.

M: Ich bräuchte noch Zeit bis Ende des Wintersemesters, um meine Promotion abzuschließen. Darüber hinaus wäre eine transparente Bekanntmachung sehr wünschenswert. Dass die Diakonie uns ganz genau informiert, wie der Stand der Dinge ist, dass man uns Studierende nicht im Dunklen lässt. Das ist besonders wichtig.

A: Ständig hat man im Unterbewusstsein, dass man hier nicht länger leben kann, das bringt schon Unruhe. Genauso wie bei einem Asylbewerber, der auf seinen Bescheid wartet, ob er rausgeschickt wird oder ob er doch bleiben darf. Das ist schon belastend. Sein Fall ist natürlich viel schlimmer, aber ein bisschen so ist es schon auch mit der Wohnung. Vor allem, wenn man in einer Stadt niemanden hat, an den man sich wenden könnte.

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Alle Städte mit Wohnraummangel bauen in die Höhe. Regensburg dagegen will Hochhäuser abreißen

Noch eine allgemeine Frage, sozusagen eine „Bürgerbefragung“, weil ihr ja Fachleute für das Areal seid: Was wäre für euch die beste Nutzung für das Areal?

C: So ein größerer Stadtpark wäre vielleicht nicht schlecht, alle sozialen Schichten, von Müttern, die da mit ihren Kindern spazierengehen und Studenten, die sich an einem Tisch zum Lernen treffen und Rentner, die sich an einem kleinen Teich treffen. Wo halt jeder sagt, da gehe ich gerne hin, weil es eben zentral in der Stadt ist.

J: Die beste Situation wäre natürlich, wenn man den Wohnraum hier erhält. Das wäre das Allerbeste. Denn Wohnraum ist kostbar und wenig. Als nächstes würde ich mir wünschen, dass die Bürger dort etwas mehr machen können und nicht irgendwie ein Prestigeobjekt hier hinkommt, das wäre wirklich das schlechteste was man tun kann. Die können die Leute definitiv nicht zufriedenstellen, wenn hier ein schönes Konzerthaus für ein paar wenige, dies sich das leisten können, steht. Sie werden die Leute immer weiter gegen sich aufbringen und Vertrauen verspielen, wenn sie den Leuten ihre sozialen Räume nehmen.

Kommentare

  1. robert

    Nein zum RKK ist meine Meinung wo sollen die Leute alle hin wo jetzt schon Wohnung Mangel ist ?

  2. pieter

    Nur weil die Stadt Regensburg das Filetstück neben dem Hauptbahnhof vereinnahmen will, heißt es nicht, dass eine verletzliche Einwohnergruppe wie einkommensschwache Studierende aus dem Stadtzentrum vertrieben werden sollte.
    Dieses freche Vorgehen der Stadtverwaltung sollte einen gewaltigen Aufschrei auslösen.

  3. Mona

    Habt ihr schon eine Petition gestartet? Falls ja, würde ich da gerne unterschreiben. Da denken bestimmt viele so. Erstens, weil es zu Leerstand kommt und zweitens, weil das viele Steuergeld auch besser investiert werden kann als in ein Kultur- und Kongresszentrum, welches nur wenige nutzen werden. Da sollten sie das Geld lieber in den sozialen Wohnungsbau investieren. Vor allem nachdem jetzt eh schon etliche Millionen für das Museum der bayerischen Geschichte draufgehen und da auch kein Geld für bezahlbaren Wohnbau in Regensburg übrig war.

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